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Fischer im Schnee

Jens Thurau, Berlin18. Februar 2005

Es soll ja Menschen geben, die Schnee mögen. Der Bundesaußenminister gehört nach dieser Woche sicher nicht zu dieser Spezies.

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Wäre es eine andere Woche geworden, wenn es am Montag Morgen nicht dieses Schneegestöber gegeben hätte? Schwer zu sagen. Auf jeden Fall hat diese für Außenminister Joschka Fischer eher unerfreuliche Woche im dichten Schneetreiben begonnen. Da stand er vor der Parteizentrale der Grünen und tat endlich das, was alle schon lange von ihm erwarteten. Er äußerte sich zur Visa - Affäre, zum massenhaften Missbrauch von Einreiseerlaubnissen nach Deutschland, ausgestellt von der Botschaft der Bundesrepublik in Kiew. Ganze vier Minuten stand der große Polit-Star der Grünen dort in der Kälte vor den vielen Mikrofonen. Wenn es Fehler gegeben habe, werde das aufgeklärt, er übernehme die Verantwortung. Ansonsten handele es sich um eine bösartige Kampagne des politischen Gegners.

Schneeverwehungen der Opposition

Für den hätte die Woche nicht besser beginnen können. Ein kurz angebundener Außenminister, dessen vage Sätze alles andere als Befreiungsschläge waren – und dann auch noch der Schnee. Genüsslich wurden dem Vizekanzler die Sätze in der Kälte um die Ohren gehauen die ganze Woche über – der Hinweis auf die Schneeverwehungen fehlte im keinem Statement von Union oder FDP, dadurch wirkte das ganze noch unmenschlicher und härter. Ein Hauch von Kiew lag in der Luft.

Auch zum Wochenende hin liegt Berlin unter einer dicken Schneedecke. Es hat sich nicht geändert für die Grünen. Fischer ist angezählt. Die Opposition macht im Untersuchungsausschuss Punkte. Es bleibt dabei: Wer auch immer für die Erleichterungen bei der Visa-Vergabe sorgte –Fischer, wie Union und FDP sagen, oder die Vorgängerregierung, wie SPD und Grüne behaupten - : Das Auswärtige Amt sah lange zu, wie Schleuserbanden die laxen Visa-Bestimmungen nutzten, um Menschen illegal nach Deutschland zu bringen.

Fischer ist angezählt – und die Grünen sind es auch. Ein prominentes Mitglied der Bundesregierung entwarf diese Woche zum Entsetzten einiger Journalisten in einem Berliner Hinterzimmer eine verwegene Theorie: "Spiegel" und "Süddeutsche Zeitung" seien angetreten, Rot-Grün niederzuschreiben, wundern müsse man sich da über nichts.

Nun ja. Ganz falsch ist das auch wieder nicht. Der "Spiegel" holte tatsächlich weit aus in seiner Geschichte über die Visa-Affäre, sprach von der Historie einer Partei, die durch den steten Abbau moralischer Werte gekennzeichnet sei.

Ein richtige Affäre - nach langer Zeit

Dabei gibt es nach langer Zeit ganz einfach mal wieder eine richtige Affäre im politischen Berlin. Mit allem Drum und Dran: Mit versagenden Behörden, sich einigelnden Verantwortlichen, mit schäumenden Oppositionellen. Und mit jeder Menge Mediengeklingel. Das Neue ist, dass die Grünen betroffen sind. Und die sind solche Affären einfach nicht gewohnt. Wenn es dann noch unaufhörlich schneit, verliert man halt leicht die Nerven...