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Fußballer-Gewerkschaft gegen Transfersystem

18. September 2015

Es wäre eine Fußball-Revolution: Die Spielergewerkschaft FIFPro will das geltende Transfersystem im internationalen Fußball mit Hilfe der EU-Kommission zum Einsturz bringen. Jetzt ist Brüssel am Zug.

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Symbolbild Geschäft Fußball Tippkick Geld
Bild: roxcon/Fotolia

Zehn Jahre nach dem "Bosman-Urteil" plant die Spielergewerkschaft FIFPro den nächsten Umsturz des weltweiten Transfersystems im Milliardengeschäft Fußball. Mit einer Beschwerde bei der EU-Kommission in Brüssel soll schwindelerregenden Ablösesummen ein Riegel vorgeschoben und den Profis das gleiche Recht wie einem einfachen Arbeiter eingeräumt werden.

Das Bosman-Urteil des Europäischen Gerichtshofs im Jahr 1995 erlaubte es den Spielern, innerhalb der EU nach Ablauf ihres Vertrages ablösefrei den Verein zu wechseln. Anfangs belächelt, führte die Entscheidung zum kompletten Umsturz des Transfersystems. Ähnliches erhofft sich die FIFPro nun erneut.

Gegen den Missbrauch von Marktmacht

"Das bisherige Transfersystem ist illegal", sagte FIFPro-Generalsekretär Theo van Seggelen am Freitag zu den seit 2001 geltenden Regeln: "Es gibt keinen fairen Wettbewerb mehr, das System schadet extrem den Interessen der Spieler. Wir haben die Pflicht, dass die Verträge der Spieler gesichert und eingehalten werden. Alle müssen die gleichen Chancen haben."

Dabei kann sich die FIFPro auf Artikel 101 oder 102 des EU-Vertrages berufen. Demnach ist es verboten, wenn Unternehmen Absprachen treffen - etwa zu Preisen - oder ihre beherrschende Marktstellung ausnutzen.

Im Grundsatz geht es der Gewerkschaft, die nach eigenen Angaben 65.000 Spieler in 65 Ländern vertritt, um zwei zentrale Punkte: Das Ende der explodierenden Ablösesummen, die nur großen Klubs zugutekommen würden, sowie die massive Stärkung der Arbeitnehmerrechte für Fußballprofis. Das alles verhindere der Weltverband FIFA, der wie die Top-Klubs seine marktbeherrschende Stellung missbrauche, so die Gewerkschaft.

Unfairer Wettbewerb

"Wir befürchten, dass die finanzielle Blase, die sich gebildet hat, demnächst platzt", sagte FIFPro-Präsident Philippe Piat: "Es gibt keinen Respekt für die Angestellten im Fußball. Der Fußball sollte sich nicht über das Gesetz stellen."

"Es ist ein unfaires Transfersystem", klagte Piat und führte als Beispiel den für rund 75 Millionen Euro vom VfL Wolfsburg zu Manchester City gewechselten Kevin De Bruyne an.

Die enorme Inflation bei den Transfersummen bevorteile die finanzstarken Clubs der europäischen Topligen. Dies habe die Untersuchung durch den Finanzexperten Stefan Szymanski gezeigt, auf deren Ergebnisse die FIFPro ihre Argumentation stützt. Allein die englische Premier League hatte in diesem Jahr 1,19 Milliarden Euro für neue Spieler ausgegeben.

"Wir wollen die Top-Clubs nicht abschaffen. Aber wir wollen auch nicht, dass es in ein paar Jahren nur noch 30 Clubs gibt", sagte Piat. Die derzeitigen Regeln würden einen fairen Wettbewerb der Clubs um die Verpflichtung sportlicher Talente verhindern und die Interessen der Spieler, kleiner und mittlerer Profiteams sowie deren Fans beeinträchtigen, so die Gewerkschaft.

"Das Rad nicht überdrehen!"

Die Europäische Fußball-Union (UEFA) reagierte zurückhaltend. "Wir hoffen, das außerhalb des Gerichts eine Lösung gefunden werden kann", sagte UEFA-Generalsekretär Gianni Infantino.

"Ich hoffe nicht, dass man die Transferregeln nochmal verschärft. Was jetzt passiert, kann man dem Fan kaum mehr vermitteln", sagte Bayern Münchens Vorstandsboss Karl-Heinz Rummenigge, gleichzeitig Vorsitzender der Klub-Vereinigung ECA, dem Fernseh-Sender Sky: "Wenn man jetzt nochmal Fahrt aufnimmt, könnte man das Rad überdrehen. Das kann nicht im Interesse der FIFPro und der Spieler sein."

Am Freitag ist die Beschwerde der Spielergewerkschaft bei der EU-Kommission eingetroffen. Das bestätigten die Wettbewerbshüter am Freitag in Brüssel. Zum konkreten Inhalt der Beschwerde macht die EU-Kommission keine Angaben.

Es droht eine lange Hängepartie

Die Experten der EU-Kommission prüfen nun, ob die gängige Praxis gegen das europäische Wettbewerbsrecht verstößt. Nur wenn die Kommission konkrete Ansatzpunkte dafür findet, eröffnet sie ein förmliches Prüfverfahren - sonst legt sie die Sache ad acta.

Brüssel übermittelt zunächst den Vereinen offiziell die Beschwerdepunkte. Diese haben dann das Recht, zu den Vorwürfen Stellung zu nehmen, auch in einer Anhörung. Die EU-Kommission kann die Unternehmen per Brief um Auskünfte bitten oder - wenn diese sich weigern - selbst ermitteln und etwa Büros durchsuchen lassen.

Machen die Unternehmen unter dem Druck der EU-Kommission Zugeständnisse und schaffen die wettbewerbswidrige Praxis ab, wird die Untersuchung eingestellt. Falls die Sache aber schwerwiegend ist und die Wettbewerbshüter einem Unternehmen einen Verstoß gegen EU-Recht nachweisen können, droht eine Strafe von bis zu zehn Prozent des Jahresumsatzes.

Die Dauer des Verfahrens hängt davon ab, wie komplex das Thema ist und wie schnell die betroffenen Unternehmen der EU-Kommission Informationen liefern. Eine Frist gibt es nicht. Bei großen Fällen wie gegen den Suchmaschinenbetreiber Google dauert es Jahre, bis die Kommission entscheidet.

dk/bea (dpa/SID)