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"Repression zum Scheitern verurteilt"

Esther Felden1. Oktober 2014

Die Massenproteste sind Zeichen unaufhaltsamen politischen Wandels in Hongkong, sagt Menschenrechtsanwalt Basil Fernando gegenüber der Deutschen Welle. Repression wäre zum Scheitern verurteilt.

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Basil Fernando Preisträger Alternativer Nobelpreis 2014 (Foto: picture alliance/DPA)
Bild: picture-alliance/dpa/Ho

Deutsche Welle: Wie sehen Sie die Proteste aus Ihrer Sicht als Menschenrechtsanwalt?

Die zumeist jungen Demonstranten haben gezeigt, dass sie sich für ihr Anliegen in einer sehr friedlichen und disziplinierten Weise einsetzen können. Das gibt zu großen Hoffnungen für die Zukunft der Demokratie und Menschenrechte in Hongkong Anlass.

Wenn man sich, wie ich es getan habe, unter die Menge mischt, bemerkt man eine neue Form des Protests, an dem sich die Leute spontan beteiligen und wo alles sehr entspannt und fröhlich abläuft. Diese Demonstrationen sind nicht ideologisch grundiert, es weht hier ein freier Geist.

Was man außerdem stark spürt, ist, dass diese Leute ihre Stadt lieben, dass sie stolz auf die Errungenschaften der jüngsten Vergangenheit sind. Sie wollen, dass es noch besser wird, mit stärkerer Beteiligung, so dass sie mit noch mehr Recht von "ihrer" Stadt sprechen können.

Als die Behörden Tränengas und Pfefferspray einsetzen, um die Demonstrationen aufzulösen, hat sich die Hongkonger Anwaltsvereinigung (Bar Association) besorgt über den exzessiven Einsatz von Gewalt geäußert. Auf der Straße führte es dazu, dass sich sogar noch mehr Menschen beteiligten. Dank der Medien können alle Einwohner verfolgen, was sich auf den Straßen abspielt, alle wollen, dass sich Polizei und Demonstranten zurückhalten.

Wie ist die Stimmung in der Stadt?

Das normale Alltagsleben in Hongkong geht weiter. Es gibt eine riesige Anzahl von Menschen, darunter Studenten und Berufstätige aller Bereiche, auch Anwälte und Akademiker und Auswanderer, die die Demonstranten aktiv unterstützen und dabei mitmachen. Daneben gibt es eine ebenfalls riesige Anzahl von solchen, die die Proteste passiv unterstützen. Dann gibt es die, die aus verschiedenen Gründen Distanz zu den Demonstrationen halten, aber offene Ablehnung gibt es eigentlich nicht. Die Stadtbewohner sind zwar mit einer neuen Situation konfrontiert, die sie aber nicht bedroht.

Studentinnen im Sitzstreik in Hongkong (Foto: Reuters)
"Friedlicher und ernsthafter Protest"Bild: Reuters/C. Barria

Zu der allgemein positiven Stimmung tragen auch die Organisatoren bei. Sie sorgen für die Müllbeseitigung, für Trinkwasser und Essen ist gesorgt, Erste-Hilfe-Kräfte stehen bereit. Für Krankenwagen wird jederzeit ein Weg durch die Menge freigemacht.

Ist die Hongkonger Gesellschaft in der aktuellen Situation polarisiert?

Es gibt diejenigen, denen möglichst reibungslose Beziehungen zum Festland wichtiger sind, und es gibt andere, denen mehr politische Freiheiten für die Einwohner Hongkongs wichtiger sind. Die erste Gruppe hat sich bislang nicht offen ablehnend gegen die Demonstranten geäußert. Deren sehr diszipliniertes Verhalten könnte einige, die lieber vorsichtig sind, davon überzeugen, dass inzwischen eine größere politische Reife bei den Demonstranten in der Stadt herrscht.

Die "South China Morning Post" zitiert einen Professor von der Chinesischen Universität Hongkongs, der sich gegen die Bezeichnung "Revolution" wendet, die manche Medien für die Ereignisse in Hongkong verwenden: "Im Unterschied zu einer Bewegung will eine Revolution gewaltsam eine Regierung stürzen. Wir wollen nicht die (Hongkonger) Regierung stürzen. Wir verlangen Wandel, darunter faire und freie Wahlen. Auch westliche demokratische Modelle sind nicht perfekt. (Wer von 'Revolution' spricht), versteht nicht die Situation in Hongkong." Soweit Professor Wong Hung.

Ist Ihnen etwas von Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit den Demonstrationen bekannt?

Es gab wie gesagt ein paar Probleme wie den Einsatz von Pfefferspray und Tränengas. Auf einigen Bildern war zu sehen, wie Polizisten die Waffe auf Demonstranten richteten. Es gab auch einige Verhaftungen, die vor Gericht gekommen sind.

Hat Ihre Organisation, die Asiatische Menschrechtskommission, versucht, auf die Behörden einzuwirken, damit sie eine Eskalation vermeidet?

Unsere Position zu den politischen Veränderungen in Hongkong ist, dass die Regierung mit Bedacht handeln und die Menschenrechte aller Bürger beachten muss. Angesichts der offensichtlichen weitverbreiteten Begeisterung für mehr politische Teilhabe wären repressive Maßnahmen nur schädlich und kontraproduktiv. Im übrigen haben Mitglieder der Asiatischen Menschenrechtskommission sich an den Demonstrationen beteiligt.

Wie schätzen Sie die Gefahr ein, dass Peking versuchen könnte, die Proteste mit militärischer Gewalt zu beenden?

Jeglicher Versuch, die Hongkonger Bevölkerung unter eine repressivere Art der Kontrolle zu bringen, ist zum Scheitern verurteilt. Hongkong hat ein funktionierendes öffentliches Justizsystem sowie rationale und rechenschaftspflichtige Regierungsinstitutionen. Das ist eine ganz andere Situation als auf dem Festland. Diese öffentlichen Institutionen sind das Lebenselixier des Hongkonger Gemeinwesens, denn sie genießen in der Bevölkerung großes Vertrauen. So hat insbesondere die unabhängige Kommission zur Korruptionsbekämpfung für disziplinierte Verhältnisse in der Stadt gesorgt, die in ganz Asien vorbildlich sind.

Sollte sich Peking für ein gewaltsames Vorgehen entscheiden, würden diese Institutionen und das Vertrauen der Bevölkerung zerstört. Damit wären auch das Gemeinwesen Hongkong und sein Wirtschaftsmodell zerstört, das auf dem Vertrauen der lokalen und internationalen Geschäftswelt basiert.

Der aus Sri Lanka gebürtige Menschenrechtsanwalt Basil Fernando ist Preisträger des Right Livelihood Awards ("Alternativen Nobelpreises") 2014. Er leitet das Asian Legal Resource Centre (ALRC) in Hongkong, auch bekannt als Asian Human Rights Commission.