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Pakistan: Fasten bei 45 Grad

Hanna Pütz25. Juni 2015

In Pakistan sind bereits mehr als 1000 Menschen an Dehydration gestorben, denn im Fastenmonat Ramadan essen und trinken gläubige Muslime tagsüber nicht. Was passiert im Körper, wenn es an Wasser mangelt?

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Hitzewelle in Pakistan fordert zahlreiche Opfer FAROOQ NAEEM/AFP/Getty Images
Bild: Getty Images/AFP/F. Naeem

Es ist heiß in Pakistan. Bis zu 45 Grad im Schatten herrschten dort in den vergangenen Tagen, tausende Menschen werden in Krankenhäusern behandelt. Die meisten der mehr als 1000 Todesopfer gab es in der Hafenstadt Karachi, heißt es bei den pakistanischen Gesundheitsbehörden. Das Militär und zivile Rettungsdienste haben Dutzende provisorische Lager eingerichtet, um Opfer von Austrocknung, Kreislaufversagen und Hitzschlag medizinisch zu versorgen.

Zurzeit ist Ramadan, arabisch für "der heiße Monat". Gläubige Muslime essen und trinken in dieser Zeit von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang nichts. Die hohen Temperaturen sind für fastende Menschen jedoch besonders gefährlich: Die Gefahr einer Dehydration steigt.

In der Medizin bezeichnet Dehydratation einen Wassermangel des Körpers. Sinkt die Flüssigkeit im Körper übermäßig, kann der Organismus austrocknen. "Das Gefäßvolumen schrumpft, der Blutdruck sinkt. Durch den Elektrolyt-Verlust geraten zudem die Blutwerte durcheinander, wichtige Organe werden nicht mehr ausreichend versorgt", erklärt Dr. Ulrich Gerth vom Universitätsklinikum Münster. "Das kann zum Beispiel zu komatösen Zuständen führen und irreversible Schäden verursachen."

Schwindel, Schläfrigkeit und Krämpfe, aber auch Verwirrtheit und Fieber sowie ein starkes Durstgefühl gehören zu den Symptomen. Trinkt der Betroffene dann immer noch nichts, kollabiert der Kreislauf. Eine Ohnmacht ist die Folge, im schlimmsten Fall sogar Nieren-, Herz- und Organversagen und schlussendlich der Tod.

Flüssigkeit geht über den Magen-Darm-Trakt, die Lunge, die Nieren oder über die Haut verloren. Krankheiten oder starke körperliche Anstrengungen verstärken den Flüssigkeitsverlust. Medizinisch werden drei Arten der Dehydratation unterschieden:

Bei der isotonen Dehydratation verliert der Körper Wasser und Salz im gleichen Verhältnis. Unzureichende Wasser- und Natriumzufuhr aber auch Erbrechen oder Durchfall können dazu führen.

Die hypertone Dehydratation entsteht beim Verlust von Wasser ohne entsprechenden Salzverlust. Das kann bei Fieber passieren und im Extremfall zum Verdursten führen. Auch übermäßiges Schwitzen bei körperlicher Arbeit ohne Wasserausgleich hat diesen Effekt.

Und bei einer hypotonen Dehydratation wird mehr Salz als Wasser ausgeschieden, etwa wenn starkes Schwitzen nur mit salzarmer Flüssigkeit ausgeglichen wird. Deshalb sind Mineralwasser oder mit Nährstoffen angereicherte isotonische Getränke bei extremer Hitze hilfreicher als reines Leitungswasser.

Gerth zufolge treten in Pakistan derzeit alle Formen von Dehydration auf. Das sei von Einzelfall zu Einzelfall verschieden.

Pakistan Hitzewelle Sabir Mazhar / Anadolu Agency
Für Alte ist Fasten bei großer Hitze besonders gefährlichBild: picture-alliance/AA/S. Mazhar

Die Fastenzeit endet in diesem Jahr am 16. Juli. Das Fest des Fastenbrechens im Anschluss an den Ramadan ist - nach dem Opferfest - der höchste islamische Feiertag. Je nach Land und Region wird er unterschiedlich gefeiert. Viel gegessen und getrunken wird jedoch fast überall. Bis dahin versuchen Strenggläubige oft, den Flüssigkeitshaushalt nach Sonnenuntergang ins Lot zu bringen und trinken dann besonders viel. Gesund ist das nicht. "Es kann sein, dass der Körper das nicht verarbeiten kann, das hängt ganz von seiner Verfassung ab", sagt Gerth.

Zu schnell zu viel auf einmal trinken ist sogar manchmal schädlich: Der Wasser-Salz-Haushalt gerät durcheinander, den Zellen wird durch die Membranen zusätzliches Wasser entzogen. Das kann laut Gerth zu Gehirn- oder Lungenödemen führen, wenn auch eher bei vorerkrankten Menschen. Ein wenig "vorzutrinken" helfe zwar eher als "nachzutrinken", ersetze aber auf keinen Fall eine gleichmäßige Flüssigkeitszufuhr.

junge frau beim trinken
Mindestens 1,5 Liter Wasser sollte man täglich trinkenBild: Fotolia/photo 5000

Mittlerweile sind die Temperaturen in Pakistan ein wenig gesunken - auf 34 Grad. Außerdem wurden die strengen Fastenregeln gelockert. Ein führender Religionsgelehrter in Karachi stellte klar, dass der Islam älteren, kranken oder schwachen Menschen erlaube, das Fasten in Extremsituationen auszusetzen. "Die Menschen sollten ihr Leben nicht für eine religiöse Verpflichtung riskieren", sagte der Kleriker Mufti Naeem. Warum Fasten bei großer Hitze gerade für diese Gruppen gesundheitsschädigend ist, liegt an ihren begrenzten Reserven, erklärt Gerth. Dagegen habe ein gesunder Körper mehr "Puffer" an Energie und einen insgesamt stabileren Kreislauf.

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) weist auf ihrer Website darauf hin, dass Wassermangel über Flüssigkeitszufuhr durch den Mund ausgeglichen werden könne. Anders ausgedrückt: Trinken hilft. Bei Kindern oder alten Menschen, die schlecht trinken, muss laut WHO notfalls eine Magensonde verwendet werden, während eine schwere Dehydratation intravenös behandelt werden müsse. Das sei vor allem bei Krankheiten wie Cholera, die mit extremem Durchfall und starkem Erbrechen einhergeht, erforderlich.

Zeichen für einen ausgeglichenen Wasserhaushalt sind der WHO zufolge etwa ein stabiler Kreislauf, das regelmäßige Ausscheiden von Urin und das Gefühl, genug getrunken zu haben. "Für einen gesunden Menschen liegt die ideale Menge bei 1,5 bis 2 Litern am Tag", so Gerth vom Universitätsklinikum Münster. Bei hohen Temperaturen wie in Pakistan brauche der Körper jedoch auch schnell die zwei- bis dreifache Menge, je nachdem, wie viel er schwitzt.

In Pakistan bleibt die Lage trotz der gesunkenen Temperatur angespannt. Viele Krankenhäuser sind überfüllt, die pakistanischen Behörden rechnen mit weiteren Toten. In Karachi wurde die Woche ab Dienstag für arbeitsfrei erklärt, um die Einwohner nicht noch mehr zu gefährden. Gerth zufolge ist das nur ein Tropfen auf dem heißen Stein: "Weniger in der Hitze zu arbeiten ist sicherlich förderlich, es wirkt aber nur lindernd. Eine regelmäßige Flüssigkeitszufuhr ersetzt das jedoch nicht."