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Frühaufsteher oder Abendmensch - die Gene entscheiden

18. August 2021

Eine Studie bestätigt: Unsere Gene beeinflussen die innere Uhr und bestimmen, wann unsere kognitiven Fähigkeiten und unser motorisches Lernen am besten funktionieren.

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Erschöpfte Frau sitzt am Computer
Niemand muss sich dafür entschuldigen, dass die innere Uhr nun einmal anders tickt.Bild: Robin Utrecht/picture alliance

"Im Frühtau zu Berge wir ziehen, fallera/ … / Wir wandern ohne Sorgen/ 
Singend in den Morgen/ Noch ehe im Tale die Hähne krähen"

Wandern und Singen schon vor Sonnenaufgang: Was für eine schreckliche Vorstellung! Schon als Kind habe ich dieses Volkslied gehasst. Das reinste "Morgengrauen"!

Unser Alltag ist auf Frühaufsteher ausgerichtet: Klassenarbeiten werden in der Schule bevorzugt frühmorgens geschrieben, viele Büros und Geschäfte öffnen im Morgengrauen, Bauarbeiter hämmern gerne beim ersten Sonnenstrahl los. Und wer damit wie ich ein Problem hat, gilt als Langschläfer oder als Tagedieb. 

Menschen haben aber verschiedene zirkadiane Rhythmen, wie das in der Chronobiologie heißt: Je nach Chronotyp tickt ihre innere Uhr anders, fanden die US-Wissenschafter Jeffrey C. Hall, Michael Rosbash und Michael W. Young heraus und erhielten dafür 2017 den Medizin-Nobelpreis

Frühaufsteher beginnen meist früher mit der Arbeit, sind direkt bei der Sache und können früher Feierabend machen. So entsteht der Eindruck, als hätten sie mehr vom Tag. Abendmenschen laufen stattdessen zur Höchstform auf, wenn andere bereits schon wieder schlappmachen. Sie bewältigen ihren Alltag oftmals entspannter und sind laut Studien deshalb oftmals kreativer und innovativer.

Die Gene machen den Unterschied

Eine Studie von 2016 konnte 15 ähnliche Gene identifizieren, die bestimmen, wie unsere innere Uhr tickt. Sieben dieser Abschnitte liegen sogar in der Nähe von bereits bekannten Genen, die vermutlich den Schlaf-Wach-Rhythmus regulieren. Das zeigte die Untersuchung des Erbguts von etwa 90 000 Menschen. 

Plädoyer für das Ausschlafen

  

Bei Abendmenschen steigt zudem die Körpertemperatur erst später an als bei Frühaufstehern und bei ihnen ist auch die Ausschüttung des Schafhormons Melatonin verschoben. Die Studie zeigte zudem, dass Frauen häufiger Frühaufsteher sind als Männer.

Leistungsfähigkeit abhängig von bevorzugten Zeit

Wissenschaftlich untermauert wurde der Zusammenhang von physiologischen Prozessen im Gehirn und dem jeweiligen Chronotyp jetzt von Forschenden am Leibniz-Institut für Arbeitsforschung an der TU Dortmund (IfADo): Laut der Studie unterscheiden sich die kognitiven Fähigkeiten   wie die Lernfähigkeit, die Auffassungsgabe, das Denken und Erinnern eindeutig je nach Chronotyp.  

Getestet wurde das Aufmerksamkeitslevel, das Arbeitsgedächtnis und die kognitiven Funktionen von 36 Probanden während ihrer jeweils besonders aktiven Tageszeit. 

Das Ergebnis ist eindeutig: Die kognitiven Fähigkeiten und das motorisches Lernen ist zur jeweils bevorzugten Zeit deutlich besser im Vergleich zu der nicht von ihnen bevorzugten Zeit.

Biorhythmus ändert sich mit dem Alter

Trotz genetischer Veranlagung unterliegt unsere innere Uhr allerdings erheblichen Schwankungen im Laufe unseres Lebens: Die meisten Kleinkinder sind extreme Frühaufsteher, mit den Jahren verschiebt sich ihr Biorhythmus nach hinten. Mit den hormonellen Schwankungen während der Pubertät werden die meisten Jugendlichen zu Langschläfern. Erst nach der Pubertät pendelt sich der eigentliche – genetisch vorgegebene – Chronotypus ein.

Müde Mutter hält ich schreibendes Kleinkind
Kleinkinder haben als extreme Frühaufsteher oftmals einen anderen Biorhythmus als ihre Eltern. Bild: Colourbox

Rücksicht auf den Biorhythmus nehmen

Wer dauerhaft gegen seine innere Uhr lebt, schadet seiner Gesundheit und riskiert Krankheiten wie Übergewicht, Konzentrationsschwierigkeiten und Diabetes.

Also liebe Frühaufsteher: Wessen Gene also dafür sorgen, dass er frühmorgens besonders gut rechnen kann oder gerne singend wandert, soll dies gerne tun. Aber nehmt Rücksicht auf die anderen, die erst später am Tag zur Großtaten fähig sind und dafür abends gerne länger aufbleiben. 

Niemand muss sich dafür entschuldigen, dass die eigene innere Uhr nun einmal anders tickt. Wenn möglich sollten wir den Tagesablauf unserem individuellen Chronotyp anpassen - das ist keine Ausrede, sondern entspricht unserer genetischen Veranlagung. 

DW Mitarbeiterportrait | Alexander Freund
Alexander Freund Wissenschaftsredakteur mit Fokus auf Archäologie, Geschichte und Gesundheit@AlexxxFreund