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FIFA: Haitianer Jean-Bart zerstörte junge Fußballerinnen

Jonathan Crane
15. Januar 2021

Die FIFA veröffentlicht einen Bericht zum sexuellen Missbrauch durch Haitis ehemaligen Fußball-Verbandspräsidenten Yves Jean-Bart. Die Details sind schockierend.

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Haiti | Yves Jean Bart, Präsident des haitianischen Fußballverbandes | Sexuelle Gewalt
Bild: Imago/J. Abelard

Im vergangenen November war der ehemalige haitianische Fußball-Funktionär Yves "Dadou" Jean-Bart vom Weltverband lebenslänglich gesperrt worden. Nun hat die FIFA in einem Bericht das Ausmaß des Missbrauchs durch den ehemaligen Präsidenten des haitianischen Fußballverbandes (FHF) offen gelegt. Sein Verhalten wird als "entsetzlich" bezeichnet, er habe "ein sehr komplexes und extrem schädliches System des sexuellen Missbrauchs und der Ausbeutung von Spielerinnen geschaffen".

Jean-Bart wurde im November zu einer lebenslangen Sperre für sämtliche Aktivitäten im Fußball sowie einer Geldstrafe von einer Million Schweizer Franken (920.000 Euro) verurteilt, nachdem ihn die Ethikkommission der FIFA des sexuellen Missbrauchs und der Belästigung junger Spielerinnen in Haitis nationalem Trainingszentrum in Croix-des-Bouquets, nahe der Hauptstadt Port-au-Prince, für schuldig befunden hatte. Einige seiner Opfer waren minderjährig.

In der nun vollständigen juristischen Begründung wird dargelegt, wie Jean-Bart seine Position ausnutzte, um die [minderjährigen] Spielerinnen zu sexuellen Handlungen mit ihm zu zwingen oder zu überreden, indem er versprach, ihnen zu helfen oder drohte, ihrer Fußballkarriere zu schaden.

Der 45-seitige Bericht belegt eine Reihe von Missbräuchen, die alle einem ähnlichen Muster folgen. Jean-Bart würde einen angeblichen Krankenhausbesuch als Vorwand benutzen, um eine Spielerin aus dem Trainingszentrum zu holen. Diese wurde dann in ein Hotel oder an einen anderen Ort gefahren, wo der Missbrauch angeblich stattfand.

Haiti | Yves Jean Bart, Präsident des haitianischen Fußballverbandes | Sexuelle Gewalt
Yves Jean-Bart beim FIFA-Kongress 2014 in Sao Paulo, BrasilienBild: Getty Images/A. Schneider

Ein Opfer erzählte den Ermittlern: "Herr Jean-Bart hat mich in sein Zimmer gerufen. Er bot mir dann den Schlüssel zu einem anderen Zimmer an. Er überreichte mir eine Tüte mit Unterwäsche als Geschenk. Ich bedankte mich schnell bei ihm, damit ich gehen konnte. Er rief mich zurück und zog mich näher an seinen Körper. In diesem Moment fing er an, mich zu berühren. Als ich merkte, was los war, schubste ich ihn und floh aus dem Raum."

Drohungen und Passentzug

Die Spieler, die Jean-Barts Annäherungsversuche zurückwiesen, wurden aus dem Trainingszentrum und der Nationalmannschaft ausgeschlossen. Jean-Bart konfiszierte auch ihre Pässe, um sie zu kontrollieren und an der Flucht ins Ausland zu hindern.

Ein zweites Opfer, das in dem Bericht zitiert wird, sagte: "Was ich will, ist, dass ich meinen Pass zurückbekomme und meine Sicherheit gewährleistet ist. Wenn Dadou weiß, dass ich gegen ihn ausgesagt habe, kann mir und meiner Familie alles passieren, weil er weiß, wo er mich finden kann."

