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Literatur

Der Schriftsteller Frido Mann wird 80

Sabine Peschel
31. Juli 2020

Der Lieblingsenkel von Thomas Mann ist selbst erfolgreicher Schriftsteller und Gelehrter. Besonders die transatlantischen Beziehungen liegen ihm am Herzen.

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Der Schriftsteller und Vortragsreisende Frido Mann vor einem Foto seines Großvaters Thomas Mann
Frido Mann, einst Lieblingsenkel seines Großvaters Thomas MannBild: picture-alliance/dpa/P. Kneffel

Am 31. Juli 1940 notiert Thomas Mann (1875-1955) in Princeton in seinem Tagebuch: "Telegramm von Bibi aus Carmel, dass das Kind, ein Knabe, glücklich zur Welt gekommen. Die Großvaterschaft kommt spät und macht mir geringen Eindruck. Der erste Enkel, Amerikaner von Geburt, hat deutsches, brasilianisches, jüdisches und schweizerisches Blut, von letzterem sogar noch von meiner Großmutter." Der Knabe, von dem der mit seiner Familie im Exil lebende Schriftsteller hier berichtet, sollte sein Lieblingsenkel werden. Fridolin Mann, das erste Kind von Michael und Gret Mann, feiert jetzt seinen achtzigsten Geburtstag.

Glückliche Kindheit in Pacific Palisades

Nach dem Umzug von Thomas und Katia Mann 1941 wird deren Villa in Pacific Palisades bei Los Angeles zu Fridos zweitem Zuhause. Hier verbringt er viele Monate, wächst zeitweise bei den Großeltern auf. Eine glückliche Zeit, die er in seiner Autobiografie "Achterbahn" schildert. "Im Arbeitszimmer pflegt unser Großvater meinem Bruder Toni und mir nachmittags auf dem hellen Sofa Märchen vorzulesen." Thomas Mann erlebt er nicht als kühl-distanziertes Schriftstellergenie, als das jener oft gesehen wird, sondern als Großvater, der für seinen Enkel Karikaturen zeichnet, dessen Stimme mit ihrer "suggestiven Kraft" er noch im Alter spürt und mit dem er bis zu dessen Tod 1955 Briefe wechselt.

Thomas und Katia Mann mit ihren Enkelsöhnen, dem 5-jährigen Frido und dem 3-jährigen Toni beim Bilderbuchansehen in Pacific Palisades
Der 5-jährige Frido mit seinem 3-jährigen Bruder Toni auf dem Schoß von Katia Mann, links Thomas MannBild: picture-alliance/AP Photo

Für Frido Mann war es ein Leben lang Privileg und Bürde, in diese berühmte und traditionsreiche Familie hineingeboren zu sein. Als Enkel eines Literaturnobelpreisträgers, mit dem Großonkel Heinrich Mann, den Onkeln Golo und Klaus Mann schien eine Karriere als Schriftsteller familiär vorgezeichnet zu sein. Doch Frido studiert zunächst Musik in Zürich und Rom, später katholische Theologie und Philosophie in München. Es folgte ein weiteres Studium der Psychologie in Münster. Nach der Promotion arbeitete er mehrere Jahre an einem psychiatrischen Krankenhaus, ehe er eine akademische Laufbahn an deutschen Universitäten und mit einer Gasttätigkeit in Prag einschlug.

Literarische Ambitionen

"Der 'gefährliche Keim der literarischen Ambitionen' hat bei mir - anders als bei meinen literarischen Vorfahren - erst spät zu sprießen begonnen", erzählt Frido Mann auf seiner Webseite. "'Der Wendepunkt' (1952), der Lebensbericht meines Onkels Klaus Mann, war der Anstoß für mein eigenes Erstlingswerk, eine wenig verhüllte Autobiographie." Frido Manns "Professor Parsifal" erschien 1985, gefolgt von "Der Infant" (1992). Sein Theaterstück "Terezín" (1994) hatte unter der Regie von George Tabori im Akademietheater Wien Premiere und wurde in Zürich preisgekrönt. "Brasa" (1999) war der erste Band einer interkulturellen Romanfolge, die zu den brasilianischen Wurzeln hinführte. "Damals begann der Versuch, in Paraty/Brasilien, dem Geburtsort meiner Urgroßmutter Julia, ein internationales Kultur- und Begegnungszentrum aufzubauen", berichtet Mann weiter.

