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Ex-Siemens-Manager will Korruption bekämpfen

7. Juni 2010

Siemens hat auch in Argentinien Schmiergelder gezahlt um Aufträge zu erhalten. Der frühere Landes-Chef des Unternehmens engagiert sich jetzt gegen Korruption.

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Ein Manager holt ein Geldbüpndel aus seinem Jacket - Symbolbild Korruption (DW)
Bild: Bilderbox

„Dieses Zentrum ist aus dem Wunsch entstanden, die Unternehmensethik in Argentinien, und auch in der Region, zu verbessern“, erklaert Matthias Kleinhempel, Leiter des neuen Forschungszentrums für Unternehmensführung und Transparenz an der Wirtschaftshochschule IAE in Pilar bei Buenos Aires. Mit Unternehmensethik war es bei seinem früheren Arbeitgeber, der Siemens AG, nicht weit her.

Siemens hat auch in Argentinien geschmiert

Der 2006 aufgeflogene Korruptionsskandal bei Siemens war bis dato der größte in der bundesdeutschen Wirtschaftsgeschichte. In der Siemens AG hatte über viele Jahre ein System schwarzer Kassen und weltweiter Schmiergeldzahlungen existiert. Auch in Argentinien flossen illegale Gelder. Siemens hat zugegeben, dass Ende der neunziger Jahre im Zusammenhang mit einem Großauftrag zur Herstellung digitaler Personalausweise argentinische Staatsvertreter bestochen wurden.

Matthias Kleinhempel war von 2002 bis 2008 Präsident der Siemens-Niederlassung in Argentinien. Die Anwendung unsauberer Praktiken lag vor seiner Zeit. "Siemens ist auch hier sehr gründlich untersucht worden. In den Jahren, in denen ich hier war, hat es keinen einzigen Fall gegeben.“

Matthias Kleinhempel, Leiter des "Forschungszentrums für Unternehmensführung und Transparenz" der IAE (Foto: DW/ Victoria Eglau)
Matthias Kleinhempel, Leiter des "Forschungszentrums für Unternehmensführung und Transparenz" der IAEBild: Victoria Eglau

Vom Manager eines korruptionsgeplagten Unternehmens ist der 57jährige Jurist Kleinhempel nun zu einem Vorkämpfer für Transparenz und ethisches Verhalten geworden. Der Ansatz des vor einem halben Jahr gegründeten Hochschul-Zentrums sei, über die Wirtschaft, nicht über die öffentliche Hand, eine Verbesserung zu erreichen, sagt Kleinhempel. "Wir versuchen, den Firmen klarzumachen, dass ihnen ein ethisch einwandfreies Verhalten Vorteile bringt, weil qualifizierte junge Leute lieber für ethisch einwandfreie Unternehmen arbeiten. Und weil Kunden lieber Produkte von Marken kaufen, die in dieser Hinsicht ein positives Image haben.“

Vom Saulus zum Paulus?

Zielgruppe des Anti-Korruptions-Zentrums der renommierten Business School IAE sind Firmen in Argentinien. Dass auch sein ehemaliges Unternehmen Siemens in dem südamerikanischen Land schmierte, bedeutet für Matthias Kleinhempel keinen Widerspruch. Im Gegenteil: Weil der Korruptionsskandal eine schmerzvolle Erfahrung gewesen sei, wolle er dazu beitragen, dass andere Firmen nicht ähnliches erlebten, betont der Leiter des Forschungszentrums. "Der Skandal bei Siemens hat bei vielen Mitarbeitern zu einem grossen Leidensdruck geführt. Was wir dort gesehen haben, möchten wir gerne anderen ersparen.“

Finanziert wird das Zentrum fuer Unternehmensführung und Transparenz nicht nur von der Hochschule selbst, sondern auch von Kleinhempels einstigem Arbeitgeber. Siemens unterstütze Bemühungen zur Korruptionsbekämpfung weltweit, will Kleinhempel dazu nur sagen. Er spreche nicht mehr für das Unternehmen.

In Argentinien wächst das Problembewusstsein

Dass es in Argentinien riesigen Handlungsbedarf gibt, daran besteht kein Zweifel. Es gehört zu den Ländern, in denen Korruption besonders verbreitet ist. Im letzten Korruptionswahrnehmungsindex von Transparency International landete Argentinien auf Platz 106 von 180 – weit hinter seinen Nachbarn Chile und Uruguay. "Es ist keine Frage der Regierung, die gerade im Amt ist, sondern eine Frage der Gesellschaft, die sich über lange Jahre an ein gewisses Level von Korruption gewöhnt hat“, so die Einschätzung von Matthias Kleinhempel. Er bemerke allerdings, dass die Sensibilitaet der Öffentlichkeit gegenüber korruptem Verhalten in den letzten Jahren gewachsen sei. "Auf dieser Welle wollen wir reiten und diese Strömung unterstützen.“

Business School IAE in Pilar bei Buenos Aires (Foto: DW/Victoria Eglau)
Business School IAE in Pilar bei Buenos AiresBild: Victoria Eglau

Von den drei Beinen, auf denen das Zentrum steht – Forschung, Lehre und praktische Unterstützung von Firmen – ist dem ehemaligen Manager das dritte am wichtigsten. Vor kurzem fragten er und seine Mitarbeiter dreihundert argentinische Unternehmen nach ihren Massnahmen gegen Korruption. Immerhin hätten siebzig Prozent der Firmen einen Verhaltenskodex, erzählt Kleinhempel. Und knapp die Hälfte verfüge über einen sogenannten Compliance Officer, einen Wächter, der die Einhaltung von Regeln und Gesetzen kontrolliere. Eine kleinere Gruppe der befragten Unternehmen schaue beim Thema Korruption aber noch weg, bedauert Kleinhempel. "Wir müssen ihnen zeigen, dass es durchaus Vorteile hat, sich des Themas anzunehmen. Denn es ist besser, man handelt, bevor der Skandal da ist, als danach.“

Vorbilder aus dem Ausland

In Argentinien wird viel über korrupte Beamte und Politiker geklagt. Die gebe es zweifellos, meint Gabriel Cecchini, der Koordinator des Forschungszentrums an der IAE. Der Privatsektor mache es sich aber zu leicht, wenn er mit dem Finger auf den Staat zeige. Korruption sei auch ein Problem der Unternehmen, das diese lösen muessten. Und grosse internationale Konzerne könnten mit gutem Beispiel vorangehen. "Wenn sie ihre Programme für Regelüberwachung und gute Wirtschaftspraktiken weltweit anwenden, auch in Lateinamerika, dann können diese Anti-Korruptions-Werkzeuge von hiesigen Firmen kopiert werden. Zuerst von Grossunternehmen, und dann auch von mittleren und kleinen Firmen.“


Autorin: Victoria Eglau
Redaktion: Mirjam Gehrke