Ob Kaffee, Zeitschriften oder Dosensuppe – das Angebot von Kiosken ist vielfältig. Es richtet sich ganz nach den Bedürfnissen der Kundschaft. Und die will meistens dann einkaufen, wenn andere Läden geschlossen haben.
Gespräche im Kiosk:
"Ich hätt' gern ein Päckchen Camel und dann noch Gauloises-Tabak und Special-Papers. / Schauen Sie mal. Da habe Sie mir Zweierle gegeben. / Hm, soll was Bestimmtes drin sein? Sind Sie morgen hier in der Nähe, dann bestell' ich sie Ihnen. / Dann nehm' ich mal die Win mit. / Bitte? / Ich hätte gerne Schnupftabak. / Kostet 2,10, wurde mir gesagt. / Kostet normal 2,50. / Nee, 2,10."
Sprecherin:
Ein Kiosk in Frankfurt. Menschenströme passieren die kleine Bude mitten auf einer Straßenkreuzung. Sie ist umrahmt von Illustrierten, Wasserpistolen, Süßigkeiten, Reklametafeln und Tageszeitungen. Ein Passant wendet sich an den Verkäufer im Fenster. Er hat vergessen, eine Computerzeitschrift zu kaufen. Das holt er jetzt schnell nach, während er auf die Straßenbahn wartet. Aber auch Brausepulver, Bier, Schnaps, Dosensuppe, Tabakwaren, Zeitungen, Toilettenpapier und Brot kann man hier im Vorübergehen kaufen.
Sprecher:
Im Lexikon wird der Begriff Kiosk folgendermaßen erklärt: In der islamischen Baukunst ein pavillonartiges Gartenhaus, in Europa mit Aufblühen der Gartenkunst im 17./18. Jahrhundert übernommen. Heute Verkaufshäuschen unter anderem für Zeitungen, Getränke, Süßigkeiten. Bevorzugte Standorte sind belebte Straßen, Plätze und Ausflugsziele.
Kioskbesitzerin:
"Wir ham hier Kaffee in erster Linie. Morgens früh gibt's belegte Brötchen und Stückchen, frisch gebacken von der Nacht. Und die Tageszeitungen. Und dann halt auch noch die Illustrierten für die alten Leutchen, die hier so in der Nähe wohnen. Da bieten mer eigentlich relativ viel an. Mer haben Toto-Lotto dabei - das ist ja auch für viele Leute wichtig."
Sprecher:
Brötchen, Stückchen und Leutchen: dreimal die Verkleinerungsform, mit der Endung "chen" gebildet, aber mit unterschiedlicher Bedeutung. Brötchen ist tatsächlich ein kleines Brot, so klein, dass man mehrere davon zum Frühstück essen kann. Stückchen oder Teilchen ist die Bezeichnung für ein süßes, gefülltes Gebäck. Die Verkleinerungsform ist eher eine Art sprachliche Hilfe, die süße Sünde zu entschärfen: ein Stückchen Naschwerk kann doch so schlimm nicht sein. Und mit Leutchen werden nicht kleinwüchsige Menschen bezeichnet, sondern einfach die lieben Mitmenschen. Die Verkleinerung kann freundlich gemeint sein, sehr schnell aber auch einen abwertenden Ton bekommen. Und "ham" steht für "haben" und die Faulheit, die Endung "-ben" sorgfältig auszusprechen.
Sprecherin:
So vielfältig wie das Angebot ist auch das Aussehen der Kioske. Da gibt es verzierte und schmucklose Holzhäuschen. Andere sehen aus wie Wohnzimmer mit Schiebefenstern, durch die die Ware heraus gereicht wird. Bei aller Verschiedenheit ist den Buden doch gemeinsam, dass sie auf kleinstem Raum das größte Angebot für den Kunden bereithalten.
Kind:
"Ham Sie Eis?"
Kioskbesitzerin:
Nein, hab' ich nicht, mein Nachbar hat, aber der hat zu. Tut mir leid. Das sind auch so Sachen, die hätt' ich mit reinnehmen können, aber ich hab' hier zuwenig Platz. Wir ham uns überlegt, ob wir die Eistruhe rein machen oder ob den Kühlschrank für die Getränke, und da haben wir uns halt eher für den Kühlschrank entschieden, weil es ist zu klein, wenn hier zwei Mann sind, dann ist es schon eng."
