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Gesprächsbedarf

Torsten Schäfer12. Januar 2007

Die EU will mit einer groß angelegten Kommunikationsoffensive das Vertrauen der Bürger zurückgewinnen. Vor allem transparenter will die Gemeinschaft werden.

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Die EU-Flagge auf Halbmast
Wie bringt man eine Idee zum Reden?Bild: AP

So europäisch war Deutschland noch nie. Seit dem Beginn der deutschen EU-Ratspräsidentschaft am 1. Januar geben sich in Berlin die EU-Kommissare die Klinke in die Hand. Unter ihnen ist Margot Wallström, die für die Europakommunikation verantwortlich ist. Die smarte Schwedin hat vielleicht den schwierigsten Job in Brüssel. Denn Wallström soll mit einer großen Kommunikationsoffensive den festgefahrenen Karren aus dem Dreck ziehen. Seit den gescheiterten Verfassungsreferenden befindet sich die EU in einer Sinnkrise. Die Bürger rücken von Europa ab, wie Umfragen zeigen. Und das, obwohl mittlerweile mehr als 80 Prozent der deutschen Gesetzgebung ihren Vorlauf in Brüssel nehmen.

Neue Ansätze für eine bessere Kommunikation

EU-Kommissarin Margot Wallström
Europa bekannter machen: Kommunikationskommissarin Margot WallströmBild: AP

Wallström hat sich eine Menge einfallen lassen: Die Generaldirektionen der Kommission haben begonnen, ihre Pressearbeit stärker als bisher zu koordinieren. Neue Strategie-Stäbe wurden eingerichtet. Und die Kommissare reisen nun öfter als früher in die Mitgliedstaaten. Mit verstärkten Umfragen will Wallström ein besseres Bild von der öffentlichen Meinung gewinnen. In einem Kodex will sie das Recht der Bürger auf Information festschreiben. Zudem wurden die Pressetäbe in den nationalen Vertretungen der EU-Kommission ausgebaut.

"Das wird nicht ausreichen“, sagt Sebastian Kurpas, Experte für EU-Kommunikation beim Brüsseler Think Tank CEPS. "Für eine bessere Kommunikation muss die EU ihre politischen Strukturen ändern.“ Einige Reformansätze sind bereits verwirklicht: Ministerratssitzungen werden öffentlich abgehalten, wodurch größere Transparenz entsteht. Die Wahl des Kommissionspräsidenten durch das Europäische Parlament fand ein großes Medienecho. Warum nicht auch die Kommissare wählen lassen? Bisher werden sie ernannt - und bleiben deshalb unbekannt. Wer kennt schon Frau Fischer Boel? Die Agrarkommissarin verwaltet immerhin fast die Hälfte des EU-Haushaltes in Höhe von 113 Milliarden Euro. "Europa braucht Gesichter. Medien verlangen danach“, sagt Gerd G. Kopper, Journalistikprofessor an der Universität Dortmund. Mit der Verfassung bekäme die EU echtes Chefpersonal: Ein EU-Präsident und -Außenminister sind vorgesehen.

Direktmandate für Europaabgeordnete

Sebastian Kurpas empfiehlt, Direktmandate für Europaabgeordnete zu schaffen. "Dann können sie mit einer guten Europapolitik für sich werben.“ Bisher werden Europawahlen von nationalen Themen und Politikern dominiert. Gleiches gilt für die Verfassungsreferenden. Frankreich wollte vor allem Chirac einen Denkzettel verpassen. "Hätten französische Zeitungen mehr über die EU berichtet, wäre das Referendum vielleicht anders ausgegangen“, vermutet Pierre de Villers von der Brüsseler Journalistenschule IHECS. Bis zu den Präsidentschaftswahlen im Frühjahr wird Frankreich mit sich selbst beschäftigt sein. Sebastian Kurpas sieht darin kein Hindernis für die EU-Kommunikation. "Nationale Wahlen werden kurzfristig immer die Agenda beherrschen“, sagt der Experte. "Die Europakommunikation ist aber ein langfristiger Prozess.“

Ein wichtiger Akteur in diesem Prozess sind die Medien. Dass der Journalismus europäischer werden muss, zeigt eine aktuelle Studie des Dortmunder Erich-Brost Institutes für Journalismus in Europa. Befragungen in zehn Staaten zeigen, dass sich viele Journalisten mit dem Thema EU schwer tun. Die verantwortlichen Redakteure müssen kämpfen, ihre Europa-Themen unterzubekommen. Denn oft finden Vorgesetzte das Thema wenig interessant. Für Kurpas sind die Konsequenzen klar: "Die Journalistenausbildung muss deutlich europäischer werden.“

Mittel für Austauschprogramm zusammengestrichen

Journalistenschulen bieten zwar Europa-Kurse an. Doch die EU selbst hat ihre Aktivitäten zurückgefahren. Die Mittel für das Austauschprogramm "Euroreporter“ wurden zusammengestrichen. Und in der aktuellen Kommunikationsstrategie wurde an die journalistische Ausbildung erst gar nicht gedacht, kritisiert Gerd G. Kopper. Die EU-Kommission glaube offenbar, alleine für die Europakommunikation zuständig zu sein.

Doch wer die Medien dabei vergisst, kann das Hauptproblem nicht lösen. Die Berichterstattung über die EU hat zwar in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen, wie Analysen zeigen. Aber die Perspektive hat sich kaum verändert. "Medien berichten meist im nationalen Rahmen. Die einen interessiert Olivenöl, die anderen Fischquoten“, sagt Gerd G. Kopper. "Es gibt kaum gemeinsame Themen. Man müsste es schaffen, die nationalen Debatten zu synchronisieren“, sagt Sebastian Kurpas. Denn vor allem durch das gemeinsame Gespräch kann die EU die politische Identiät entwickeln, die ihr verloren gegangen ist.

Echte Europadebatten nur bei Topthemen

Die Euro-Skulptur in Frankfurt
Die Euro-Einführung löste eine große länderübergreifende Debatte ausBild: AP

Es gibt Momente, in denen die Europa-Debatte Wirklichkeit wird: BSE, Euro, Osterweiterung, Verfassung - wenn solche Topthemen anstehen, diskutieren Europas Länder gleichzeitig über eine gemeinsame Angelegenheit. Doch im politischen Alltag sieht es anders aus: Berlin gegen Brüssel, Dosenpfand und Feinstaubrichtlinie rauf und runter. Nachrichten aus anderen Ländern oder EU-Themen, die keinen Heimat-Bezug aufweisen, gehen oft unter.

"Gerade regionale Medien müssen sich um eine stärkere europäische Perspektive bemühen“, fordert Kurpas. Die Berichterstattung mancher Regionalzeitung ist lokaler statt europäischer geworden. Im Zuge der Medienkrise sind Regionalzeitungen verstärkt dazu übergegangen, Lokalnachrichten auf die ersten Seiten zu heben, um mit ihrem Pfund zu wuchern. EU- und Auslandsnachrichten werden so aber verdrängt. Das "Fenster zur Welt“, das die Zeitung für den bekannten Journalisten Herbert Riehl-Heyse stets war, verschließt sich damit. Aber nur der Blick hindurch lässt die Bürger Europa erkennen.