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Austesten der Grenzen

Christian Gies22. Januar 2008

Extremsportler sind ständig auf der Suche nach dem Nervenkitzel und gehen dabei hohe Risiken ein. Bewundernswerter Mut oder unberechenbarer Leichtsinn?

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Ein Base-Jumper wagt aus schwindelerregender Höhe den freien Fall, Quelle: AP (25.08.2007)
Riskante Sportart: Base JumpingBild: AP

Es sind die Bilder, bei denen man den Atem anhält, man nicht sicher sein kann, ob alles gut geht. Der österreichische Base-Jumper Felix Baumgartner etwa sorgte kurz vor Weihnachten für Aufsehen, als er in Taipeh (Taiwan) aus rund fünfhundert Metern vom höchsten Wolkenkratzer der Welt sprang.

Beim vielleicht härtesten Rennen der Ultramarathonszene, das jedes Jahr bezeichnenderweise im Death Valley des US-Staates Kalifornien ausgetragen wird, lief auch der Deutsche Achim Heukemes mit. Nach 217 Kilometern bei 50 Grad im "Tal des Todes" verkündete er erschöpft: "Der Schmerz vergeht, der Stolz bleibt."

Flucht aus dem Alltag

Teilnehmer des Frankfurt Marathons, Quelle: AP (29.10.2006)
Auch Ultramarathons zählen zum ExtremsportBild: AP

Viele Extremsportler denken so wie Heukemes. Viele wollen aus ihrem nicht so spannenden Alltag flüchten oder suchen aus Neugierde das Abenteuer. Lebensmüde ist aber kaum einer von ihnen. Das bestätigt auch der Freizeitforscher Ulrich Reinhardt von der Stiftung für Zukunftsfragen in Hamburg: "Mit ihrem Sport verwirklichen sich die Extremsportler einen Lebenstraum, gehen dabei aber nur ein kalkulierbares Risiko ein."

Der Sportmediziner von der Universität Münster, Klaus Völker, sieht keine Veranlassung, vom Extremsport abzuraten: "Sicherlich sind hier die negativen Folgen weitaus dramatischer. Aber es ist sehr schwer zu sagen, ob das Risiko höher ist."

Fehler können schlimme Folgen haben

Auch Klippenspringerin Anna Bader fühlte sich von der Gefahr angezogen. Zuvor fuhr sie einige Titel im Leistungsturnen und im Turmspringen ein. Das bisherige Sportvergnügen war irgendwann ausgereizt, sie wollte mehr. Der luxemburgische Turmspringer Alain Kohl nahm sie 2005 zu einem Wettbewerb im Klippenspringen mit. Sehr beeindruckt von der Kulisse packte Bader als 21-Jährige die Leidenschaft für diese Sportart. Das erste Kräftemessen mit anderen Frauen fand im selben Jahr bei den Europameisterschaften im schweizerischen Tessin statt. Prompt gewann sie den Titel.

Keine hundertprozentige Gewähr für Unfälle

Anna Bader fällt aus gut 20 Metern kopfüber ins kalte Nass, Foto: privat
Klippenspringerin Anna Bader in AktionBild: privat

Risiken, die ihr Leben stark einschränken könnten, würde sie niemals eingehen. So groß muss der emotionale Rausch dann doch nicht sein. Bader sagt: "Wenn ich mir einen Sprung nicht zutraue oder nicht in Tagesform bin, dann springe ich eben nicht. Ich muss mich nicht mit aller Gewalt abschießen. Aber Menschen sind auch keine Maschinen, deshalb gibt es keine hundertprozentige Garantie für einen unfallfreien Sprung."

Glücksgefühle werden freigesetzt

Eine Motivation für das Ausleben extremer Belastungen sei das aufkommende Glücksgefühl, was laut Professor Völker aber völlig persönlichkeitsabhängig sei. "Es gibt Personen, die den ganzen Tag ein Lächeln auf dem Gesicht haben, andere wiederum spüren gar nichts." Die ganze Bandbreite der Emotionen hat die 43-Jährige Freya Hoffmeister aus Husum (Schleswig-Holstein) erfahren. Nachdem sie das Fallschirmspringen aus Liebe zu ihrer Familie aufgegeben hat, ist sie nun mit dem Kajak unterwegs, was aber in Wildgewässern keineswegs risikoarm ist. Im vergangenen Jahr war sie in Neuseeland ganz alleine auf sich gestellt.

Ein Kajak-Fahrer im Wildgewässer, Quelle: dpa (18.07.2003)
So wie hier dieser Kajak-Fahrer erlebte auch Freya Hoffmeister ihr AbenteuerBild: picture-alliance/dpa/dpaweb

"Ich habe ja nach einem Begleiter gesucht. Leider habe ich aber keinen gefunden, der mit mir wollte. Aber das war mir dann auch egal. So war die Fahrt noch herausfordernder für mich", sagt Hoffmeister. Nach 70 Tagen hatte sie Anfang des Jahres 2008 für die Umrundung der Südinsel 2500 Kilometer zurückgelegt und damit noch einen alten Rekord eines Einheimischen geknackt, der sechs Tage länger brauchte. "Aber es ging mir nicht um Geschwindigkeit, ich wollte auch wieder schnell zu meiner Familie und zu meinen beiden Geschäften zurück", sagt die Besitzerin von zwei Eisdielen.

Positive Signale aus dem Umfeld

Ihre Bilanz: Ein verlorenes Paddel und ein gebrochenes Heck, das sie eigenständig wieder reparieren konnte. "Zudem habe ich es als sportliche Herausforderung angesehen, als ich einige Monsterwellen beim Start und bei der Landung mit Eskimo-Rollen durchbrechen musste."

Aus ihren Familien- und Freundeskreisen erfährt die Sportlerin für ihre Leistungen positive Signale: "Respekt und Bewunderung schlägt mir entgegen", berichtet Hoffmeister. "Meine Eltern sind früher selbst gesprungen, haben mir immer viel zugetraut. Dadurch habe ich schon einen Bonus, als wenn ich mit Angst erzogen worden wäre", so Bader. Während sie sich schon überlegt, demnächst zum zweiten Mal für eine Showgruppe in China aufzutreten, denkt auch Hoffmeister schon wieder an fremde Gefilde. "ich könnte gleich morgen schon wieder lospaddeln. Die Welt ist riesig, da gibt es noch ganz viele andere Routen."