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Fußball auf der Krim

Eugen Theise31. März 2015

Nicht nur politisch hat die Krim-Annexion durch Russland schwerwiegende Folgen. Für viele Fußballfans bedeutete Putins Griff nach der Halbinsel die Katastrophe. Nun sucht die UEFA nach einer Lösung.

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Simferopol Stadion (Foto: Evgeny Biyatov/RIA Novosti pixel)
Flaute nach der Annexion: Pokalspiel zwischen Sewastopol und Simferopol, den stärksten Klubs auf der Krim, lockt kaum einhundert Zuschauer ins StadionBild: picture-alliance/dpa/E. Biyatov

"30 Jahre lang war ich Fan von "Tavria", erzählt Igor aus Simferopol, der größten Stadt der Krim. Er war zehn, als er zum ersten Mal mit seinem Vater im Stadion war. Seitdem verpasste er nur selten ein Spiel. Er schwärmt von den großen Momenten seines Klubs, wie im Jahr 1991 als "Tavria" zum ersten Meister der unabhängigen Ukraine wurde. Er denkt immer wieder voller Sehnsucht zurück an die Stimmung im Stadion, als sein Klub sogar in der Europa League spielte. "Mehr als 10.000 waren im Stadion, als 2010 Bayer Leverkusen kam", erinnert sich Igor. Den Jubel als der nigerianische Stürmer Lucky Idahor zum 1:0 gegen die "Pharmazeuten", wie die Werkself in der Ukraine genannt wird, traf, wird er nie vergessen. Auch wenn der Endstand 1:3 für Leverkusen lautete, war es dennoch ein besonderer Tag für Igor, für den "Tavria" alles war. Bis im März 2014 das undenkbare geschah: sein Klub hörte einfach auf zu existieren.

Als die Soldaten kamen, gingen die Fußballer

Als die ersten Bewaffneten in grünen Uniformen ohne Hoheitsabzeichen auf der Krim auftauchten und die Verwaltungsgebäude besetzten, packten die ersten Stars von "Tavria" umgehend ihre Sachen. "Ich habe Angst", sagte damals der schwedische Mittelfeldspieler Gustav Svensson der Zeitung "Aftonbladet". Als klar wurde, dass die Krim von Russland einverleibt wird, verließen immer mehr ausländische und ukrainische Spieler die Krim. Sogar die meisten Aktivisten des Fan-Klubs sind geflohen. "Wir fürchteten um unser Leben", erinnert sich Oleg Komuniar. Der langjährige "Tavria"-Fan lebt seit der Annexion der Krim in Kiew.

"Viele von uns haben die Maidan-Bewegung unterstützt. Wir gingen mit ukrainischen und EU-Fahnen auf die Straßen. Als die Russen kamen, bekam ich Drohungen. Einige Bekannte von mir wurden verschleppt und wir wissen seit einem Jahr nicht, wo sie sind", sagt Komuniar.

Tawrija Simferopol gegen Bayer Leverkusen (Foto: EPA/STR)
Lacky Idahor schießt für "Tavria" im August 2010 das Tor gegen LeverkusenBild: picture alliance/dpa

Igor ist geblieben. Aber auch er hat Angst. Er bittet sein Foto nicht zu veröffentlichen. Auch seinen Namen haben wir auf seinen Wunsch hin gerändert. Schon der geringste Zweifel daran, dass die Annexion gut für die Krim war, kann zu Problemen mit dem Arbeitgeber oder gar mit den berüchtigten Polizeihelfern der "Samooborona" führen, meint Igor.

Neuer Klub mit neuen Spielern

Kein einziger Profifußballer ist in Simferopol geblieben. Denn nach den Regeln der FIFA dürfen professionelle Spieler auf der Krim nur mit ukrainischen Spielerpässen und nur in der ukrainischen Meisterschaft spielen. Doch die neue moskautreue Führung auf der Krim wollte die Halbinsel unbedingt auch fußballerisch rasch an Russland heranführen. So startete der Klub aus Simferopol bereits im August 2014 in der dritten russischen Liga, in der Region Süd.

Innerhalb weniger Monate wurden, wohl nicht ohne politische Rückendeckung aus Moskau, zwei Dutzend Spieler aus allen Teilen Russlands auf die Krim beordert und ein russischer Sponsor gefunden. Die ukrainische Vergangenheit von "Tavria" wurde ausradiert: aus Sportklub "Tavria" wurde "TSK". Auf der neuen Internetseite fehlt nun jeder Hinweis auf die Jahre in der ukrainischen Meisterschaft - es sei eben nicht mehr der ukrainische Meister von 1991.

