1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Politik

Russlands Ex-Minister vor Gericht

Nikita Batalov
8. August 2017

In Moskau hat der Prozess gegen Ex-Wirtschaftsminister Alexej Uljukajew begonnen. Er ist der ranghöchste Regierungsvertreter, der wegen Korruptionsvorwürfen festgenommen wurde. Ihm könnten bis zu 15 Jahren Haft drohen.

https://p.dw.com/p/2hsWJ
Russland Moskau Ex-Minister Alexej Uljukajew
Alexej Uljukajew auf dem Weg ins GerichtBild: picture-alliance/dpa/TASS/S. Krasilnikov

Seit Dienstag steht der ehemalige Minister für wirtschaftliche Entwicklung der Russischen Föderation, Alexej Uljukajew, vor Gericht. Er soll von einem Vertreter des zum Teil staatlichen Ölkonzerns Rosneft für die Zustimmung zur Übernahme staatlicher Anteile am Ölkonzern Baschneft Schmiergeld verlangt haben. Laut Gesetz kann das Gericht wegen Korruption Personen, die ein öffentliches Amt bekleiden, zu Freiheitsentzug zwischen acht und 15 Jahren verurteilen.

Uljukajew wurde im November 2016 festgenommen, als er mutmaßlich zwei Millionen US-Dollar in einem Büro von Rosneft entgegen genommen hat. Noch am selben Tag entließ Russlands Präsident Wladimir Putin Uljukajew aus dem Amt und begründete dies mit "Vertrauensverlust". Der Angeklagte beteuert bis heute seine Unschuld. Auf die Frage, ob er die gegen ihn erhobenen Vorwürfe einräume, sagte Uljukajew vor dem Gerichtsgebäude in Moskau: "Was glauben Sie? Natürlich nicht." Seine Verteidigung bezeichnet die Festnahme als Provokation. Der Ex-Minister hatte sich zuvor öffentlich gegen die Übernahme von Baschneft durch ein anderes staatliches Unternehmen ausgesprochen. Doch im Ergebnis ging Baschneft dennoch an Rosneft.

War es Korruption oder nicht?

Russland Ölgesellschaft Rosnet
Mehrheitseigner von Rosneft ist der russische Staat Bild: picture-alliance/dpa/Y. Kochetkov

Sollte er diese Summe tatsächlich als Schmiergeld erhalten haben, so seien zwei Millionen US-Dollar - gemessen an dem was innerhalb der politische Elite sonst für Geld fließe - eher bescheiden, sagen Experten. Sie bestätigen, dass es in Russland gang und gäbe ist, dass Mitarbeiter staatlicher Strukturen von privaten Unternehmen in Russland "unterstützt" werden.

Nach Berichten der russischen Zeitungen "RBK" und "Nowaja Gaseta" soll Uljukajew das Geld aber nicht einmal berührt haben. Es soll in dem Safe einer Bank gelegen haben. Und nach Angaben des russischen TV-Senders "Doschd" soll dieses Geld für inoffizielle Prämien für Mitarbeiter des Wirtschaftsministeriums und nicht für Uljukajew bestimmt gewesen sein. "Selbst wenn er das Geld für jemand anderen entgegen genommen hat, wie behauptet wird, ist das dann etwa keine wahre Korruption, wenn Beamte Geld für eine Leistung nehmen, die sie eigentlich laut Gesetz sowieso erbringen müssen?", sagt der russische Politologe Pawel Swjatenkow.

Der Leiter des russischen Netzwerks "Politische Expertengruppe", Konstantin Kalatschow, ist überzeugt, dass das Geld nicht für Uljukajew bestimmt war: "Wenn es so gewesen wäre, hätte er kein Bargeld genommen, sondern hätte das Schmiergeld über einen anderen, sicherere Weg erhalten. Zum Beispiel wäre jemand aus seiner Familie plötzlich Aktionär eines Unternehmens geworden." Bargeld würden in Russland nicht einmal mehr Beamte auf mittlerer Ebene annehmen, sagt der Experte im Gespräch mit der DW.

Steht das Urteil schon fest?

Konstantin Kalachev, russischer Politologe
Konstantin Kalatschow (r.) leitet das russische Netzwerk "Politische Expertengruppe"Bild: DW

Beobachter vermuten, dass Uljukajew bereits vor Prozessbeginn darüber informiert wurde, dass das Urteil gegen ihn mild ausfallen wird. "Im Unterschied zu den Gouverneuren, die zu ihrer Verteidigung eine öffentliche Kampagne führen, ist es um Uljukajew vollkommen still. Das heißt, dass das Problem schon gelöst ist und dass der Ex-Minister weiß, was auf ihn zukommt", ist sich Kalatschow sicher. 

Die Anwälte des 61-Jährigen sprechen nur selten mit der Presse. Ein Anruf der DW bei einem seiner Anwälte, Timofej Gridnjew, wurde zwar zuerst entgegen genommen, man bat allerdings um einen Rückruf. Auf diesen reagierte Gridnjew dann aber nicht mehr.

Auch der Politikwissenschaftler Pawel Swjatenkow rechnet mit einer milden Strafe: "Im Unterschied zu den festgenommenen Gouverneuren sitzt Uljukajew nicht im Gefängnis, sondern steht nur unter Hausarrest." Das könnte eine Anspielung darauf sein, dass es kein hartes Urteil geben werde, sagte Swjatenkow der DW.

Es gebe einen weiteren Hinweis auf ein mildes Urteil, sagt Kalatschow: Staatlich kontrollierte russische Medien schwiegen praktisch völlig zu den Korruptionsvorwürfen gegen Uljukajew. "Wie oft war der Name Uljukajew in letzter Zeit zu hören? Fast gar nicht. Offensichtlich wurde angeordnet, dass der Ex-Minister in Vergessenheit geraten soll", sagt er. Kalatschow erklärt, Uljukajew solle vor der Präsidentschaftswahl in Russland im kommenden Jahr nicht zu einem "sakralen Opfer" stilisiert oder Teil einer Kampagne zur Korruptionsbekämpfung werden. Kalatschow vermutet, dass es eine entsprechende Abmachung zwischen Uljukajew und dem Kreml gibt. Uljukajew könnte einer Freiheitsstrafe entgehen und mit einer Geldstrafe davonkommen.

Niederlage des "liberalen Lagers"

Den Experten zufolge ist die Verhaftung Uljukajews eine Niederlage des "liberalen Lagers" im Kreml im Kampf gegen die "Silowiki" - also die Vertreter von Geheimdiensten und Armee. "Uljukajew war zwar Teil des Systems, doch jedes System hat seine interne Hierarchie", sagt Kalatschow. Und im vergangenen Jahr seien die "Silowiki" immer mächtiger geworden.