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Europa Interview

Ruth Reichstein 19. Oktober 2007

Michael Gahler ist Europaabgeordneter, Vizepräsident im auswärtigen Ausschuss des Europaparlaments und Mitglied in der Fraktion der europäischen Volksparteien. Ruth Reichstein hat mit ihm gesprochen.

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Grenzübergang von Polen zur UrkaineBild: picture-alliance/ dpa

Herr Gahler, was ist denn eigentlich Nachbarschaftspolitik? Ist das eine Vorstufe zur Erweiterung?

Nachbarschaftspolitik ist die Politik östlich und südlich der erweiterten EU, die wir betreiben für die Länder, die nicht oder noch nicht Mitglieder werden können. Nicht Mitglieder werden können die Staaten Nordafrikas, weil sie objektiv nicht Teil Europas sind. Und dann gibt es Länder, die noch nicht Mitglieder werden können oder wo wir als EU sagen, sie können nicht Mitglied werden.

Dass nordafrikanische Länder nicht beitreten können ist klar. Bei anderen Ländern ist es schwieriger wie zum Beispiel bei der Ukraine. Könnte man dann nicht auch sagen, die Nachbarschaftspolitik ist ein Abstellgleis?

Nein, es kommt auf das einzelne Land an, welche Anstrengungen es unternimmt Richtung EU. Wir haben einige Länder zu Kandidaten erklärt und es ist allgemeine Auffassung, dass die Länder des westlichen Balkans, wenn sie alle Voraussetzungen erfüllen, auch die Vollmitgliedschaftsperspektive haben. Aber für ein Land wie die Ukraine besteht im gegenwärtigen Zustand der EU, aber auch im Zustand der Ukraine selbst, keine konkrete Beitrittsperspektive. Das Land ist ein europäisches Land, aber es ist im Moment nicht in der Lage, auch nur annähernd die Voraussetzungen zu erfüllen. Und deshalb sollten wir tun, was wir schon heute tun können, nämlich genau hinschauen, in welchem Bereich wie kooperieren.

Wer entscheidet denn, ob ein Land Nachbar wird und nach welchen Kriterien?

Das haben die Staats- und Regierungschefs der EU entschieden. Und wir haben aus dem Umkehrschluss, wer ist schon Beitrittskandidat, dann müssen alle anderen Nachbarschaftskandidaten sein. Aus diesem Umkehrschluss haben wir entsprechende Aktionspläne für diese Länder entwickelt und mit diesen Partnerschafts- und Kooperationsabkommen geschlossen. Und für bestimmte Länder, die etwas problematisch sind, haben wir das noch nicht in Kraft setzen können – nicht gegenüber Lybien oder Syrien oder der Weißrussischen Diktatur.

Also auch um Nachbar zu werden, muss man gewisse Kriterien erfüllen?

Man ist zunächst einmal geografisch Nachbar. Aber mit einer politischen Struktur wie Weißrussland, mit diesem Land können wir nicht das, was wir uns mit einem guten Nachbarn vorstellen, umsetzen. Wir haben aber auch sehr deutlich gemacht gegenüber der Menschen in Weißrussland, was wir im Angebot haben, so dass sie daraus schlussfolgern können, was ihnen durch die Diktatur entgeht, die dort leider noch herrscht.

Was heißt Nachbarschaftspolitik ganz konkret? Was für Inhalte stecken da drin? Was bekommt ein Land von der EU, wenn es auch politisch gesehen Nachbar wird und was gibt das Land der EU, wenn das der Fall ist?

Im politischen Bereich können wir mit dem Land dann in konkreten Fragen, die die bilateralen, aber auch die Beziehungen zu Drittstaaten, regelmäßigen Dialog führen. Das ist institutionalisiert. Man muss sich nicht zufällig verabreden, sondern hat einen regelmäßigen Dialog über die Fragen die Anstehen. Im Bereich der Wirtschaft ist eine große Bandbreite möglich. Das kann man sich vorstellen bis hin zu Freihandelsabkommen oder in fernerer Zukunft auch einer Zollunion. Man soll da der Phantasie keine Grenzen setzen. Ich könnte mir theoretisch auch mit einzelnen Ländern eine Schengen-Vereinbarung vorstellen. Je nachdem wie die konkreten Umstände sind. Und im kulturellen Bereich sind wir sehr dafür dass man mit diesen Ländern die Programme wie Studentenaustausch auch auf diese Länder anwendet, damit die jungen Menschen dort wissen, was es heißt, eine Europäische Union in der Nachbarschaft zu haben und für den ein oder anderen kann es ja auch eine Vorbereitung auf eine mögliche Mitgliedschaft in ferner Zukunft sein.