Sprecher:
"Ham Sie Eis?" - "Wir ham uns überlegt ..." Schon wieder "ham". Diese Verschleifungen kommen in der gesprochenen Sprache häufig vor: "Ham" statt haben, "gem" statt geben. So könnte eine Getränkebestellung am Kiosk lauten: "Gem Sie mir mal zwei Cola."
Sprecherin:
Stichwort Getränke. Dem aufmerksamen Beobachter fällt auf, dass auf den Neonschildern häufig Trinkhalle statt Kiosk steht, manchmal vorsorglich auch beides.
Kioskbesitzer:
"Das sind zwei verschiedene Paar Schuhe. Hier in Frankfurt gibt's einmal die Trinkhalle, das sind dann diese Geschäfte, wo Sie also trinken können, wo 'ne Toilette dabei ist, und ich hab' ein Kiosk, das ist also nur zum Mitnehmen. Also Flaschenbier ist hier nicht erlaubt, wobei okay, ich mein', man kann hier 20 Schnäpse trinken, sagt kein Mensch was. Aber eine Flasche, das ist verboten."
Sprecher:
Um anzudeuten, dass es zwischen den verschiedenen Bezeichnungen große Unterschiede gibt, wird hier ein sehr gängiges Bild von den "unterschiedlichen Paar Schuhen" verwendet. Zwei verschiedene Paar Schuhe sind also grundsätzlich unterschiedliche Dinge, die man wie Schuhe auseinander halten muss, sollen sie nicht durcheinander geraten.
Kioskbesitzer:
"Das sind zwei verschiedene Paar Schuhe. Hier in Frankfurt gibt's einmal die Trinkhalle, das sind dann diese Geschäfte, wo Sie also trinken können, wo 'ne Toilette dabei ist, und ich hab' ein Kiosk, das ist also nur zum Mitnehmen."
Sprecherin:
Eine andere gängige Bezeichnung ist auch Wasserhäuschen. Die stammt noch aus der Zeit, als die Kioske überwiegend am Eingang zu Fabriken oder an Sportplätzen standen. Die Arbeiter und Sportler konnten dann dort mit Wasser ihren Durst stillen. Viele Kioske stehen noch immer in Arbeitervierteln oder der Nähe von Fabriken. Sie sind beliebt – kleine Oasen der Großstadt, wo man einkaufen und sich unterhalten oder, wie man in Frankfurt sagt, babbeln kann. Eine Kioskbesitzerin, deren Laden in der Nähe einer Chemiefabrik liegt, beschreibt ihren Alltag:
Kioskbesitzerin:
"Das ist halt sehr viel Arbeit. Ich stehe jeden Tag um drei Uhr auf, sechs Tage die Woche. Fang' um vier Uhr hier die Punk an. Und hier geht auch einiges ab, weil hier sind ja sehr viele Leute auch berufstätig und sind halt auch sehr früh auf den Beinen, gell. Das sind halt die Leute, die ins Büro gehen um neun, nit. Wie viel Leute also um halb fünf hier schon stehen und müssen – Bauarbeiter zum Beispiel. Wir ham die Farbwerker, die aus der Nachtschicht kommen, die trinken dann auch morgens mal ihren Schoppen. Für die ist ja dann Feierabend. Und so ham wir hier 'nen 17-Stunden Tag. Ja, bis abends, und dann bräuchten wir auch noch nicht zuzumachen, weil das sind ja hier die Malocher, die hier lang kommen, hier ist ja die crème de la crème nicht zu finden."
Sprecher:
Nicht nur wegen des hessischen Dialektes muss hier einiges erklärt werden. So ist der Ausdruck "den Punk anfangen" der Jugendsprache entnommen. Das Wort Punk, eigentlich eine Musikrichtung, beschreibt hier eine hektische und unruhige Situation. Etwas Ähnliches ist gemeint mit der Bemerkung: "Hier geht einiges ab". Auf diese Weise drückt unsere Kioskbetreiberin aus, dass viel Arbeit zu erledigen ist. Sie hätte auch sagen können: "Ich fange um vier Uhr an, hart zu arbeiten, weil hier sehr viel zu tun ist." Der Fabrikarbeiter, also jemand, der körperlich hart arbeiten muss, ist ein "Malocher". Das Wort stammt aus dem Jiddischen und leitet sich vom hebräischen Begriff für Arbeit ab. Im Gegensatz dazu wird die "crème de la crème" erwähnt. Crème ist eigentlich das französische Wort für Sahne. Die hier gemeinte Bedeutung "gesellschaftliche Oberschicht" ist von der fetten Sahneschicht auf der Milch übertragen. Der Schoppen bezeichnet ursprünglich den Inhalt eines Schöpfgefäßes der Bierbrauer. Der Begriff ist im Süddeutschen gleichbedeutend mit einem Viertel Liter Wein.
