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"For the encouragement of learning" - Urheberrecht im Wandel

Lydia Heller13. September 2003

Im neuen Urheberrecht haben Internetnutzer das Nachsehen. Die Rechteverwerter sollen bestimmen, wer Zugang zu digitalen Inhalten haben darf. Entwickelt wurden Urheberrechte seinerzeit jedoch aus einem anderen Grund.

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Strikter Verfechter strenger Urheberrechte: US-Unterhaltungsriese DisneyBild: AP

Es begann im 15. Jahrhundert mit einer technischen Revolution: Gutenberg erfand den Buchdruck. Werke aus Literatur und Wissenschaft mussten nicht mehr mühsam von Hand abgeschrieben werden. Sie konnten von nun an in bisher nicht gekannter Geschwindigkeit nachgedruckt werden. Und schon bald sah man es als erforderlich an, dieses Nachdrucken von Texten zu kontrollieren: In England etwa verlieh die Krone der neu entstandenen Druckergilde gegen eine Gebühr das Recht für das Drucken von Büchern. Dieses "Kopier-Recht" – oder "right to copy" – war also ein Recht der Verlage. Ein Eigentumsrecht der Autoren an ihren Schöpfungen gab es nicht.

Anreiz zu Forschung und Lehre

Das änderte sich erst im Jahre 1710. Die damalige englische Königin Anne suchte nach einem Gegengewicht gegen die wachsende Macht der Verlage und dieses Gegengewicht war das "Statute of Anne" . "Heute würden wir sagen, das war das erste Urhebergesetz der Welt", erzählt Bernd Lutterbeck, Wirtschaftsinformatiker und Spezialist für Informationsrecht. "In der Sache hat dieses Gesetz ein temporäres Monopol begründet mit dem Ziel, den Fortschritt in der Wissenschaft und des Lernens zu fördern. Die Überschrift dieses Statute drückt das schön aus: An act for the encouragement of learning."

Vom größten Piraten des 19. Jahrhunderts...

Nach spätestens 28 Jahren verlor der Autor seine Rechte, die Werke wurden zum Allgemeingut erklärt. In anderen europäischen Ländern entwickelten sich im 19. Jahrhundert ähnliche Regelungen. Ganz anders dagegen die Auslegung des Urheberrechts in Amerika. "Fast im gesamten 19. Jahrhundert", so Lutterbeck, "sind die USA der größte Pirat der Welt gewesen. Die USA haben die Urhebergesetze von Europa nicht anerkannt und haben bedenkenlos alles kopiert, was möglich war. Und erst in dem Augenblick, wo die amerikanischen Entwicklungen und die Industrie noch nicht so weit waren, haben die USA das Recht für sich in Anspruch genommen, ohne Lizenzgebühren zu zahlen, für sich zu kopieren."Dahinter stand die hundert Jahre alte Einsicht, dass Kultur und Literatur, Wissenschaft und Kunst selten das Produkt einsamer Genies sind, sondern durch Austausch der Ideen aller entstehen.

...zum Verfechter strikter Kopierschutzregelungen

Heute – knapp 200 Jahre später – sind urheberrechtlich geschützte Werke aber mehr als "nur" Kulturgut – sie sind kulturelles Kapital. Und das wird global vermarktet. Ein Buch wie Harry Potter wird in mehr als 100 Ländern verkauft. Die große Masse des Kulturexports – ob nun Bücher, Hollywood-Filme oder die Musik von Michael Jackson – kommt aus den USA und Westeuropa. Und wer in den Genuss der westlichen Exportschlager kommen möchte, muss dafür zahlen – Lizenzgebühren. Die Höhe dieser Gebühren bestimmen Plattenfirmen, Filmstudios und die großen Softwarehersteller. Ein Monopol der westlichen Rechteverwerter über die Massenkultur? Bernd Lutterbeck sieht darin ein Problem, denn großen Teilen der Welt werde so der Zugang zu Wissen und Informationen verwert, "zum Beispiel weil arme Länder sich die Lizenzgebühren gar nicht leisten können." Gegenbewegungen entwickeln sich bereits, so Lutterbeck, und "es ist im Augenblick nicht entschieden, wie dieser Kampf ausgehen wird. Vordergründig haben die entsprechenden Industrien gesiegt. Sie haben ihre Interessen unterbringen können, sowohl in den amerikanischen, wie in den EU-Regelungen und jetzt auch im deutschen novellierten Urheberrecht. Ob das aber praktisch Bestand hat, da habe ich meine großen Zweifel."