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Rabbani Attentat

21. September 2011

Präsident Karsais Beauftragter für die Verhandlungen mit den Taliban, Burhanuddin Rabbani, ist in Kabul ermordet worden. Rabbani war kein Freund der Demokratie, den Taliban galt er trotzdem als westliche Marionette.

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Rabbani war Leiter des Hohen Friedensrats in Afghanistan. Foto: dapd
Rabbani war Leiter des Hohen Friedensrats in AfghanistanBild: dapd

Der frühere afghanische Präsident Burhanuddin Rabbani ist Opfer eines Anschlages geworden. Afghanische Behörden bestätigten gegenüber DW-WORLD.DE, dass Rabbani am Dienstagnachmittag (20.9.) in seinem Haus in Kabul ermordet wurde. Der 71-Jährige soll zur Zeit des Anschlages mit zwei ehemaligen Talibankämpfern Verhandlungen geführt haben, als Chef des "Hohen Friedensrates" in Afghanistan war er für Friedensgespräche mit den Taliban verantwortlich.

Ersten Meldungen zufolge hat ein Vertrauter Rabbanis, der als Kontaktmann zu den Taliban fungierte, die Bombe in seinem Turban versteckt. Wenige Minuten, nachdem er von Rabbani in seinem Haus empfangen wurde, soll er die Bombe gezündet haben. Präsident Hamid Karsai hat laut seinem Sprecher in Kabul seinen Aufenthalt in New York, wo derzeit die UN-Vollversammlung tagt, abgebrochen. Trotz starker Präsenz von Polizei und Militär auf den Straßen in Kabul wurde die Lage von den Sicherheitsorganen als "normal" bezeichnet.

Vom Gelehrten zum Widerstandskämpfer

Der Tadschike Rabbani war von 1992-2002 der offizielle Präsident Afghanistans. Zunächst hatte es ihn an die Universität gezogen. Nach einer akademischen Karriere auf dem Gebiet islamischer Studien in Kabul und Kairo kehrte Rabbani 1968 nach Afghanistan zurück, wo er sich fortan der Politik widmete. Er trat der fundamentalistischen Partei der Dschamiat-i Islami bei, vier Jahre später war er Vorsitzender der bis dahin relativ erfolglosen Gruppierung. 1974 entzog sich Rabbani der drohenden Verhaftung wegen seiner radikaler Ideen durch die Flucht nach Pakistan. Der Putsch der Kommunisten in Afghanistan und der Einmarsch der Roten Armee veranlassten Rabbani, zu den Waffen zu greifen. Seine Gruppe zählte zu einer der erfolgreichsten Widerstandsgruppen gegen die kommunistische Regierung.

Afghanen in Kabul gedenken an den ermordeten Ex-Präsidenten Burhanuddin Rabbani. Foto: DW
Afghanen in Kabul gedenken an den ermordeten Ex-Präsidenten Burhanuddin Rabbani.Bild: DW

Nach dem Sturz des letzten kommunistischen Machthabers Afghanistans, Mohammad Nadschibullahs im April 1992, kehrte er nach Kabul zurück – diesmal als Präsident eines islamischen Staates. Doch seine Führung wurde nicht von allen Mudschahidin-Gruppen, die ebenfalls gegen die Sowjetarmee in Afghanistan gekämpft hatten, anerkannt. Ein mehrjähriger Bürgerkrieg war das Ergebnis: Allein in Kabul wurden, einigen Angaben zufolge, mehr als 80.000 Menschen Opfer der kriegerischen Auseinandersetzungen, die Hauptstadt wurde in Schutt und Asche gelegt. Rabbani wurde von den siegreichen Taliban Mitte der 90er Jahre aus Kabul vertrieben. Doch er gab seinen Posten als Präsident des Landes nicht ab.

Kein Freund der Demokratie

Dazu wurde erst gezwungen, nachdem US-Truppen die Taliban-Herrschaft Ende 2001 beendeten und Hamid Karsai als neuen Präsidenten einsetzten. Karsai hielt es für klug, seinen machtbewussten Vorgänger an sich zu binden und übertrug ihm verschiedene Aufgaben und Posten in seiner Regierung. Zuletzt wurde er von Karsai zum Chef des Hohen Friedensrates in Afghanistan ernannt. Seine Aufgabe: Wege zu einer direkten Verständigung und zu ernsthaften Friedensgesprächen mit den Führern der Taliban zu suchen. Rabbani lobte die Taliban als eine Gruppe, die offen für "vernünftige Vorschläge" sei. Sein Einsatz für die Beteiligung der radikal-islamischen Taliban an der Macht in Kabul war aber keineswegs uneigennützig. Rabbani tat sich mit dem neuen demokratischen Staatssystem in seinem Land sehr schwer. Er verachtete die freien Medien und reagierte höchst allergisch auf kritische Fragen. Als Fundamentalist fühlte er sich den Taliban näher als den demokratischen Kräften in Afghanistan.

Rabbani soll stets auf eine Änderung der demokratischen Verfassung Afghanistans gedrängt, einen islamischen Staat mit "islamischer Presse" gefordert haben, so berichten Insider in Kabul. Rabbani warnte als Reaktion auf den arabischen Aufstand in einer öffentlichen Rede vor der "zerstörerischen Macht der Jugend“. Jungen Leuten sollte der Zugang zu freien Medien, vor allem zu Internet und sozialen Netzwerken, verboten werden.

Er gründete sogar einen eigenen Fernsehsender "Noor TV", der unter anderem für eine friedliche Rückkehr der Taliban an die Macht warb. Trotzdem lehnte die Führung der Taliban seine Avancen stets ab, sie verspotteten ihn als Lakaien der Amerikaner. Enttäuscht äußerte Rabbani sich vor rund zwei Wochen, dass die Taliban jeden Willen zum Frieden aufgegeben hätten. Dies haben sie durch die Ermordung des glücklosen Vermittlers jetzt einmal mehr unterstrichen.

Autor: Ratbil Shamel
Redaktion: Hans Spross