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Neuer Realismus

Andreas Noll1. Februar 2008

NATO-Generalsekretär de Hoop Scheffer trifft Frankreichs Präsidenten Sarkozy zu Gesprächen. Frankreich hat in der NATO eine Sonderstellung: Es ist nicht in die Militärstrukturen integriert, nimmt aber an Missionen teil.

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Nicolas Sarkozy (M.) bei einer Militärparade in Paris, Quelle: dpa
Nicolas Sarkozy (M.) bei einer Militärparade in ParisBild: picture-alliance/ dpa
Jaap de Hoop Scheffer, Quelle: AP
Jaap de Hoop SchefferBild: AP

Rund 35.000 alliierte Soldaten, 46 Flugplätze, neun Häfen und drei unterirdische Befehlszentralen - als die NATO im Frühjahr 1967 Frankreich verlassen musste, war dies nicht nur einer der teuersten Umzüge der Weltgeschichte, sondern auch ein Tiefpunkt der Bündnis-Geschichte. Gerade noch rechtzeitig fanden die zivilen und militärischen Mitarbeiter in Belgien eine neue Heimat. Mit dem Rauswurf aller NATO-Militärs und der Auflösung der Stützpunkte wollte sich Frankreichs Präsident Charles de Gaulle Unabhängigkeit verschaffen.

Überkommenes Selbstbewusstsein

Für die Verteidigung Frankreichs waren fortan allein die französischen Streitkräfte verantwortlich. "Es geht darum, einen normalen Zustand von nationaler Souveränität wieder herzustellen, indem alles, was französisch ist, auf dem Boden, in der Luft, auf den Meeren und auch jedes ausländische Element, das sich in Frankreich befindet, nur noch den französischen Behörden unterstellt ist", erklärte de Gaulle. Die selbstbewusste Politik, gestützt auf die eigene Atomwaffe, die so genannte Force de frappe, und verstärkt durch einen französisch-amerikanischen Strategie-Streit kam an bei den stolzen Franzosen.

NATO-Außenministertreffen in Brüssel im Dezember, Quelle: AP
NATO-Außenministertreffen in Brüssel im DezemberBild: AP

Doch spätestens mit dem Ende des Kalten Krieges hatte sich diese Politik überholt, sagt der Forschungsdirektor des Nato-Defence-College, Karl-Heinz Kamp. "Irgendwann hat man gemerkt, dass, wenn man in einer Institution nur zu Hälfte drin ist, man auch nur die Hälfte des Stimmrechts hat", sagt Kamp. "Das heißt: Die Institution beschließt Dinge, die einen betreffen, aber man hat nichts zu sagen. Insofern haben sich die Franzosen schrittweise - auch schon früher - militärisch immer stärker engagiert." Heute ist Frankreich wie selbstverständlich sowohl Teil der NATO-Truppe auf dem Balkan als auch der von der NATO geführten Schutztruppe für Afghanistan, ISAF.

Neue Nähe zu den USA

Sarkozy mit US-Präsident Bush in Washington, Quelle: AP
Sarkozy mit US-Präsident Bush in WashingtonBild: AP

Den ersten Versuch zur vollständigen Rückkehr in das Militärbündnis unternahm der damalige Präsident Jacques Chirac Mitte der 1990er Jahre. Der Gaullist verlangte amerikanische Konzessionen - unter anderem die Führung des damaligen NATO-Kommandos Südeuropa - und scheiterte kläglich. Sein Nachfolger Sarkozy wagt nun einen neuen Anlauf. "Eine unabhängige europäische Verteidigungspolitik und eine NATO, in der wir unseren ganzen Platz einnehmen werden, werden das Ziel sein", erklärte er.

Seit Monaten laufen bereits entsprechende Verhandlungen - vor allem mit amerikanischen Diplomaten. Der NATO-Experte Kamp glaubt, dass sie Aussicht auf Erfolg haben. "Heute geht es nicht mehr um hohe Generalsposten. Heute geht es darum, dass die neue Führung unter Sarkozy insgesamt eine Reorientierung der französischen Verteidigungspolitik vornimmt - hin zum Transatlantischen, hin zur Akzeptanz, dass die USA die Führungsmacht sind", erklärt er. "Dieser zunehmende Realismus führt zu den Veränderungen, die wir gerade sehen."

Eine neue Nähe zu den USA ist wohl auch ein Grund für den jüngsten Schachzug des Elysée-Palastes: Mitte Januar verkündete Paris, erstmals einen Militärstützpunktes außerhalb des früheren Kolonialgebietes aufbauen zu wollen. Die neue Militärbasis in Abu Dhabi an der Meerenge von Hormuz - direkt gegenüber der iranischen Küste - ist auch für Washington von Bedeutung. Bei militärischen Konflikten am Golf könnte Frankreich mit seinen Soldaten dort zum wichtigen Verbündeten werden.