Sprecherin:
Der Schoppen Apfelwein, die Flasche Bier, das Schwätzchen. Der Kaffee um vier Uhr morgens, die Fachzeitschrift um neun Uhr am Abend, die Dosensuppe am Samstag kurz nach halb drei; das Angebot der Kioske muss sich nach den Bedürfnissen der Kundschaft richten, wenn gewöhnliche Geschäfte geschlossen haben. Der attraktive Kiosk öffnet morgens, bevor der Bäcker die ersten Brötchen über die Ladentheke schiebt und schließt erst lange, nachdem die Supermarkteinnahmen zur Bank gebracht wurden.
Kioskbesitzer:
"Nach Ladenschluss. Hauptsächlich am Wochenende, wenn die Leute versäumt haben, in die Supermärkte zu gehen. Hauptsächlich die jungen Leute, die ganz gerne mal etwas länger schlafen, die bleiben schon bis 12, 1 im Bett, ne, und dann versäumen sie halt."
Kioskbesitzerin:
"Weil: das Kiosk, das löst ja praktisch den Einzelhandel nur in den Stunden ab. Dann gehen die Leute ja dann hin, wenn sie was vergessen haben um sieben. Also das ist doch, glaube ich, 'ne Notlösung mehr oder weniger. Oder für die Leute, die lange arbeiten. Die halt gar nicht die Möglichkeit haben einzukaufen."
Sprecherin:
Die Preise – gerade für Lebensmittel – sind höher als in den gewöhnlichen Läden. Zum einen können es sich die Kioskbetreiber leisten, hohe Preise zu fordern, zum anderen bleibt ihnen nichts anderes übrig: Denn der finanzielle Aufwand für ihr Geschäft ist hoch.
Sprecher:
Da müssen neben Personalkosten auch zahlreiche Versicherungen sowie Miete und Strom bezahlt werden. So lassen sich häufig Seufzer vernehmen.
Kioskbesitzer:
"Hab' jetzt das Geschäft hier zwei Jahre, arbeite von morgens um sechs bis abends 21 Uhr. Und bin der ärmste Mann Frankfurts. Wenn man alles umrechnet, also Millionär wird man nicht und ist man nicht. Also, das sind Gedanken von Leuten, die meinen, okay, jetzt hast du dein Geld und das bleibt jetzt bei dir. Aber was ich alles zu bezahlen hab'. Ich muss alles selber bezahlen, Versicherung und Arbeitslosengeld und alles Mögliche, was früher der Arbeitgeber bezahlt hat. Das gibt's bei mir nicht."
Kioskbesitzerin:
"Das ist ja so ein kleines bisschen so ein Tante-Emma-Laden-Charakter. In den Kiosken, wo es noch wirklich alles gibt oder wo es wieder alles gibt, weil ja die Läden doch irgendwo fehlen."
Sprecherin:
Der Tante-Emma-Laden, das kleine Geschäft im Viertel oder im Dorf, zumeist über Generationen im Familienbesitz, war traditionell der Einkaufsort, wo es alles gab, von der Zeitung bis zum Schnürsenkel, vom Obst bis zu einzelnen Bonbons aus dem großen Glas. Dort gab es natürlich auch den Klatsch, die Weitergabe von Neuigkeiten über den nicht anwesenden Nachbarn. In den Dörfern war der "Konsum", wie die Läden auch genannt wurden, Metzger, Bäcker und Kaufhaus in einem. Inzwischen wurden sie jedoch von den großen Ladenketten mit ihren Selbstbedienungsregalen und den billigeren Angeboten verdrängt.
Sprecher:
Auf dem Land gibt es inzwischen kaum noch Läden, und die Bewohner müssen zum nächstgelegenen Einkaufscenter oft viele Kilometer fahren. Nicht nur für ältere Menschen ist das natürlich mühsam, und so hat in den letzten Jahren ein Trend zum rollenden Tante-Emma-Laden eingesetzt: umgebaute Lastwagen, die mit ihren Waren über's Land fahren wie rollende Kioske.
