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Umstrittene Blue-Card

23. Oktober 2007

Die Europäische Kommission will eine "Blue Card" einführen, mit der hochqualifizierte Einwanderer in der EU vorübergehend arbeiten dürfen. Die Bundesregierung lehnt das Vorhaben ab.

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Ingenieur im Labor
Ausländische Ingenieure sollen in der EU den Fachkräftemangel behebenBild: picture-alliance/ dpa

Zehntausende hochqualifizierte Fachkräfte aus Dritt-Staaten sollen künftig mit einer "Bluecard" in die EU gelockt werden. Einen entsprechenden Vorschlag machte die EU-Kommission den Mitgliedstaaten am Dienstag (23.10.2007) in Straßburg. Die Länder sollen aber weiter bestimmen, welchen Bedarf sie haben und wie viele Bewerber sie zulassen. So sollen gezielt Lücken auf den jeweiligen Arbeitsmärkten - beispielsweise bei Ingenieuren - geschlossen, aber auch die illegale Einwanderung unter Kontrolle gebracht werden.

Bundesregierung übt scharfe Kritik

Die deutsche Bundesregierung hatte den Vorstoß der Kommission im Vorfeld scharf kritisiert. Wirtschaftsminister Michael Glos (CSU) betonte, man solle zunächst das Potenzial inländischer Arbeitskräfte und solcher aus dem EU-Ausland ausschöpfen. Auch Arbeitsminister Franz Müntefering (SPD) hatte die Initiative als voreilig bezeichnet.

Die Migrationsbeauftragte der Bundesregierung, Maria Böhmer (CDU), lehnt die "Bluecard" ebenfalls ab. Eine solch einheitliche Regelung sei "vor dem Hintergrund der sehr unterschiedlichen Voraussetzungen und Anforderungen in den einzelnen Mitgliedstaaten nicht sinnvoll", erklärte sie am Dienstag in Berlin. Spanien habe etwa einen großen Bedarf an Arbeitskräften für einfache Tätigkeiten, Deutschland brauche vor allem Hochqualifizierte. "Die Zuwanderungspolitik muss deshalb in den Händen der Mitgliedstaaten bleiben."

Franco Frattini, EU-Kommissar für Justiz und Inneres, Quelle: dpa
Will eine europäische Einwanderungspolitik: Franco Frattini, EU-Kommissar für Justiz und InneresBild: picture-alliance /dpa

EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso verteidigte die Pläne. "Europa ist ein Immigrationskontinent", sagte Barroso in Straßburg. Die EU müsse aber noch deutlich besser darin werden, hochqualifizierte Fachkräfte anzuwerben. "Diese Regelungen sollen den Mitgliedstaaten helfen, die Bedarf an qualifizierten Arbeitskräften haben", betonte EU-Justizkommissar Franco Frattini. Viele gut ausgebildete Kräfte gingen nach Australien, Kanada und in die USA, betonte er. Nach Europa kämen nur etwa fünf Prozent der wanderungswilligen Fachkräfte.

Europaparlament unterstützt Kommissionspläne

Das Europaparlament unterstützt das Vorhaben. Die EU solle allerdings gleichzeitig scharf gegen illegale Einwanderung vorgehen, hieß es in einer Entschließung am Dienstag. Die Bürger könnten nur Verständnis für eine legale Einwanderung haben, wenn illegale Einwanderer ausgewiesen würden, sagte der CSU-Abgeordnete Manfred Weber in der Debatte.

Die "Bluecard" ist zunächst auf zwei Jahre befristet, kann aber verlängert werden. Bewerber müssen eine anerkannte Qualifizierung, drei Jahre Berufserfahrung und ein Angebot für einen Arbeitsplatz haben. Und die Bezahlung muss mindestens drei Mal so hoch sein wie der gesetzliche Mindestlohn. Falls es - wie in Deutschland - keinen Mindestlohn gibt, muss das Gehalt mindestens drei Mal so hoch sein wie die Schwelle, unterhalb derer die Bürger des Landes Anspruch auf Sozialhilfe haben. Bewerber dürfen sich zunächst nur in einem Staat bewerben. Nach zwei Jahren erlaubt die "Bluecard" den Wechsel in ein anderes EU-Land.

165.000 Fachkräfte fehlen in Deutschland

Nach Statistiken des Instituts der deutschen Wirtschaft in Köln sind in Deutschland derzeit über 165.000 Stellen für Fachkräfte dauerhaft unbesetzt. Besonders Ingenieure, Computerspezialisten und Naturwissenschaftler werden gesucht. Die Verluste für die deutsche Wirtschaft belaufen sich Schätzungen zufolge auf rund 20 Milliarden Euro jährlich.

Die EU-Kommission will auch Vorschläge für die Einwanderung von Saisonarbeitern und nicht-qualifizierten Arbeitskräften vorlegen. Für diese größte Kategorie, die etwa 85 Prozent aller Einwanderer ausmacht, werde er im kommenden Jahr Vorschläge machen, die mit den Mitgliedsregierungen erörtert würden, sagte Frattini. (tos)

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