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Politik

Frankreichs älteste AKW sollen länger laufen

25. Februar 2021

Während die Atomaufsicht den Daumen hebt, warnen Umweltschützer vor schwersten Sicherheitsrisiken. Auch die Nachbarländer müssten endlich aufwachen, heißt es.

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Frankreich Saint-Vulbas 2016 | AKW Bugey
Die Verlängerung betrifft unter anderem das AKW Bugey im Département Ain im Osten Frankreichs (Archivbild)Bild: Philippe Desmazes/AFP/Getty Images

Frankreichs Atomaufsicht hat den Weg für den Weiterbetrieb der ältesten Atomkraftwerke (AKW) des Landes frei gemacht. Gleichzeitig forderte die Autorité de Sûreté Nucléaire den staatlichen Betreiber EDF auf, Verbesserungen bei der Sicherheit umzusetzen. Der stellvertretende Leiter der Behörde, Julien Collet, sagte der Nachrichtenagentur AFP, damit sollten "schwere Unfälle wie etwa eine Kernschmelze" verhindert werden. Ziel sei auch der Schutz vor "Angriffen auf die Anlagen".

Bei den betroffenen Reaktoren handelt es sich um die sogenannte 900-MW-Baureihe der französischen Atomkraftwerke, die hauptsächlich in den 1980er Jahren in Betrieb genommen wurde. Sie haben teilweise eine Betriebszeit von 40 Jahren überschritten. Konkret geht es darum, die Laufzeit dieser Reaktoren auf 50 Jahre zu erhöhen.

Acht Standorte betroffen

In Frankreich ist alle zehn Jahre eine periodische Sicherheitsüberprüfung der Meiler vorgeschrieben. "Die vierte periodische Überprüfung ist von besonderer Bedeutung, da bei ihrer Auslegung von einer 40-jährigen Betriebsdauer ausgegangen wurde", schreibt die Behörde. Sie ist der Ansicht, dass bei entsprechenden Sicherheitsvorkehrungen und Reparaturen ein Weiterbetrieb dieser Reaktoren in den zehn Jahren nach ihrer vierten Überprüfung möglich ist. Besonderheiten der einzelnen Anlagen würden dabei berücksichtigt.

Frankreich Paluel | AKW
Kontrollraum im Atomkraftwerk Paluel in der Normandie, das nicht zur 900-MW-Baureihe zählt (Archivbild)Bild: Sameer Al-Doumy/AFP/Getty Images

Die Verlängerung betrifft acht Standorte in Frankreich. Darunter ist das AKW Bugey östlich von Lyon, das seit Ende der 1970er Jahre in Betrieb ist. Auch die Reaktoren in Dampierre südlich von Paris und Tricastin nördlich von Avignon können nun voraussichtlich länger Strom produzieren. Sie waren Anfang der 1980er Jahre ans Netz gegangen. Weitere Kraftwerke befinden sich in Chinon und Saint-Laurent an der Loire und Cruas an der Rhone.

"Der falsche Weg"

Die deutsche Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) reagierte auf die Entscheidung mit Unverständnis. "Laufzeitverlängerungen sind aus meiner Sicht der falsche Weg", erklärte sie. "Ich respektiere den Grundsatz nationaler Energiesouveränität, doch bereitet mir die zunehmende Überalterung der europäischen Atomkraftwerke große Sorge. Dazu zählen auch die französischen Alt-Reaktoren."

Bundesumweltministerin Svenja Schulze
"Große Sorge": Bundesumweltministerin Svenja Schulze (Archivbild)Bild: picture-alliance/dpa/W. Kumm

Scharfe Kritik an der Entscheidung kam auch von den Grünen. Die Vorsitzende des Umweltausschusses im Bundestag, Sylvia Kotting-Uhl, erklärte: "Die größten Defizite dieser Meiler liegen in ihrem ursprünglichen Design, das nicht nachgerüstet werden kann." Die Bundesregierung sei hierüber informiert und bleibe dennoch stumm. Sie müsse "endlich aufwachen und sich gegen gefährliche Laufzeitverlängerungen in Nachbarländern einsetzen".

"Schutz von Umwelt und Bürgern vernachlässigt"

Greenpeace warf der französischen Atomaufsicht vor, den "Schutz von Umwelt und Bürgern zu missachten". Trotz aller Warnungen habe die Behörde wichtige Maßnahmen zur Absicherung der AKW aufgeschoben, die sich aus der Nuklearkatastrophe im japanischen Fukushima ergäben.

Frankreich bezieht etwa 70 Prozent seines Stroms aus Kernkraft - das ist der höchste Anteil weltweit. Das Land will den Wert bis 2035 auf 50 Prozent senken und im Gegenzug erneuerbare Energien stärken.

Das älteste französische AKW in Fessenheim - nicht weit von Freiburg im Breisgau -, das als Sicherheitsrisiko galt, wurde im Juni endgültig abgeschaltet. Deutschland und die Schweiz hatten wegen zahlreicher Pannen in dem Meiler jahrelang darauf gedrungen.

jj/qu (dpa, afp)