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Fünf Weise: Zuwanderung finanziell tragbar

11. November 2015

Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung hält die Kosten für die Flüchtlinge für tragbar, sorgt sich aber um die Zukunftsfähigkeit Deutschlands.

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Deutschland Ärzte mit Migrationshintergrund Krankenhaus
Bild: picture-alliance/dpa/B. Thissen

In ihrem über 400 Seiten starken Jahresgutachten, das die so genannten "Fünf Weisen" am Mittwoch in Berlin vorgestellt haben, wird unter anderem bemängelt, dass sich das gesamtwirtschaftliche Produktivitätswachstum seit dem Jahr 2005 verlangsamt hat. Auch beklagen die Autoren zu geringe Gründungsaktivitäten und fehlenden unternehmerischen Wagemut.

Zur Abhilfe empfehlen sie bessere Rahmenbedingungen wie den Abbau alter Staatsmonopole, weniger Regulierung der freien Berufe und eine größere Flexibilität auf dem Arbeitsmarkt. Staatliche Investitionsprogramme lehnen sie dagegen ab. Nicht zuletzt werben sie für das Freihandelsabkommen TTIP. "Der Abbau nicht-tarifärer Handelshemmnisse bietet ein enormes Potential."

Moderates Wachstum

Die deutsche Wirtschaft werde dieses Jahr um 1,7 Prozent wachsen. 2016 dürfte das Bruttoinlandsprodukt (BIP) um 1,6 Prozent wachsen. Der Rat prognostiziert damit ein Wachstum wie die Bundesregierung. Die deutsche Zuwachsrate läge damit leicht oberhalb der für den EU-Raum.

Die Versorgung und den finanziellen Aufwand für die vermutlich eine Million Flüchtlinge hält der Sachverständigenrat für tragbar. Die fünf Ratsmitglieder Christoph M. Schmidt, Peter Bofinger, Lars P. Feld, Isabel Schnabel und Volker Wieland beziffern die Kosten für die Flüchtlinge auf bis zu 8,3 Milliarden Euro in diesem und 14,3 Milliarden Euro im nächsten Jahr. Angesichts der guten Lage der öffentlichen Haushalte sei das "tragbar". Längere Asylverfahren und eine schlechtere Arbeitsmarktintegration würden allerdings die Kosten erhöhen.

Pro und Contra Mietpreisbremse

Die Gutachter analysieren in einem Sonderkapitel auch die Folgen der Zuwanderung. Die Nachfrage nach Wohnraum werde steigen, weshalb mehr Anreize für die Mobilisierung privaten Kapitals in den Wohnungsbau nötig seien. Die Mietpreisbremse halten die "Fünf Weisen" in diesem Zusammenhang für kontraproduktiv, sie sollte deshalb abgeschafft werden.

Um die Integration in den Arbeitsmarkt zu bewältigen, dürften die Hürden für die Beschäftigung nicht zu hoch sein. Flexible Arbeitsmöglichkeiten wie mittels Zeitarbeit oder über Werkverträge müssten erhalten bleiben. Migranten sollten nicht privilegiert, aber auch nicht schlechter gestellt werden als andere Arbeitnehmer.

Michael Schlecht von der Partei Die Grünen lehnte in einer ersten Stellungnahme eine Rücknahme der Mietpreisbremse ab. Auch an den anderen von den Sachverständigen vorgeschlagene Maßnahmen findet er keinen Gefallen: "Der Erhalt des Missbrauchs von Werkverträgen und Leiharbeit, das Einfrieren der Höhe des Mindestlohns und die Einführung von TTIP sind nicht zukunftweisend, sondern schädlich."

Drei-Klassen-Gesellschaft am Arbeitsmarkt?

Um den in Deutschland auf 8,50 Euro pro Stunde festgelegten Mindestlohn nicht zu unterlaufen, schlagen die fünf Ratsmitglieder eine Ausnahmeregelung vor: Anerkannte Flüchtlinge sollten wie Langzeitarbeitslose behandelt werden, sodann die Ausnahme vom Mindestlohn für alle Langzeitarbeitslosen in neuer Beschäftigung von sechs auf zwölf Monate verdoppelt werden.

Besonders diese Vorschläge stoßen auf heftigen Widerspruch. Der stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Hubertus Heil, warnte davor, "die Flüchtlingsdebatte für Lohndrückerei auszunutzen". Für die SPD-Fraktion ist der Mindestlohn nicht diskutabel: "Die Forderung nach Mindestlohn-Ausnahmen für Flüchtlinge führt geradewegs in eine Sackgasse."

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) wies die Ideen zum Mindestlohn ebenfalls zurück, weil die Vorschläge etwaigem Missbrauch Tür und Tor öffneten. Die Gewerkschafter befürchten, das gesamte Lohnniveau würde nach unten abrutschen. Die Vorschläge der "Weisen" würden dazu führen, dass es Mindestlohnbezieher erster, zweiter und dritter Klasse gäbe.

Die Bundesregierung erwartet ungeachtet der schwachen Weltkonjunktur kein Ende des Aufschwungs. "Die deutsche Wirtschaft expandiert solide", schrieb das Bundeswirtschaftsministerium am Mittwoch in seinem Monatsbericht. Garant dafür bleibe die robuste Binnenkonjunktur, die von Rekordbeschäftigung und steigenden Einkommen profitiere.

dk/wen/zdh ( SVR, dpa, rtr)