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Ende einer Staatsaffäre?

Angela Göpfert22. Dezember 2006

Am Donnerstag ist Frankreichs Premierminister Dominique de Villepin in der Affäre Clearstream verhört worden. Kurz vor der Präsidentschaftswahl wirft das ein bizarres Licht auf die Zerrissenheit der Regierungspartei.

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Sarkozy verdreht die Augen, Villepin beugt sich über ihn (Quelle: AP)
Da wird Sarkozy (links) doch glatt schlecht: Sein Parteikollege Villepin soll in die Rufmord-Kampagne gegen ihn verstrickt seinBild: AP

17 Stunden dauerte die Vernehmung des französischen Premierministers Dominique de Villepin von den Pariser Untersuchungsrichtern in der Clearstream-Affäre. Erst am Freitagmorgen um 03.00 Uhr verließ er das Pariser Gericht. Er sei "sehr froh" darüber, seine Aussage gemacht zu haben, nachdem er über Monate "Opfer von Verleumdungen und Lügen" gewesen sei, sagte der Premier anschließend. Er habe die Fragen der Richter mit der "größtmöglichen Präzision" beantwortet, "bestrebt, die Wahrheit voranzubringen", fügte er hinzu.

Die Aussage Villepins läutete das vorläufige Ende einer vermeintlichen Staatsaffäre ein, die die französische Innenpolitik seit Monaten bestimmt. "Die Affäre Clearstream verpufft einfach so - zur großen Erleichterung der Exekutive", meint das konservative Wirtschaftsblatt "Les Echos".

Regierungsinterne Intrige gegen Sarkozy?

Informant, Intrigant und EADS-Vizepräsident: Jean-Louis Gergorin (Quelle: AP)
Informant, Intrigant und EADS-Vizepräsident: Jean-Louis GergorinBild: picture-alliance / dpa

2004 waren auf Listen mit Schwarzgeldkonten des Luxemburger Finanzdienstleisters Clearstream, einer Tochter der Deutschen Börse, Namen von Politikern und Industriemanagern aufgetaucht. Fälschlicherweise, wie mittlerweile bewiesen wurde. Unter ihnen fand sich auch der Name des französischen Innenministers und Villepin-Rivalens Nicolas Sarkozy. Villepin soll daraufhin auf persönliche Anweisung von Staatspräsident Jacques Chirac geheime Ermittlungen gegen Sarkozy eingeleitet haben.

Lange Zeit wurde Villepin sogar verdächtigt, Jean-Louis Gergorin, Nummer zwei beim europäischen Luftfahrtkonzern EADS und wegen Verleumdung angeklagt, den Auftrag gegeben zu haben, Sarkozys Namen auf die gefälschte Liste zu setzen.

In juristischer Hinsicht nahezu folgenlos

Sarkozys Anhänger sprechen deshalb von einer Rufmord-Kampagne gegen den Chef der konservativen Regierungspartei Union pour un Mouvement Populaire (UMP), der im kommenden Jahr die Nachfolge Chiracs anstrebt. Sarkozy tritt in dem Prozess als Nebenkläger auf.

Doch die Staatsanwaltschaft fand bislang keine Beweise für eine aktive Rolle Villepins in der Affäre. Somit ist der Premierminister am Donnerstag auch nur als einfacher Zeuge verhört worden. "Das Ganze wird enden wie das Hornberger Schießen: Ein Riesenskandal, bei dem die Politiker wirklich am Ende am Pranger stehen, wird ausbleiben", prognostiziert Henrik Uterwedde, stellvertretender Direktor des Deutsch-Französischen Instituts.

Abgrundtiefer Hass

Der Schaden ist dennoch schon angerichtet: Allein die Tatsache, dass sich Mitglieder ein- und derselben Partei, ein- und derselben Regierung vor Gericht gegenüberstehen, wirft ein bizarres Licht auf den Zustand der UMP nur wenige Monate vor der entscheidenden Präsidentschaftswahl im Mai 2007. Die Affäre offenbart, so Frankreich-Experte Uterwedde, "die katastrophalen Binnenverhältnisse in der der UMP" .

Das bürgerliche Lager ist zutiefst gespalten zwischen vehementen Anhängern von Villepin und Chirac einerseits und Unterstützern des mitunter etwas brüsk auftretenden Innenministers Sarkozy andererseits. Zwischen diesen beiden Lagern herrsche "abgrundtiefer Hass", betont Uterwedde.

Sozialisten als lachende Dritte

Die Präsidentschaftskandidaten der Sozialisten: Ségolène Royal
Die Präsidentschaftskandidaten der Sozialisten: Ségolène RoyalBild: AP Graphics

Dank der Clearstream-Affäre weiß nun auch der letzte Franzose von den internen Lagerkämpfen - das ist keine wirklich gute Voraussetzung für einen geschlossenen Auftritt der UMP im Wahlkampf. Zumal noch immer nicht klar ist, ob im Januar, wenn die UMP ihren Präsidentschaftskandidaten bestimmt, der bisherige Favorit Sarkozy nicht doch noch mit einem Gegenkandidaten aus dem Dunstkreis von Chirac und Villepin rechnen muss.

So könnten letztlich die Sozialisten als lachende Dritte von der Clearstream-Affäre profitieren. Der Parti Socialiste hatte es im November geschafft, trotz interner Rivalitäten um die Präsidentschaftskandidatur der Öffentlichkeit ein geschlossenes Bild zu vermitteln. Über 60 Prozent der Partei-Basis stimmten für Ségolène Royal.

"Das linke Lager tritt in einer guten Verfassung an - mit einer Kandidatin, die sehr umstritten sein mag, die aber neugierig macht und verspricht, einen neuen Stil in die politische Debatte hineinzubringen", sagt Politologe Uterwedde. Dagegen seien im rechten Lager "das Aufräumen und die Rivalitäten" noch lange nicht zu Ende.