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Fall einer Großmacht

Eckhard Tollkühn 13. November 2003

Nein, es geht bei dieser Überschrift nicht um den Irak. So beunruhigend die Lage an Euphrat und Tigris auch sein mag, es ist eine Niederlage in einem amerikanischen Volkssport, die US-Kommentatoren zutiefst betrübt.

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Die Vereinigten Staaten sind die Wiege des modernen Baseball. 1845 wurden in New York die Regeln festgelegt. Man wollte sich vom englischen Schlagballspiel "Rounders" unterscheiden, einen eigenen Nationalsport haben. Seitdem sind Amerika und Baseball untrennbar miteinander verbunden. Das Spiel verkörpert den Geist von Amerika, sagt man hier.

Namen wie Babe Ruth, Lou Gehrig oder Joe DiMaggio sind allen US-Kids geläufiger als Hollywoodstars oder Präsidenten. Jeder Junge zwischen New York und San Francisco hat spätestens ab seinem dritten Lebensjahr einen klobigen Lederhandschuh und einen Holzschläger im Kinderzimmer. Und wann immer es die Zeit erlaubt, übt Daddy mit ihm auf dem Baseball-Platz, der in keiner amerikanischen Nachbarschaft fehlt.

World Series als Nordamerika-Meisterschaft

Die Endphase der amerikanischen Baseballmeisterschaft heißt World Series, obwohl nur amerikanische und ein paar kanadische Teams daran teilnehmen. Eine Weltmeisterschaft, die die Welt ignoriert, weil einem die anderen Teams, etwa aus Japan, Kuba oder Taiwan eh nicht das Wasser reichen können, so das Credo. Eine Arroganz, die an die militärischen Alleingänge der USA erinnert.

Vielleicht ist es eine Ironie der Geschichte, dass der Erfinder des modernen Baseball ein General der US-Army gewesen sein soll: Abner Doubleday. Er legte den Grundstein für die USA als Supermacht in einem neuen Sport. Diese Vormachtstellung war unangefochten bis jetzt das Unfassbare passierte. Die amerikanische Baseball-Nationalmannschaft verlor im alles entscheidenden letzten Qualifikationsspiel gegen Mexiko. Damit sind die USA erstmals nicht für die Olympischen Spiele qualifiziert. In Athen treten Holländer und Italiener an, aber nicht die Hypermacht USA.

Zweite Wahl nicht gut genug

Arroganz werfen die hiesigen Sportkommentatoren jetzt dem Nationalcoach und dem Olympischen Nationalverband der USA vor. Das Team USA setzte sich nämlich ausschließlich aus Spielern der Minor League, der zweiten Liga, zusammen. Man hatte offenbar geglaubt, dass die zweite Wahl immer noch gut genug sei, um den kläglichen Rest der Welt in die Knie zu zwingen.

Diese Rechnung ist nicht aufgegangen. Aber die Schadenfreude, die den USA jetzt aus aller Welt, insbesondere aus Mexiko entgegen schallt, stört hier nur wenige. Für den wahren amerikanischen Baseballfan haben die Olympischen Spiele etwa den gleichen Stellenwert wie die Vereinten Nationen für die Bush-Administration. Wer braucht schon Olympia wenn er die World Series hat, jene amerikanische Weltmeisterschaft, die unter Ausschluss der Weltöffentlichkeit ausgetragen wird?