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Online-Drogenmarkt boomt

Zulfikar abbany /bo31. Mai 2016

Jedes Jahr veröffentlicht die Europäische Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht ihren Statusbericht. Jetzt ist es wieder so weit. Und es gibt ein paar gute Neuigkeiten - allerdings nicht viele.

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Ein Mann raucht einen Cannabis Joint (Foto: Getty Images/AFP/F. Nascimbeni)
Bild: Getty Images/AFP/F. Nascimbeni

In seiner neuesten Studie verzeichnet die Europäische Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht (EMCDDA) einen kontinuierlichen Rückgang an HIV-Neudiagnosen unter Abhängigen, die sich Drogen spritzen. Im Jahr 2014 gab es 1236 neue HIV-Fälle - die niedrigste Zahl innerhalb der letzten zehn Jahre. Überhaupt hat die Zahl derer, die sich Drogen injizieren, in der Europäischen Union abgenommen.

Allerdings - und schon sind wir bei den schlechten Neuigkeiten - schreibt die EMCDDA auch, dass das Injizieren von Aufputschmitteln nach wie vor "Anlass zur Sorge" gibt. Fast die Hälfte aller Menschen, die sich im Jahr 2014 wegen Amphetaminsucht in Behandlung begaben, gaben Injizieren als häufigsten Verabreichungsweg an. Im Jahr zuvor waren es lediglich 18 Prozent, da wurde Amphetamin hauptsächlich geschnüffelt und geschluckt.

Das Spritzen von Drogen spielt auch eine zentrale Rolle bei der Ansteckung mit anderen Krankheiten, die wie HIV über Blut übertragen werden, beispielsweise Hepatitis C. Die meisten Neuinfektionen dieser Art verzeichnen Griechenland, Lettland, Estland und Schweden.

Kiffen und Koksen

Die häufigste illegale Droge in der EU ist nach wie vor Cannabis. 83,2 Millionen Menschen geben an, die Substanz irgendwann in ihrem Leben schon mal konsumiert zu haben.

Infografik: Schätzung Drogenkonsum in der EU

Auch Kokain und Amphetamine sind allgegenwärtig, ebenso eine wachsende Zahl von neuen psychoaktiven Substanzen, die regelmäßig akute Vergiftungen und sogar Todesfälle verursachen.

Die EMCDDA überwacht inzwischen über 560 solcher psychoaktiver Substanzen. Allein im Jahr 2015 sind 98 solcher Aufputschmittel zum ersten Mal aufgetaucht. Das ist nicht ungewöhnlich: Im Durchschnitt überschwemmen jedes Jahr mindestens 100 neue Substanzen den europäischen Markt.

Ecstasy kehrt zurück - online

Gleichzeitig leben alte Favoriten wieder auf. Die EMCDDA spricht von einer "Rückkehr des MDMA" bei jungen Menschen. Die chemische Verbindung ist unter dem Namen Ecstasy bekannt. Der erneute Vormarsch der Droge steht laut EMCDDA im Zusammenhang mit "neuen Methoden der Beschaffung von Drogenausgangsstoffen, neuen Herstellungsverfahren und dem Online-Angebot".

Ecstasy-Pillen (Foto: Getty Images/U.S. Customs/Newsmakers)
Die bunten Pillchen erleben ein ComebackBild: Getty Images/U.S. Customs/Newsmakers

Das zeige, dass die derzeitigen Maßnahmen zur Prävention und Schadensminierung "überdacht werden müssen", sagt Alexis Goosdeel, Direktor der EMCDDA. Die Rückkehr des MDMA sei "außerordentlich besorgniserregend, da MDMA in etabliertere soziale Milieus vordringt und zunehmend über Online-Märkte angeboten wird."

Sehr oft existieren solche Internet-Drogenmärkte im Darknet, dem Teil des Internets, das die meisten Internetnutzer nie zu Gesicht bekommen, weil normal konfigurierte Browser dort nicht hinkommen. Diese illegalen Märkte sind über das Tor-Netzwerk zugänglich, das Verbindungsdaten anonymisiert. Händler und Käufer nutzen gerne die digitale Währung Bitcoin.

Online-Drogenmärkte im Darknet machen es der EMCDDA und anderen Behörden ungeheuer schwer, solche illegalen Verkaufsaktivitäten zu beobachten und stillzulegen.

Für die kommende Woche hat die Europäische Kommission zu einem Expertentreffen gerufen: Sie will neue Taktiken diskutieren, um den Internetdrogenhandel einzudämmen.

Dimitris Avramopoulos, Europäischer Kommissar für Migration, Inneres und Bürgerschaft forderte die Behörden der EU-Mitgliedstaaten, die Internetunternehmen und die Zivilgesellschaft auf, "ihre Zusammenarbeit bei dieser globalen Herausforderung wesentlich zu verstärken."

Harte Konkurrenz im Online-Markt

Die Substanzen, die heutzutage unter dem Namen Ecstasy verkauft werden, sind teilweise wirksamer als ihre Vorgänger und daher noch gefährlicher - was allerdings nicht heißt, dass weniger reine Drogen weniger schädlich sind. Aktuelle Studien zu den Online-Drogenmärkten weisen darauf hin, dass die Qualität, also die Reinheit der Drogen, die online angeboten werden, höher ist, als das, was sich auf der Straße kaufen lässt.

Ironischerweise hat das damit zu tun, dass man eine Idee aus legalen Geschäftsmodellen übernommen hat: Genau wie bei den Internet-Kaufportalen Amazon und ebay betreiben Märkte im Darknet ein nutzerbasiertes Vertrauenssystem, bei dem Verkäufer und Kunden einander bewerten. Wenn das Produkt, also die Drogen eines Verkäufers nicht gut sind, verbreitet sich das Wissen darum schnell, und der Verkäufer steht bald ohne Kunden da.

Coffeeshops in Amsterdam/Niederlande (Foto: picture-alliance/dpa/S. Stache)
Amsterdams Coffeeshops bekommen Online-KonkurrenzBild: picture-alliance/dpa/S. Stache

Die EMCDDA überwacht die Nutzung von Drogen auch über Abwasseranalysen. Im Jahr 2015 untersuchte die Agentur das Abwasser mehrerer europäischer Städte. Die höchsten MDMA-Rückstände fand sie in Belgien und den Niederlanden.

"In den meisten Städten waren die MDMA-Frachten im Abwasser 2015 höher als 2011, wobei in einigen Städten ein drastischer Anstieg zu verzeichnen war", heißt es im Bericht. Diese Zunahme "könnte auf den erhöhten Reinheitsgrad des angebotenen MDMA oder eine zunehmende Verfügbarkeit und einen höheren Konsum dieser Droge zurückzuführen sein."

Infografik: Regionale Unterschiede bei der Nutzung von Stimulanzien

Beschlagnahmen europaweit

Es sieht so aus, als würde das meiste MDMA in Belgien und den Niederlanden konsumiert - am häufigsten konfisziert wird es aber in Rumänien und der Türkei. Statistiken zu Sicherstellungen zeigen, wo illegale Drogen hergestellt werden und wo sie nach Europa importiert werden.

Kokain beispielsweise stellten die Behörden hauptsächlich in West- und Südeuropa sicher. Im Jahr 2014 gab es etwa 78.000 Beschlagnahmen, die Hälfte davon in Spanien. Amphetamin hingegen fällt den Behörden vor allem in Nord- und Mitteleuropa in die Hände, und Methamphetamin - umgangssprachlich Crystal Meth genannt - in der tschechischen Republik, der Slowakei, Lettland und Litauen.