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Hintergrundgespräch zum Schwerpunkt der Woche

Ruth Reichstein17. August 2007

Die Lebensmittelindustrie verspricht oft mehr als sie halten kann. Dagegen gibt es jetzt ein neues EU-Gesetz. Ruth Reichstein hat mit Renate Sommer von der EVP über gesundheitsbezogene Werbung gesprochen.

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Bild: EU

Deutsche Welle:

Frau Sommer, wie ist das bei Ihnen: Wenn Sie in den Supermarkt zum Einkaufen gehen, haben Sie das Gefühl, Sie wissen immer, was in den Dosen und Schachteln wirklich verpackt ist?

Renate Sommer: Auf den meisten Produkten steht heutzutage schon drauf, was drin ist. Und wir versuchen ja auch, die Gesetze so zu gestalten, dass das überall drauf stehen muss.

Gerade eben ist ja eines der Gesetze, die Sie gerade schon angedeutet haben, in Kraft getreten – nämlich das sich auf Gesundheitsbezogene Werbung auf Verpackungen bezieht. Vielleicht können sie noch mal erklären, warum das so wichtig war.

Ich selber war eigentlich gegen das Gesetz. Denn man muss vorausschicken: Wir haben Regelungen gegen irreführende Werbung. Werbung darf also nichts anpreisen, was nicht stimmt. Und dieses Gesetz zu Nährwert- und Gesundheitsbezogene Lebensmittelwerbung will eigentlich dieses Gesetz gegen irreführender Werbung ersetzen. Es geht darum, dass auf einem Lebensmittel nur stehen darf, das es gut für die Gesundheit ist in irgendeiner Form, wenn das auch wirklich stimmt und dann darf das Lebensmittel zusätzlich nur einen geringen Gehalt haben an Salz oder Fett oder Zucker.

Aber das ist doch eigentlich nichts Schlechtes?

Die Frage ist: Kann tatsächlich dieses Gesetz dem Verbraucher Zusatznutzen bringen und wie ist das mit der Bürokratie, die es verursacht? Und das ist das größte Problem bei diesem Gesetz. Es bringt dem Verbraucher keinen Zusatznutzen. Denn wir haben ja Gesetze gegen irreführende Werbung. Die Bürokratie wird damit ungeheuer erhöht. Denn sie müssen die Unterlagen zum Nachweis der Richtigkeit ihrer Werbebehauptung zur Genehmigung einreichen bei der Lebensmittelsicherheitsbehörde in Parma. Die schreibt ein Gutachten über ihren Werbespruch. Dieses Gutachten geht an die europäische Kommission in Brüssel. Da begutachtet ein Fachausschuss das Gutachten der europäischen Lebensmittelsicherheitsbehörde, macht selbst ein Gutachten und diese beiden Gutachten zusammen werden dann von der Kommission insgesamt noch mal beurteilt und erst dann erfährt der Antragsteller, ob seine Werbung genehmigt wird oder nicht. Das kann ein bis zwei Jahre dauern, keiner weiß das.

Was passiert denn mit der Werbung, die es schon gibt? Für die gab es ja nicht solche Genehmigungsverfahren.

Die Produkte, die eine solche Werbung tragen und schon im Regel stehen, die dürfen da auch bleiben, bis sie abverkauft sind. Man darf aber keine neuen Produkte mehr dahinbringen mit dieser Werbung zum Verkauf. Nur das, was im Regal ist, darf da bleiben. Dann muss jetzt der Hersteller einen Antrag stellen und sobald der Antrag gestellt ist, darf er das Produkt auch so weiterverkaufen, bis über den Antrag entschieden ist.

Diese Gesundheitsbezogenen oder Nährwertsbezogenen Angaben sind ja nur ein Beispiel. Gibt es im Moment noch weitere Ansätze, da noch weiter einzugreifen?

Wir haben gerade erst abgestimmt, allerdings zunächst mal im zuständigen Ausschuss das Thema Alkoholmissbrauch und dort gibt es auch Kollegen, die Warnhinweisen auf alkoholischen Getränken fordern und damit dann auch ein Werbeverbot.

Warum beschäftigt sich die EU überhaupt mit diesen Fragen?

Es geht da zunächst mal um Verbraucherschutz. Es geht darum, den Verbraucher zu bewahren vor Irreführung, vor falschen Versprechungen. Was gesagt wird in der Werbung, muss auch wahr sein. Das ist etwas, was man voll unterstützen kann. Natürlich. Wir alle wollen das. Der Verbraucher soll wissen, was ist denn in meinem Lebensmittel drin. Das Recht hat er. Dann geht es aber leider auch oft darum, dass man einen Sündenbock sucht für ein Problem, das in Europa existiert. Das Beispiel mit der Werberegulierung bei Lebensmitteln mit diesem Nährwert- und Gesundheitsbezug ist ein Gutes dafür. Denn der Anlass, überhaupt so ein Gesetz zu machen, war für den damaligen Kommissar der, dass er sagte, die Europäer werden immer dicker. Das ist ein Zustand, der ist nicht haltbar und schuld daran ist nur die Werbung. Die Werbung verleitet die Leute dazu, falsche Dinge zu kaufen und zu essen und deshalb müssen wir gegen diese Werbung vorgehen. Und das ist natürlich Unsinn. Die Dickleibigkeit hat mit Werbung am allerwenigsten zu tun, sondern mit unserem Lebenswandel. Das Beispiel Tabak hat gezeigt – da haben wir ja ein Werbeverbot – dass das eigentlich nichts bringt. In solchen Fällen bringt es meistens mehr, wenn man die Steuern erhöht, aber das ist Sache der Mitgliedsstaaten und nicht der europäischen Ebene.