1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

"Gute Realisierungschancen für Fahrverbote"

Jeannette Cwienk8. August 2016

Straftaten sollen künftig mit Entziehung der Fahrerlaubnis geahndet werden können. Das Bundesjustizministerium will ein entsprechendes Gesetz vorlegen. Strafrechtsprofessor Michael Kubiciel hält das für sinnvoll.

https://p.dw.com/p/1JdeO
Führerscheine verschiedener Generationen
Bild: picture-alliance/dpa/O. Berg

Deutsche Welle: Herr Kubiciel, Bundesjustizminister Heiko Maas hat mit seiner Ankündigung, Fahrverbote als Sanktionsmöglichkeit ins Strafgesetzbuch schreiben zu wollen, viel Zustimmung, aber auch Ablehnung geerntet. Bei welchen Delikten halten Sie einen Entzug der Fahrerlaubnis für sinnvoll?

Michael Kubiciel: Generell kann ich mir Fahrverbote als echte Alternative zur Freiheits- und Geldstrafe in sämtlichen Bereichen des Strafrechts vorstellen. Besonders in den Fällen, in denen eine Freiheitsstrafe nicht angemessen wäre oder eine Geldstrafe nicht wirkungsvoll wäre, weil der Straftäter entweder sehr viel oder eben sehr wenig Geld hat, oder auch bei Jugendlichen, bei denen zum Beispiel reiche Eltern die Geldstrafe zahlen.

Ein Tötungsdelikt oder eine Vergewaltigung mit einem Fahrverbot zu bestrafen wäre aber sicherlich nicht sinnvoll…

Natürlich nicht, denn es muss ja weiter der Grundsatz gelten, dass die Schwere der Strafe der Schwere der Schuld angemessen sein muss. Aber es gibt Straftaten, etwa eine einfache Körperverletzung oder auch Steuerbetrug, in denen die vorgesehenen Freiheitsstrafen zur Bewährung ausgesetzt oder in Geldstrafen umgewandelt werden können. Da muss man schauen, wobei empfindet der Täter einen höheren "Strafschmerz", welcher Entzug wirkt also schwerer und abschreckender - der Entzug von Geld oder der Entzug des Führerscheins? Denn es geht ja auch darum, eine Wiederholung von Straftaten zu verhindern. Gerade auf jugendliche Straftäter, die vielleicht nicht viel Geld haben, für die aber ein Auto ein wichtiges Statussymbol ist, könnte der Entzug des Führerscheins, etwa nach einem Diebstahl, sehr abschreckend wirken und sie möglicherweise effektiver von weiteren Straftaten abhalten, als das mit den bisherigen Strafen machbar ist.

Portrait Professor Dr. Michael Kubiciel (Foto: Uni Köln)
Michael Kubiciel lehrt Strafrecht in KölnBild: Universität Köln

Das Bundesfamilienministerium kann sich Fahrverbote auch für Väter oder Mütter vorstellen, die ihren Unterhaltspflichten nicht nachkommen. Sind sie da sinnvoll?

Aber sicher, warum nicht? Im Einzelfall muss natürlich der Richter entscheiden, welche Strafe im Sinne der Sühne und der Abschreckung nötig ist aber auch welche sinnvoll ist bei der Rückführung auf den Weg der Gesetzestreue.

Der ADAC lehnt den angekündigten Gesetzesentwurf zu Fahrverboten für Straftäter ab. Zum Argument, Fahrverbote könnten Wohlhabende abschrecken, denen eine Geldstrafe nicht viel ausmacht, heißt es, Reiche könnten sich ja einfach ein Taxi nehmen oder einen Fahrer engagieren.

Generell haben reiche Menschen ja immer mehr Möglichkeiten als ärmere. Aber es fällt ja trotzdem auf, wenn sich jemand ständig mit dem Taxi bringen oder von einem Fahrer abholen lässt. Das Umfeld wird vermutlich irgendwann komisch gucken. Eine Geldstrafe kann man ganz still und ohne großes Aufsehen begleichen, lässt sich aber jemand über einen längeren Zeitraum kutschieren, der sonst immer selber Porsche gefahren ist, werden Fragen laut.

Die Deutsche Polizeigewerkschaft hat den geplanten Gesetzesentwurf begrüßt, die Gewerkschaft der Polizei dagegen steht einem Fahrverbot als Strafe skeptisch gegenüber. Ihr Vize-Vorsitzender Jörg Radek kritisierte, dadurch werde die Bewegungsfreiheit eingeschränkt und unter Umständen sogar die Möglichkeit, den Beruf auszuüben.

Strafen sollen nicht schonen. Die Bewegungsfreiheit wird ja auch durch eine Freiheitsstrafe eingeschränkt und das soll sie auch. Strafe soll ja dem Straftäter etwas wegnehmen. Bei einer Geldstrafe wird dem Straftäter ein Teil seines Geldes weggenommen. Von daher passt die "Wegnahme" der Erlaubnis, ein Auto zu fahren, ziemlich gut ins Strafsystem. Natürlich muss der Richter dabei die Verhältnismäßigkeit wahren. Er ist der, der sich ein Bild vom Straftäter macht und entscheidet, welche Strafe angemessen ist. Strafe soll ja nicht die Existenz vernichten. Deswegen kann ein Fahrverbot für einen Taxifahrer eine unverhältnismäßige Strafe darstellen, für einen Büroangestellten im selben Fall aber verhältnismäßig sein.

Nach Ihrer Einschätzung: Wann könnten Fahrverbote als Sanktionsmöglichkeiten im Strafgesetzbuch stehen?

Wenn das Projekt nicht in politischen Mühlen zermalmt wird, sehe ich da sehr gute Realisierungschancen. Denn das Vorhaben steht ja im Koalitionsvertag der Bundesregierung, heißt sowohl die SPD als auch die Union haben ihren Willen dazu bereits deutlich gemacht. Dementsprechend schnell kann die Regierung den Gesetzesentwurf in den Bundestag einbringen, wo sie ja eine Mehrheit hat. Wenn auch der Bundesrat rasch zustimmt, könnten Fahrverbote durchaus schon am 01.01.2017 im Gesetz stehen.

Michael Kubiciel lehrt Strafrecht, Strafrechtstheorie und Strafrechtsvergleichung an der Universität zu Köln.

Das Interview führte Jeannette Cwienk.