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Vier Hürden für de Maizière

Wolfgang Dick9. November 2015

Syrische Bürgerkriegsflüchtlinge sollen ihre Familien nicht nach Deutschland holen können, so der Vorschlag de Maizières. Die Koalition streitet, Asylrechtler zweifeln an der Machbarkeit. Sie sehen etliche Probleme.

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Flüchtlingsfamilie picture-alliance/dpa/P. Kneffel
Bild: picture-alliance/dpa/P. Kneffel

Für seine Vorschläge zur Einschränkung des Familiennachzugs erhält Innenminister de Maizière mehr und mehr politische Rückendeckung. Juristen sehen jedoch gleich vier rechtliche Probleme, wenn er seine Pläne trotz vieler Dementis wirklich durchsetzen wollte.

Gegen geltendes Recht

Problem Nr. 1 liegt in bestehendem, nationalen Recht: Seit August 2015 gilt in Deutschland nämlich die "Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung". Mit diesem Gesetz wurde Europarecht in nationales Recht umgesetzt. Demnach genießen Menschen, denen nur so genannter "subsidärer Schutz" mit bisher eingeschränkten Rechten gewährt wurde, genau dieselben Rechte wie diejenigen mit dem höherwertigen Status als "Flüchtling".

Im Klartext: Auch Menschen, denen das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge lediglich "subsidären Schutz" gewährt (2013 waren das 63 Prozent der Asylsuchenden), dürfen jetzt genauso ihre Familien nachholen, wie Menschen mit dem Status als "Flüchtling". Es müsste jetzt nicht einmal mehr nachgewiesen werden, dass man für einen Familiennachzug auch ausreichend eigene finanzielle Mittel zur Verfügung hat.

Bundesinnenminister Thomas de Maizière, Bundeskanzlerin Angela Merkel und Vizekanzler Sigmar Gabriel besprechen sich auf dem Flüchtlingsgipfel Foto: AFP / JOHN MACDOUGALL
Neue Vorschläge zur Bewältigung der Flüchtlingskrise scheinen nicht immer abgestimmt zu seinBild: Getty Images/AFP/J. McDougall

Wenn Bundesinnenminister de Maizière fordert, den Nachzug von Familien für Syrer einzuschränken, geht das nach geltendem Recht gar nicht. Der Minister müsste also das gerade frisch verabschiedete Gesetz wieder ändern. "Das würde zwar gehen, aber für keinen guten politischen Stil sprechen, wäre ungewöhnlich und würde für völlige Verwirrung sorgen", sagt Fachanwalt und Asylrechtsexperte Reinhard Marx. Verfassungsrechtliche oder EU-rechtliche Hindernisse sieht Anwalt Marx zunächst nicht. Jedenfalls wenn der Familiennachzug innerhalb eines tolerierbaren Zeitraums gewährleistet würde. Thomas de Maizière aber wollte den Zuzug der Familien ganz einschränken. "Das geht gar nicht", lautet das knappe Urteil von Marx dazu. Das wäre dann Problem Nr. 2.

Familiennachzug genießt hohe Schutzrechte

Den Familiennachzug einzuschränken - zum Beispiel für Menschen aus Syrien - könnte auch gegen den "Schutz der Familie" nach Artikel 6 des Grundgesetzes und Artikel 8 der Menschenrechtskonvention verstoßen, argumentieren einige Juristen. Die Pläne de Maizières führten auch zu Problem Nr. 3: Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge drohe komplett überlastet zusammen zu brechen. "Das droht zu kollabieren", sagt Maximilian Pichl, Anwalt der Organisation Pro Asyl, die sich für die Rechte Asylsuchender einsetzt. Grund: Bisher werden die Eingaben der Asylsuchenden Syrer nach einem "vereinfachten Verfahren" zur Anerkennung eines Bleiberechts durchgeführt.

Dafür fällt die persönliche Anhörung weg, die lediglich durch einen Fragebogen ersetzt wird. Die Vorschläge von Bundesinnenminister de Maizière würden dazu führen, dass das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge diese persönliche Anhörung wieder für jeden Einzelfall einführen müsste.

Klagen und Gerichtsprozesse befürchtet

Problem Nr. 4: Etliche Änderungen des nationalen Aufenthaltsgesetzes wären notwendig, meinen nicht wenige Fachjuristen. Wenn dazu der Rahmen völkerrechtlicher oder europarechtlicher Bestimmungen verletzt würde, ist die Durchsetzung des Vorhabens des deutschen Innenministers nahezu unmöglich, lautet ihre Einschätzung. "Europarechtlich den Familiennachzug zu verweigern oder einzuschränken, wird ganz schwierig", sagt etwa der Berliner Asylrechtler Andreas Günzler.

Weitere, mit heißer Nadel gestrickte Gesetzesänderungen erscheinen vielen Juristen nach dem gerade mühsam gefundenen Kompromiss in der Regierungskoalition zu Asylfragen unwahrscheinlich.

Viele in der Vergangenheit getroffene Verwaltungsvorschriften wurden bereits von der Mehrheit der höchsten Verwaltungsgerichte einkassiert. Hier noch einmal anzusetzen, würde viele Klagen und Gerichtsprozesse provozieren, was die von der Berliner Politik gesuchten schnellen Asylverfahren erheblich behindern dürfte. Thomas de Maizière hat mit seinen Plänen also hohe Hürden zu nehmen.