Buchcover "Achterbahn" von Frido Mann
Frido Manns Autobiografie "Achterbahn"

Nach insgesamt sieben Romanen erschien 2008 Frido Manns Autobiografie "Achterbahn", in der er vom Aufwachsen in einer zwischen den Kontinenten zerrissenen Familie schreibt, vom schwierigen Verhältnis zu seinem eigenen Vater und von seiner Suche nach beruflicher Erfüllung. 2012 folgte der Band "Mein Nidden". Frido erzählt darin von der bewegten Geschichte und der besonderen Schönheit der litauischen Kurischen Nehrung, wo man in Nida heute wieder Thomas Manns Sommerhaus aus den Jahren 1930 bis 32 besichtigen kann.

Dialog und Engagement

Religionsphilosophische Fragen haben den Psychologen und Schriftsteller immer wieder beschäftigt. 2013 erschien sein Buch "Vom Versagen der Religion. Betrachtungen eines Gläubigen", 2017 das Sachbuch "Es werde Licht. Die Einheit von Geist und Materie in der Quantenphysik" - verfasst mit seiner Frau Christine, Tochter des Physikers und Nobelpreisträgers Werner Heisenberg.

Den Anstoß zu seinem vorerst letzten Buch "Das weiße Haus des Exils" (2018) gab der Kauf der früheren Mann-Villa in Pacific Palisades durch die Bundesregierung im Jahr 2016. Er kehrt darin noch einmal zu seinem Kindheitshaus zurück, verbindet diese Erinnerungen aber mit fiktiven interkulturellen und interreligiösen Dialogen. Frido Mann, seit 2017 "Honorary Fellow" des "Thomas Mann House", begibt sich so in die Tradition seines Großvaters, der sich im Exil mit seiner Ansprache "The Coming Victory of Democracy" (Der kommende Sieg der Demokratie) an seine amerikanischen Zuhörer wandte und vor den Gefahren des Faschismus für freiheitliche Demokratien warnte.

Thomas und Katia Mann mit den Enkelsöhnen im Garten ihres Hauses in Pacific Palisades
Thomas und Katia Mann mit den Enkelsöhnen im Garten ihres Hauses in Pacific PalisadesBild: picture alliance/AP Photo

In der Nachfolge von Thomas Mann

Auf den Spuren der Vortragsreisen seines Großvaters hielt Frido Mann 2019 an mehr als einem Dutzend Orten in den USA und Kanada Vorträge über die gegenwärtige Krise der amerikanischen und der europäischen Demokratien. Auch nachdem Corona diese Vortragsreisen unmöglich machte, engagiert er sich weiter im transatlantischen Dialog und wirbt für die Erneuerung der Demokratie. "Jetzt, wo die Welt wackelt - und wo es dringend notwendig ist, dass in den USA mit der Wahl der Spuk endlich aufhört, und wo sich auch hier einiges tun muss - ist es an der Zeit, seine eigenen Kräfte zu nutzen", sagt Mann kurz vor seinem achtzigsten Geburtstag. Und weil er neben der deutschen die amerikanische Staatsbürgerschaft besitzt - zudem die schweizerische und die tschechische - wird er auch in den USA wahrgenommen. "Ich kann es mir erlauben, den Amerikanern kritisch den Spiegel vorzuhalten. Ich bin selbst Amerikaner. Insofern ist es auch Selbstkritik."

Die Bücher seines Großvaters hat Frido Mann übrigens erst sehr spät gelesen, schreibt er in seiner Autobiografie. Der Enkel war nicht erfreut über seine literarische Rolle in Thomas Manns Alterswerk "Doktor Faustus", wo er in der Figur des kleinen Nepomuk einen qualvollen Tod stirbt. In der Realität führt er ein reiches, vielgestaltiges Leben als Gelehrter, Schriftsteller und Demokratieaktivist.