Die Ermittler wiesen Jean-Barts Argument, dass die Anschuldigungen Teil einer orchestrierten Verschwörung waren, um ihn zu verdrängen, als "sehr schwer vorstellbar" zurück. Sie bezweifelten auch seine Behauptungen, dass er medizinisch nicht in der Lage war, penetrativen Sex zu haben: "Das Konzept des sexuellen Missbrauchs hat nicht notwendigerweise Koitus erfordert."

Nichtsdestotrotz fanden die Ermittler heraus, dass "das sexuelle Verhalten und die Anfragen von Herrn Jean-Bart von unangemessenen Berührungen über sexuelle Belästigung und Missbrauch bis hin zu Vergewaltigung (und erzwungener Abtreibung) im schlimmsten Fall reichten."

Beweise, die von der FIFPro, der weltweiten Spielergewerkschaft, geliefert wurden, zeigten, wie systematisch der Missbrauch war. Es wurden 34 mögliche Opfer und 10 mögliche Täter identifiziert, darunter 14 mögliche Opfer von Jean-Bart.

Der Bericht kam zu dem Schluss, dass Jean-Barts Verhalten "einfach unentschuldbar war, eine Schande für jeden Fußballfunktionär": "Er hat seine Position missbraucht, um seine persönliche Einstellung der Dominanz über die zerbrechlichsten Menschen zu befriedigen und die Karrieren und das Leben junger, vielversprechender Spielerinnen zu zerstören."

Anhaltende Dementis

Jean-Bart war 20 Jahre lang für die FHF verantwortlich. Trotz der  Schwere der Anschuldigungen beteuert er weiterhin seine Unschuld und sagt, dass er seine lebenslange Sperre vor dem CAS, dem höchsten Sportgericht der Welt, anfechten wird.

In einem Interview mit der britischen Nachrichten-Website Mail Online im Dezember schimpfte Jean-Bart über die FIFA, weil sie ihn gesperrt hatte, und sagte: "Ich wusste, dass ich auf jeden Fall für schuldig befunden werden würde. Es war eine Parodie der Gerechtigkeit. Man muss sich fragen, ob sie das Gleiche mit dem Präsidenten des französischen oder italienischen Verbandes machen würden."

Haiti | Protest gegen Präsident Haitis Fußballföderation Yves Jean-Bart
Menschen protestieren im Mai 2020 in Haiti gegen Jean-Bart. Dies Frau fordert GerechtigkeitBild: Dieu Nalio Chery/AP/picture-alliance

Im Gegensatz dazu hatte der 73-Jährige die Entscheidung eines haitianischen Richters gelobt, das Strafverfahren gegen ihn fallen zu lassen - ein Urteil, das nur wenige Tage vor der Bekanntgabe seiner lebenslangen Sperre kam - und behauptete, dass er damit von jeglichem Fehlverhalten "vollständig freigesprochen" wurde.

Jean-Barts Freude war jedoch nur von kurzer Dauer. Nach internationaler Kritik hat die Staatsanwaltschaft in Croix-des-Bouquets inzwischen eine Berufung zur Wiederaufnahme der Ermittlungen gewonnen.

Jean-Barts Sprecher Evan Nierman sagte gegenüber der DW: "Falsche und anzügliche Behauptungen gegenüber ausländischen Journalisten und einem bürokratischen Komitee innerhalb der FIFA zu wiederholen, machen sie nicht wahrer. Da die Justiz und Gerichte sich auf Fakten und Beweise verlasse und nicht auf politisch motivierte Gerüchte, glaubt Dr. Jean-Bart, dass er freigesprochen wird, wenn sein Fall vor dem Schiedsgericht des Sports untersucht wird."

Der aktuelle Aufenthaltsort von Jean-Bart unbekannt. Da auch die US-Behörden den Fall untersuchen wird vermutet, dass er untergetaucht ist, weil er Angst hat, für Verbrechen, die er im Ausland begangen haben könnte, ausgeliefert zu werden.

Adaption: Tobias Oelmaier