UEFA stellt sich quer

Doch schon bald herrscht Ernüchterung unter den Fußball-Funktionären in Moskau und Simferopol: Nach dem Einspruch des ukrainischen Fußballverbandes verbietet die UEFA den Klubs von der Krim in der russischen Liga zu spielen. Die Leiter von "TSK" und die neue Regierung auf der Krim stehen vor einem Scherbenhaufen. Im internationalen Fußball kann eine Region doch nicht einfach von einem anderen Land annektiert werden.

Zunächst war völlig unklar, wie es mit dem Fußball auf der Krim weitergehen soll. Mitte März 2015 billigte schließlich das Exekutivkommitee der UEFA eine Kompromisslösung: die Krim bekommt eine eigene Liga. Ende April soll eine UEFA-Delegation die Krim besuchen, um herauszufinden, welche Infrastruktur überhaupt vorhanden ist. Es ist geplant, mit acht Mannschaften zu starten. Doch noch gibt es lediglich sechs Klubs, die überhaupt Stadien mit mehr oder weniger intakten Zuschauertribünen und Beleuchtung besitzen.

Oleg Komuniar (Foto: Oleg Komunyar/DW)
Oleg Komuniar musste die Krim nach den Demos gegen die Annexion verlassenBild: privat

Der Generaldirektor von "TSK" Alexander Gajdasch will schon im August in der Krim-Liga starten. Obwohl den Klubs Profifußballer fehlen. "Für acht Klubs bräuchten wir wenigstens 160 Profifußballer. Auf der ganzen Krim haben wir aber zurzeit maximal fünfzig Spieler auf diesem Niveau", sagt Gajdasch im Gespräch mit der DW.

Viele Fragen offen

Ob nur Spieler von der Krim oder auch aus Russland und vom ukrainischen Festland in der neuen Liga spielen dürfen, ist noch unklar. Ausländer wird man sich hier auch kaum leisten können: Mögliche Sponsoren haben an der Krim-Liga bisher kein Interesse bekundet. Gaidasch hofft, dass die UEFA alle Kosten übernimmt. "Auch wenn wir nur 100 Euro für die ganze Liga bekommen, teilen wir uns das Geld und jeder Klub hat 12,50 Euro", meint der Generaldirektor von "TSK" nicht ohne Ironie.

Doch der europäische Verband zögert mit konkreten Zusagen. Üblicherweise unterstützt die UEFA nur den Jugendfußball. Offen bleibt auch, ob die Klubs von der Krim jemals wieder international spielen dürfen. "Natürlich stellen wir auch diese Frage an die Kollegen von der UEFA. Man darf uns hier nicht in einem Käfig einsperren", sagt Gajdasch.

Kommen die Zuschauer?

Allerdings sind internationale Auftritte zurzeit noch Zukunftsmusik. Zunächst müsste Gajdasch versuchen die Menschen in Simferopol für sein Team zu begeistern. Zu den regionalen Pokalspielen kommen zur Zeit kaum mehr als einhundert Zuschauer. Um den Bruch mit der Tradition für die Fans etwas erträglicher zu machen, heißt der Klub sogar wieder "Tavria" - nur nicht mehr FC "Tavria", sondern SC. "Trotzdem: es ist nicht mehr mein Klub. Ich gehe nicht ins Stadion", sagt Igor.

Fans des Fussballklubs "Tavria" (Foto: Oleg Komunyar/DW)
Die Mehrheit im Fan-Klub wollte, dass "Tavria" in der ukrainischen Meisterschaft bleibtBild: Oleg Komunyar

Nichtsdestotrotz findet er die Gründung der Krim-Liga unter den heutigen Umständen gut. So haben junge einheimische Spieler zumindest eine Chance auf einen Start in eine professionelle Karriere. Igor glaubt, dass die Krim-Liga in kleineren Städten auch Zuschauer in die Stadien locken werde, weil es dort bisher gar keinen Profifußball gegeben habe. Und das Stadion in Simferopol werde noch lange leer bleiben, meint er: "Denn ein Spiel gegen "Schemtschuschina Jalta" ist für den verwöhnten Zuschauer nicht so reizvoll wie gegen Dynamo Kiew oder Schachtar Donetsk."