1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Folter in Russland

1. Juli 2010

Russische Menschenrechtler beklagen: Folter durch die Polizei und in Gefängnissen ist immer noch an der Tagesordnung. Behörden müssten endlich guten Willen zeigen und Maßnahmen zur Folterbekämpfung unterstützen.

https://p.dw.com/p/O7Wn
Ein Stuhl und ein Tisch mit einem Gerät zur Elektrofolter (Foto: DW)
Folter bei VerhörenBild: CC/Marek Peters

Die meisten Fälle von Folter in Russland gehen auf das Konto der Polizei: Bei Festnahmen oder bei Verhören werden die mutmaßlichen Täter oft geschlagen. Aber auch im Strafvollzug ist Folter ein Problem. Die russische Menschenrechtsaktivistin Elisaweta Dschirikowa berichtet, ihr seien Fälle bekannt, bei denen Inhaftierte in ihrer Zelle Tag und Nacht mit lauter Musik gequält worden seien. Insassen hätten auch auf Betonböden knien müssen, während man Hunde auf sie gehetzt habe. In einem Fall sei einem Häftling ohne Narkose der Blinddarm entfernt worden. Man habe ihm angedroht, innere Organe zu entfernen, wenn er sich nicht selbst belaste.

Menschenrechtler prüfen Fälle

Eingang zum Gebäude der Generalstaatsanwaltschaft Russlands in Moskau (Foto: AP)
Menschen beklagen sich bei der StaatsanwaltschaftBild: AP

In den Jahren 2007-2009 hätten sich Hunderte Menschen bei der russischen Staatsanwaltschaft beklagt, Opfer von Folter geworden zu sein, teilte die russische Stiftung "Gesellschaftliches Verdikt" mit. Allerdings, sagt Stiftungsleiterin Natalja Taubina, seien davon nur 156 Fälle aus 27 verschiedenen Regionen des Landes wirklich begründet gewesen.

Der Nordkaukasus sei ein Brennpunkt und werde, so Taubina, in dieser Statistik der Menschenrechtler nicht berücksichtigt. Die Region müsse gesondert betrachtet werden, sagte sie, denn dort würden andere Gesetze gelten. Dort würden Menschen nicht nur gefoltert, sondern oft auch ohne Gerichtsurteil willkürliche Strafen angesetzt, so die Aktivistin.

Schwierige Ermittlungen

Nicht nur im Nordkaukasus wird Folter eingesetzt, um Geständnisse zu erzwingen. In solchen Fällen werde praktisch nie ermittelt, genauso wenig wie in Fällen, in denen Menschen von Polizisten geschlagen würden. Taubina sagte, es sei schwierig, die Täter zu bestrafen, weil die Staatsdiener meist zusammenhalten würden. Die Ermittler würden eher einen Fall zuungunsten des Opfers verdrehen, als einen Polizisten zur Verantwortung zu ziehen. Ermittlungen würden sich in solchen Fällen zudem über Monate, sogar Jahre hinziehen.

Röntgenbilder in einer Klinik (Foto: DW)
Angemessene Untersuchungen der Opfer sind oft unmöglichBild: Arria Belli

Erschwert werden Ermittlungen auch dadurch, dass meist angemessene medizinische Untersuchungen der Opfer unmöglich sind. So werde Menschenrechtsaktivisten und Fachärzten der Zugang zu Gefängnissen verwehrt, berichtet Dschirikowa.

Amtsärzte würden Folterspuren oft als Folgen eines Unfalls abtun. Natürlich gebe es Fälle, in denen sogar erfahrene Ärzte nicht mit Sicherheit Folterspuren als solche feststellen könnten, am schwierigsten zu diagnostizieren seien psychologische Traumata, so Dschirikowa.

Suche nach Auswegen

Die Leiterin der Stiftung "Gesellschaftliches Verdikt", Natalja Taubina, hält es für wichtig, die Ermittler besser aus- und fortzubilden. Die Ermittlungsstellen für Folterfälle sollten von denen bei der Polizei getrennt werden, die sich mit anderen Straftaten befassen. Darüber hinaus, so die Menschenrechtlerin, sei es notwendig, den Menschen, die über Folter klagten, zu ermöglichen, sich angemessen medizinisch untersuchen zu lassen.

Das Mitglied der Moskauer Helsinki-Gruppe, Valerij Borstschow, berichtete, Menschenrechtler hätten damit begonnen, Häftlinge, die in Moskau in Untersuchungshaft einsitzen, Gesundheitsuntersuchungen zu unterziehen. "Maßnahmen zur Verhinderung von Folter werden aber nur dann wirksam sein, wenn die Behörden für sie Verständnis aufbringen. Ohne den guten Willen der Polizei wird man dieses Übel nicht verhindern und beenden können", betonte Borstschow.

Autor: Jegor Winogradow / Markian Ostaptschuk
Redaktion: Nicole Scherschun