Sprecherin:
In den Städten ist das natürlich nicht nötig, doch scheint hier ein Bedürfnis zu entstehen, der anonymen Geschäftigkeit der Supermärkte zu entfliehen, auch wenn der Einkauf dann teurer ist.
Kioskbesitzerin:
"Die alte Leutsche komme halt sehr gern her, gell. Die betuddele mer halt ein bisschen. Füllen Lottoscheine aus, wenn sie nicht fertig sind, manchmal nur so angefangen. Das macht halt auch sehr viel Spaß."
Sprecher:
Hier war wieder einiges Hessisch zu hören. Wenn jemand "betuddelt" wird, hilft man ihm gutmütig-freundlich, vor allem in Kleinigkeiten, die im Norddeutschen Tüttelchen heißen, Pünktchen. Diese Bedeutung hat sich offensichtlich mit dem lateinischen Wort "tutela" für Fürsorge vermischt. Betuddeln meint also, jemanden in besonderer Weise umsorgen, indem man ihm die kleinen Dinge des Lebens abnimmt - meist wird diese Sorge als übertrieben empfunden, vor allem von den Betroffenen.
Kioskbesitzerin:
"Die alte Leutsche komme halt sehr gern her, gell. Die betuddele mer halt ein bisschen. Füllen Lottoscheine aus, wenn sie nicht fertig sind, manchmal nur so angefangen. Das macht halt auch sehr viel Spaß."
Sprecher:
"Gell" ist eine typische Satzendung im Süd- und Mitteldeutschen. Eigentlich vom Wort "gelten" abgeleitet, heißt es soviel wie "es gelte", "so soll es sein", "nicht wahr?" Das schon mehrfach erwähnte Lotto ist ein verbreitetes Zahlenglücksspiel, bei dem man viel Geld gewinnen kann. Es stammt von einem alten Wort für "wahrsagen" - also in die Zukunft schauen - ab.
Sprecherin:
Doch auch in der Gegenwart ist der Umgang mit den Kunden zuweilen ein Glücksspiel. Denn die Funktion als Gesprächsort, die langen Arbeitszeiten und hohe Arbeitsaufwand fordern ihren Preis. Und so scheint der Erfolg eines Kiosks auch von der Persönlichkeit hinter dem Verkaufsfenster abzuhängen.
Kioskbesitzerin:
"Ich hab' Apfelwein, gespritzte und hab' pure. Hab' ich auch, wie gesagt, in kleinen Flaschen."
Sprecher:
Apfelwein, auch Äppler genannt, gehört zu den Frankfurter Grundnahrungsmitteln und kann pur oder mit süßem oder saurem Sprudel gemischt, eben gespritzt, zu sich genommen werden. In den Kneipen, die Apfelwein häufiger auch selber keltern, wird er entweder im Glas, dem Schoppen, serviert oder in großer Runde im offenen Steinkrug, dem Bembel. So wird er an den Trinkhallen zwar nicht angeboten - Apfelwein wird hier in Flaschen verkauft - dafür kriegt man aber, bei ausreichender Sympathie, noch ein typisches Frankfurter Rezept:
Kioskbesitzerin:
"Frankfurter Grüne Soße. Kennen Sie das net? Das sind alle Kräuter, die im Garten wachsen. Alle grünen Kräuter, die im Garten wachsen, werden klein gehäckelt, und dann je nach Geschmack mit Sahne oder saurem Rahm und Eier verhäckelt, miniklein gehäckelt und dann zu Pellkartoffeln verspeist. Was ganz Leckeres."
Sprecher:
"HäckeIn" heißt übrigens "klein hacken". Können Sie ja auch mal versuchen. Guten Appetit!
Fragen zum Text
Die Redewendung zwei verschiedene Paar Schuhe steht für …
1. zwei sehr ähnliche Dinge, die austauschbar sind.
2. zwei unterschiedliche Dinge, die man auseinander halten sollte.
3. das Einkaufen von Schuhen.
Jemand der hart arbeitet, wird auch … ggggennannt.
1. Malocher
2. Faulpelz
3. Kioskbesitzer
Welches Getränk wird in Frankfurt gern und viel getrunken?
1. Rotwein
2. Cola
3. Apfelwein
Arbeitsauftrag
Bilden Sie Zweiergruppen und spielen Sie eine Szene am Kiosk nach. Einer ist der Kunde, der etwas kaufen möchte; der andere spielt den Kioskbesitzer. Tauschen Sie anschließend die Rollen. Viel Spaß!