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Franzosen streiken gegen spätere Rente

7. September 2010

Die Rentenreform von Präsident Sarkozy treibt in Frankreich Hunderttausende auf die Straße. Vielerorts wurde gestreikt. Doch die Regierung bleibt hart: Der Ruhestand soll künftig frühestens mit 62 beginnen.

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Demonstration (Foto: ap)
Landesweit wurden mehr als 200 Demonstrationen gezähltBild: AP

Züge und Busse fielen aus, Schulen, Krankenhäuser, Banken und Firmen wurden bestreikt, Tausenden demonstrierten auf den Straßen - die geplante Erhöhung des Renteneintrittsalters auf 62 Jahre hat am Dienstag (07.09.2010) ganz Frankreich in einen Ausnahmezustand versetzt. Nach Schätzungen des Innenministeriums in Paris nahmen rund 1,1 Millionen Menschen landesweit an Demonstrationen teil.

Die Gewerkschaften zeigten sich zufrieden: So viele Menschen seien seit Jahren nicht mehr auf die Straße gegangen, sagte Gewerkschaftsführer François Chérèque. Wie das Bildungsministerium berichtete, sind fast ein Drittel aller Grundschullehrer am Dienstag nicht zur Arbeit erschienen. In Paris löste der Streik in den Verkehrsbetrieben massive Störungen aus. Nach Angaben der Geschäftsführung hatte fast ein Viertel der Beschäftigten die Arbeit niedergelegt. Die Streiks trafen auch Verkehrsverbindungen von und nach Deutschland. Die Lufthansa strich ein Viertel ihrer Flüge zwischen Deutschland und Frankreich, auch einige Hochgeschwindigkeitszüge fielen aus.

Regierung bleibt hart

Demonstration (Foto: ap)
Auch in Marseille gingen Menschen aus Protest auf die StraßeBild: AP

Die Arbeitsniederlegungen und Demonstrationen richteten sich gegen Pläne der französischen Regierung, das Mindestalter für den Renteneintritt schrittweise zu erhöhen - von derzeit 60 auf 62 Jahre bis 2018. Auf diese Weise sollen rund 70 Milliarden Euro eingespart werden. Die Staatsverschuldung müsse gesenkt und die Rentenkasse saniert werden, argumentiert die Regierung, denn nur so ließe sich die Bonitätsnote "AAA" halten, mit der Ratingagenturen die Kreditwürdigkeit des Landes bewerten. Für Präsident Nicolas Sarkozy ist die Reform das wichtigste Projekt seiner verbleibenden Amtszeit. Ende Oktober soll die Reform verabschiedet werden. Am Dienstag fand in der französischen Nationalversammlung die erste Debatte darüber statt.

Linke Parteien und Gewerkschaften sind gegen die Rentenreform. Damit attackiere die französische Regierung eines der wichtigsten sozialen Sicherungssysteme, kritisieren sie. Ihrer Ansicht nach sollten besser die Gewinne von Banken besteuert werden, um die Löcher in der Sozialkasse zu stopfen. Auch zwei Drittel der französischen Wähler halten die Reform für ungerecht: "Noch nie in der Geschichte der Umfragen war das französische Volk so überzeugt davon, dass etwas sozial ungerecht ist", sagt Roland Cayrol von der Sciences Po Universität in Paris.

EU-Kommission stützt Paris

Demonstration (Foto: ap)
In Paris stand die U-Bahn teilweise stillBild: AP

Unterstützung bekam die französische Regierung dagegen von der EU-Kommission in Brüssel: "Man muss den Mut haben zu sagen, dass wir mehr arbeiten müssen, dass wir länger arbeiten müssen, wenn Europa die Wettbewerbsschlacht mit verschiedenen aufstrebenden Ländern gewinnen will", sagte EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso vor dem Europaparlament in Straßburg.

Frankreich hat EU-weit derzeit noch das niedrigste Renteneintrittsalter. Es ist aber nicht das einzige Land in Europa, in dem die Menschen künftig länger arbeiten sollen. Spanien will das gesetzliche Rentenalter von 65 auf 67 erhöhen. Auch Deutschland hat die Rente mit 67 beschlossen. In Italien wird das Mindestalter von 57 auf 61 Jahre angehoben. Und Großbritannien plant sogar die Rente mit 68.

Autor: Dirk Eckert (afp, dpa, dapd, rtr)

Redaktion: Eleonore Uhlich