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Warum ist Ammoniumnitrat so gefährlich?

5. August 2020

Auslöser für die Katastrophe im Libanon soll eine Ammoniumnitrat-Explosion gewesen sein. Das kristalline Salz wird als Stickstoffdünger in der Landwirtschaft eingesetzt. Was ist das für ein Stoff?

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Symbolbild Ammoniumnitrat Dünger
Bild: Imago Images/Z. Tamanna

Laut dem libanesischen Ministerpräsidenten Hasan Diab könnte die verheerende Explosion in Beirut durch eine sehr große Menge Ammoniumnitrat ausgelöst worden sein. Das Material stamme von einem Frachtschiff, das 2013 aufgrund von Mängeln in Beirut an der Weiterfahrt von Georgien nach Mosambik gehindert wurde.

Schätzungsweise 2750 Tonnen der gefährlichen Substanz seien seitdem jahrelang ohne Sicherheitsvorkehrungen im Hafen von Beirut gelagert worden.

Was ist Ammoniumnitrat?

Ammoniumnitrat ist ein weißes, kristallines Salz, das sich ziemlich preisgünstig aus Ammoniak und Salpetersäure herstellen lässt. Es ist sehr leicht in Wasser löslich und wird meistens als Stickstoffdünger in der Landwirtschaft eingesetzt, denn für das Wachstum benötigen Pflanzen ausreichend Stickstoff.

Völlige Zerstörung im Hafen von Beirut nach den beiden verheerenden Explosionen
Völlige Zerstörung im Hafen von Beirut nach den beiden verheerenden ExplosionenBild: Getty Images/AFP/STR

Unvermischt ist Ammoniumnitrat ungefährlich, allerdings ist der kristalline Stoff wärmeempfindlich, bei 32,2 Grad Celsius wechselt Ammoniumnitrat seine polymorphen Phasen. Das bedeutet: Die Anordnung der Atome ändert sich und damit verändern sich auch die Materialeigenschaften. 

Wenn Ammoniumnitrat in sehr großen Mengen dicht beieinander steht, erhitzt es sich. Ist die Menge sehr groß, kann es Feuer fangen. Bei 170 Grad Celsius beginnt die Zersetzung, bei der Lachgas  entsteht. Durch eine starke Initialzündung zerfällt Ammoniumnitrat direkt zu Wasser, Stickstoff und Sauerstoff, was die gewaltige Sprengkraft des Salzes erklärt. 

Möglicherweise ging der Explosion des Ammoniumnitrat-Lagers ein Feuer in einem angrenzenden Bereich des Hafens voraus, in dem entweder Feuerwerkskörper oder Munition  gelagert wurden.  

Verwendung nur unter Sicherheitsauflagen

Ammoniumnitrat darf in vielen Ländern nur unter strengen Sicherheitsauflagen verwendet werden. Denn die Gefährlichkeit des Materials ist lange bekannt.

Vor fast 100 Jahren, 1921, explodierten im Oppauer Ammoniakwerk der BASF in Ludwigshafen 400 Tonnen Ammoniumsulfatnitrat-Dünger. Bei zwei kurz aufeinander folgenden Explosionen wurden 559 Menschen getötet, 1977 verletzt und die Fabrik größtenteils zerstört. Die Explosion war noch im 300 Kilometer entfernten München zu hören. Auch die Druckwelle aus Beirut sei laut Medienberichten noch im 200 km entfernten Zypern zu spüren gewesen.

China Tianjin Explosion in Chemie Depot
Was genau 2015 im chinesischen Tianjin die verheerende Explosion auslöste, bleibt ein GeheimnisBild: Reuters/Stringer

Die Bilder aus Beirut erinnern auch an das verheerende Chemieunglück 2015 in der chinesischen Hafenstadt Tianjin: Dort sollen sich 800 Tonnen Ammoniumnitrat neben zahlreichen anderen Substanzen in einem Gefahrgutlager befunden haben. Bei der gewaltigen Explosionen wurden 173 Menschen getötet und ein ganzer Stadtteil zerstört.

2013 waren bei einer Ammoniumnitrat-Explosion bei West Fertilizer in Texas 14 Menschen gestorben. 2001 starben im französischen Toulouse 31 Menschen infolge einer Ammoniumnitrat-Explosion.

Begehrter Sprengstoff für Terroristen

In Deutschland etwa fällt die Verwendung des Stoffes unter das Sprengstoffgesetz. Denn verschiedene Terroristen verwendeten das hochexplosive, günstige und vergleichsweise leicht zu beschaffende Material in der Vergangenheit für Anschläge. 

Zum Beispiel nutze der Verschwörungstheoretiker und Waffennarr Timothy McVeigh ein Gemisch, das Ammoniumnitrat enthielt, für einen Terroranschlag auf ein Verwaltungsgebäude der US-Bundesregierung in Oklahoma City im Jahr 1995.  Auch der Rechtsterrorist Anders Behring Breivik verwendete die chemische Verbindung für einen Anschlag mit einer Autobombe in Oslo im Jahr 2011. 

DW Mitarbeiterportrait | Alexander Freund
Alexander Freund Wissenschaftsredakteur mit Fokus auf Archäologie, Geschichte und Gesundheit@AlexxxFreund