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Formel 1 nach Spielberg-Vorfällen unter Druck

Janek Speight
12. Juli 2022

Berichte über sexuelle und homophobe Übergriffe im Umfeld des Grand Prix in Österreich werfen kein gutes Licht auf die Formel 1. Weibliche Fans weisen darauf hin, dass solche Vorfälle im Motorsport nichts Neues seien.

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Niederländische Verstappen-Fans beim Formel-1-Grand Prix in Spielberg
Niederländische Verstappen-Fans beim Formel-1-Grand Prix in SpielbergBild: Manfred Binder/GEPA pictures/IMAGO

"Nein, das überrascht uns nicht." Die Worte von Motorsport-Fan Helena Hicks sind eine niederschmetternde Botschaft an die Formel 1. Schließlich äußert sich die Britin nach dem Großen Preis von Österreich am vergangenen Wochenende. Im Nachgang wird kaum noch über den Sieg des Ferrari-Piloten Charles Leclerc geredet, sondern darüber, was nach Schilderungen Betroffener am Rande des Grand Prix geschah: sexistische Anmache, übergriffige Berührungen weiblicher Fans durch männliche Besucher des Rennens, homophobe und rassistische Beschimpfungen. "Das ist eine der Kehrseiten des Motorsports", sagt Hicks. "Die Dinge müssen sich ändern. Und je mehr Leute darüber sprechen, desto mehr Chancen haben wir, dass dies auch wirklich geschieht."

Die Journalistin Hicks gründete 2018 die Online-Plattform "Females in Motorsport". Ihre Mitstreiterinnen und sie setzen sich für eine stärkere Beteiligung von Frauen im Motorsport ein, der traditionell eher als Macho-Domäne gilt. Bei der Website liefen nach dem Rennen in Spielberg zahlreiche Erlebnisberichte weiblicher Fans ein. "So erzählte eine Frau, dass ihr der Rock hochgezogen worden sei. Das ist absolut schockierend", sagt Hicks. "Andere Frauen berichteten über Catcalling [sexuell anzügliches Rufen, Reden, Pfeifen oder Gestikulieren - Anm. d. Red.] und rassistische Anfeindungen. Fans, die Regenbogen-Farben an sich trugen, wurden angepöbelt."

Was beim Rennen in Österreich passiert sei, hätten sie vorher auch schon bei anderen Formel-1-Grand-Prix erlebt, berichteten Betroffene gegenüber "Females in Motorsport". Das decke sich auch mit ihren eigenen Erfahrungen, sagt Hicks: "Ich war 2019 in Österreich und wurde von einer großen Gruppe niederländischer Fans verhöhnt und beschimpft. Mir wurde auch Alkohol über den Kopf geschüttet." Schon früher hätten Fans öffentlich über solche Vorfälle im Motorsport berichtet. "Ihnen wurde nicht immer geglaubt. Ich denke, das ist ein grundlegendes Problem." Die DW kontaktierte Betroffene der Übergriffe von Spielberg. Niemand von ihnen wollte öffentlich über die Erfahrungen sprechen.

"Wischiwaschi"-Erklärung

Die Formel 1 verurteilte in einer ersten Erklärung das übergriffige Verhalten von Fans beim Rennen in Österreich als "inakzeptabel". Dies dürfe nicht toleriert werden. "Alle Fans sollten respektvoll behandelt werden." Das sei nicht mehr als eine "Wischiwaschi"-Erklärung, findet Helena Hicks: "Die Formel 1 hat sehr lange gezögert, zu diesem Problem Stellung zu beziehen. Aber jetzt, da die Formel 1 es endlich zugegeben hat, ist es Zeit für Veränderungen. Menschen, die Zeugen von Übergriffen im Motorsport werden, sollten die Pflicht haben, diese zu melden, anstatt sie unter den Teppich zu kehren." Bisher hätten Fans, die Opfer solcher Vorfälle geworden seien, nicht gewusst, an wen sie sich wenden sollten, so Hicks. "Es gab auch Fälle, in die Streckenposten verwickelt waren. Es ist also knifflig. Es liegt an der Formel 1, in dieser Frage mit den Betreibern der Rennstrecken und den Veranstaltern der Grands Prix zusammenzuarbeiten."

Die DW fragte die Formel 1, mit welchen organisatorischen Veränderungen sie auf die Vorfälle von Spielberg zu reagieren gedenke. "Wir haben [nach den ersten Berichten während des Rennens - Anm. d. Red.] sichergestellt, dass die Stewards [Rennkommissare] und die Sicherheitskräfte sichtbarer und verfügbarer sind. Und wir haben auf den Tribünen und in den Fanbereichen Transparente mit Botschaften platziert, in denen wir zu Respekt gegenüber allen aufrufen."

Vettel fordert lebenslange Sperren

Die Formel-1-Fahrer verurteilten unisono die Übergriffe von Spielberg. Er sei "angewidert und enttäuscht", sagte Mercedes-Pilot Lewis Hamilton. "Die Menschen sollten herkommen, sich sicher fühlen und einfach eine tolle Zeit haben. Dabei sollte keine Rolle spielen, welches Geschlecht man hat, welche Sexualität oder welche Hautfarbe." Die Vorfälle beim Grand Prix in Österreich zeigten, dass das Problem in der Formel 1 noch allgegenwärtig sei, so der siebenmalige Weltmeister aus Großbritannien. "Wir müssen alle zusammenarbeiten."

Lewis Hamilton mit ernstem Blick beim Grand in Spielberg
Lewis Hamilton verurteilte die sexuellen und homophoben Übergriffe von Spielberg scharfBild: Pro Shots/IMAGO

Der viermalige Titelträger Sebastian Vettel forderte eine Null-Toleranz-Haltung gegenüber den Tätern. "Wer auch immer diese Leute sind, sie sollten sich schämen und auf Lebenszeit von Rennveranstaltungen ausgeschlossen werden", sagte der Aston-Martin-Fahrer aus Deutschland. Titelverteidiger Max Verstappen mahnte bessere Sicherheitsvorkehrungen an und schlug unter anderem vor, den Alkoholkonsum bei Rennen zu beschränken. "Solche Dinge sollten niemals passieren, nirgendwo", sagte der niederländische Red-Bull-Pilot der Zeitung "De Telegraaf".

Mercedes-Teamchef Toto Wolff forderte ein kompromissloses Einschreiten: "Wenn man sich in irgendeiner Weise sexistisch, rassistisch oder homophob verhält, ist man einfach nur hirnlos. Und kein Alkohol kann das entschuldigen." Die Formel 1 müsse sich klar positionieren, findet auch Helena Hicks. "Der Sport wurde von Anfang an von weißen Männern dominiert. Und Dinge, die sie lange als normal hinnahmen, sind eindeutig inakzeptabel", sagt die Gründerin von "Female in Motorsport". "Jetzt haben sie endlich ihre Augen geöffnet." Die Formel 1 sei inklusiver geworden. Es liege aber noch ein langer Weg vor ihr.

Dieser Artikel wurde aus dem Englischen adaptiert.