Fotostudios unter Druck
19. November 2024Von den rund 24.000 niedergelassenen Fotografen und Fotostudios in Deutschland erzielen viele den größten Teil ihres Umsatzes mit dem Erstellen von Passbildern. Schließlich benötigen jedes Jahr zwischen neun und zehn Millionen Bundesbürger neue Personalpapiere und damit verbunden ein aktuelles Passbild. Doch da ab Mai nächsten Jahres die Einwohnermeldeämter nur noch digitale biometrische Fotos für neue Pässe akzeptieren, bangen viele Fotostudios um ihre Existenz.
"Wenn es nur halb so schlimm kommt wie befürchtet, dann wird es richtig schlimm", befürchtet Christian Hamer, Chef der Fotostudiokette Picture People aus Bochum. Der Branche, so Hamer, drohe ein herber Verlust von Arbeitsplätzen. "Unternehmen, die sich nur auf das Passfotogeschäft konzentriert haben, haben aus meiner Sicht kaum eine Chance".
Wettbewerb durch den Staat
Thilo Röhrig, Geschäftsführer der Ringfoto-Gruppe mit Sitz in Fürth, beziffert den jährlichen Umsatz auf dem Passbildermarkt auf gut 100 Millionen Euro. Doch auf diesem Markt, ihrem angestammten Kerngeschäft, bekommen die Fotostudios ab Mai des nächsten Jahres massive staatliche Konkurrenz in Gestalt von digitalen Fototerminals. Dann tritt nämlich das neue Antragsverfahren für das "Gesetz zur Stärkung im Pass-, Ausweis- und ausländerrechtlichen Dokumentenwesens" in Kraft.
Um Manipulationen an Passbildern, das sogenannte Morphing, zu verhindern, sind für neue Ausweise nur noch digital erstellte biometrische Lichtbilder erlaubt. "Gerade bei den Betrieben, die eine hohe Abhängigkeit vom Passfoto haben, ist die Sorge vor einer Insolvenz sehr groß", sagt Thilo Röhrig. Immerhin machen Passbilder bis zu 50 Prozent der Gewinnmarge von Fotostudios aus. Nun fürchten viele, aus dem angestammten Markt gedrängt zu werden.
Digitale Fototerminals von der Bundesdruckerei
Und zwar von digitalen Fototerminals, die in den kommunalen Meldeämtern aufgestellt werden und an denen die Bürger selbst ihre Passbilder fertigen können. Diese Fotos werden dann von den Meldeämtern mit dem dazugehörigen Antrag elektronisch an die Bundesdruckerei geschickt und dort bei der Herstellung des neuen Dokuments eingearbeitet.
8000 dieser Selbstbedienungsterminals kann die Bundesdruckerei an die bundesweit 5500 Pass- und Ausweisbehörden liefern. Refinanziert werden die Geräte durch die anfallenden Gebühren für die fälschungssicheren Fotos, die pro Passbild sechs Euro betragen sollen.
Bundesinnenministerium: Sicherheit geht vor
Das zuständige Bundesinnenministerium räumt auf Anfrage ein, dass es für "bestimmte Branchen" Umsatzeinbußen geben werde, doch Vorrang haben Digitalisierungs- und Sicherheitsprozesse. Daher habe im Auftrag des Bundesinnenministeriums die "Bundesdruckerei GmbH allen deutschen Kommunen ein Angebot zur Ausstattung mit einem Terminal gemacht."
Bei Picture People machen Passfotos nach den Worten von Christian Hamer circa 30 Prozent des Umsatzes aus. "Das sind ungefähr 500.000 Euro." Durch die Konkurrenz der Selbstbedienungsterminals rechnet Hamer im nächsten Jahr damit, dass dann 15 Prozent vom Umsatz fehlen würden. "In der Summe ist das ein sehr starker Einschnitt."
Doch der Chef der Fotostudiokette rechnet darüber hinaus mit weiteren Einbußen, "denn viele Passfotokunden interessieren sich auch für die anderen Angebote, die wir haben." Das Geschäft mit den Passfotos sei eine der wichtigsten Quellen, um neue Kunden zu bekommen. Schon jetzt versucht Christian Hamer für die Filialen, die stark vom Passfoto abhängig sind, neue Auftragsfelder zu erschließen, wie Fotografie im Unternehmensbereich oder Iris-Fotografie. Das sind Nahaufnahmen von der Iris.
Vielen Menschen werden wohl den einfachsten Weg gehen
Perspektiven, die kleinere Fotostudios, wenn überhaupt nur bedingt besitzen. Das Management von Ringfoto, Europas größtem Fotoverbund, habe darum nicht untätig abgewartet, betont Geschäftsführer Röhrig. Damit die Fotobranche nicht komplett aus dem Markt gedrängt wird, hat man ein eigenes System für eine fälschungssichere Passfoto-Cloudlösung entwickeln lassen. "Das ist alles zertifiziert im Rahmen der technischen Richtlinien des Gesetzgebers."
Die Kosten dafür bewegen sich im einstelligen Millionenbereich. Für die Nutzung zahlen die angeschlossenen Fotostudios und Fotografen einmalig eine niedrige dreistellige Summe. "Stand heute rechnen wir mit über 3000 Partnern, die im Bundesgebiet unsere digitale Passbildlösung anbieten werden.
Gleichwohl merkt Thilo Röhrig an, dass damit aber auch ein erheblich höherer Arbeitsaufwand verbunden sei, "weil sich ein Fotohändler immer entsprechend in der Cloud anmelden muss. Und sich auch identifizieren muss als zertifizierter Partner, um dann die Bilder hochzuladen."
Zumindest können die angeschlossenen Fotostudios, zu denen auch Picture People gehört, die etablierte Dienstleistung Passfoto weiter anbieten. Doch Christian Hamer befürchtet wie andere Fotostudio-Betreiber, dass die meisten Menschen ab Mai nächsten Jahres den bequemeren Weg ins Amt wählen und nicht vorher zusätzlich ein Fotostudio aufsuchen werden. Einfach um Zeit zu sparen.
Ausblick der Branche ist düster
Stärken will Hamer den Betrieb durch den Ausbau der Unternehmensfotografie. Von Portraits von Vorständen bis hin zur Dokumentation von Arbeitsabläufen zur Aufwertung des Images in der öffentlichen Wahrnehmung sowie der Steigerung der Bekanntheit von Unternehmen.
Sorgen macht sich Hamer aber darüber, "in welcher Größe wir weitermachen." Um Kosten abzubauen, führt der Picture-People-Chef schon jetzt Gespräche mit Vermietern an den Standorten der Fotostudios in Deutschland. "Ja, wir haben Mietverträge gekündigt und sind aktuell in Verhandlungen mit den Vermietern, die die Thematik natürlich kennen." Letztlich blickt Hamer pessimistisch in die Zukunft. "Der Branche steht sehr viel Abbau von Personal und auch einige Insolvenzen bevor", glaubt er.