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EU sucht Ordnung für Balkanroute

Barbara Wesel 25. Oktober 2015

Es geht um Decken, Zelte und Polizisten. Und darum, dass die Länder auf der Balkanroute zusammenarbeiten, um den Flüchtlingsstrom zu verlangsamen. Man erwartet harte Auseinandersetzungen. Barbara Wesel aus Brüssel.

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Bundeskanzlerin Angela Merkel mit EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker (Foto: Reuters/E.Vidal)
Bild: Reuters/E.Vidal

Bei dem Krisentreffen sind fast alle da, die direkt betroffen sind: Die Staats- und Regierungschefs aus Österreich, Slowenien, Kroatien, Ungarn, Rumänien, Bulgarien und Griechenland. Aus Deutschland ist Bundeskanzlerin Angela Merkel angereist. Außerdem nehmen die Nicht-EU-Länder Mazedonien und Serbien an dem Treffen teil, die Spitzen der EU, sowie die Grenzschutzagentur Frontex, die Asylbehörde EASO und der Hohe Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen. Der Zustand der EU sei derzeit "nicht ausreichend, sondern mangelhaft", sagt EU-Parlamentschef Martin Schulz zur fehlenden Solidarität unter den Mitgliedsländern.

Forderung nach menschenwürdiger Behandlung der Flüchtlinge

Kanzlerin Merkel fordert Sofortmaßnahmen für die "herumirrenden Flüchtlinge, (…) Linderung ihrer Lage, vernünftiges Obdach, Warte- und Ruhemöglichkeiten". Man müsse hier endlich zu einer Aufgabenteilung kommen. Darüber hinaus will die deutsche Regierungschefin mit Hilfe des UNHCR sogenannte Registrierungszentren an der EU-Außengrenze in Griechenland errichten.

Die größte Bedeutung aber, sagt Merkel, habe für sie derzeit die "menschenwürdige Behandlung von Flüchtlingen". Der luxemburgische Ratspräsident Jean Asselborn fand klare Worte: "Vielleicht fällt der Groschen bei allen, in Griechenland und den Balkanländern". Mit nationalen Lösungen komme man nicht mehr weiter, die unwürdigen Bilder von der Behandlung der Flüchtlinge müssten aufhören.

Manche hatten dazu schon vorab ihre Pflöcke eingeschlagen: Der griechische Migrationsminister stellte fest, sein Land wolle keinesfalls ein riesiges Flüchtlingslager werden. Die Regierung in Athen weiß genau, dass sie hier in Brüssel gefordert wird: Bisher hatte sie in einer Mischung aus bürokratischer Unfähigkeit und politisch bösem Willen einfach nichts getan. Die Flüchtlinge werden konsequent weiter nach Norden geschoben.

"Die Politik des Durchleitens muss beendet werden", sagt dazu der EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker. Er hat einen 16 Punkte-Plan vorgelegt, mit dem er alle Länder endlich zur Zusammenarbeit verpflichten will.

Flüchtlinge an der Grenze zwischen Österreich und Slowenien (Foto: Reuters/L. Foeger)
Weitergeschoben von einem Land zum anderen - Flüchtlinge an der Grenze zwischen Österreich und SlowenienBild: Reuters/L. Foeger

Alle zeigen mit dem Finger auf die Nachbarn

Jean-Claude Juncker will "geordnete Verfahren und Verhältnisse an der Balkanroute", wo slowenisches Militär Flüchtlinge ohne Verpflegung auf nacktem Boden einpfercht und kroatische Polizisten Menschen in schlammigen Feldern oder an Grenzflüssen aussetzen. Aber Kroatiens Regierungschef Zoran Milanovic lehnte den Entwurf aus Brüssel gleich ab: Sein Land wolle keine zusätzlichen Verpflichtungen, er will auch keine Lager oder sogenannte Transitzonen. "Wir sind die Vierten in der Kette: Wenn die anderen die Flüchtlinge nicht mehr zu uns schieben", habe man keine Probleme mehr. Sonst seien das heute nur "nette Sonntagsgespräche".

Ungarns Regierungschef Orban wiederum bezeichnete sich als reinen Beobachter, weil Ungarn nicht mehr auf der Flüchtlingsroute liege: Er hoffe, dass an diesem Sonntag die Politik der offenen Grenzen und die Politik der Einladung enden werde. Einmal mehr ein Nadelstich gegen Angela Merkel. Der slowenische Premier Miro Cerar wiederum nennt die Situation unerträglich: 60.000 Flüchtlinge in 10 Tagen seien in seinem kleinen Land eingetroffen. Das gehe so nicht weiter, die Außengrenzen müssten endlich geschützt werden.

Insgesamt ist die Stimmung am Boden: Es sei schon ein Erfolg, wenn bei dem Krisentreffen der kroatische und der slowenische Ministerpräsident zusammen auf einem Familienfoto erscheinen, scherzte ein Insider. Der niederländische Premier Mark Rutte wiederum meldete sich aus Den Haag und beklagte, dass man den osteuropäischen Staaten viel geholfen habe und dafür jetzt in der Flüchtlingskrise wenig Solidarität bekomme.

Die Verbitterung ist umfassend und reicht bis nach Berlin - die Bundeskanzlerin hatte nach dem letzten Gipfeltreffen vor zwei Wochen offen ihre Irritation über einige osteuropäische Staaten gezeigt.

Decken, Zelte und Polizisten

Zunächst geht es um praktische Lösungen: Wie kann man verhindern, dass bei immer kälteren Temperaturen erste Todesopfer von der Balkanroute gemeldet werden? Woher bekommt man schnell genug Zelte, Decken und Verpflegung? Wer kann zusätzliche Polizisten entsenden?

Und vor allem: Wie kann man die Länder verpflichten, sich abzusprechen und den Zustrom so zu steuern, dass sich jeder auf eine feste Zahl von Neuankömmlingen pro Tag einrichten kann? Informationsaustausch heißt eine der wichtigsten Forderungen und Registrierung dort, wo die Flüchtlinge zuerst europäischen Boden betreten.

Dazu gehört auch die Trennung in diejenigen, die wohl Schutz erhalten werden - meist Syrer - und andere, die schnell in ihre Heimat zurückgeschickt werden sollen. Sie müssten dann allerdings in bewachten, grenznahen Lagern untergebracht werden und die will eben keiner auf seinem Boden haben. Deutschland will darauf dringen, dass die EU ein Rückführungsabkommen mit Afghanistan abschließt: Afghanen stellen inzwischen die zweitgrößte Gruppe der Flüchtlinge, doch nur die Hälfte von ihnen erhält Asyl.

Grenzschutz verbessern

Über einen besseren Schutz der Außengrenzen ist seit dem Sommer mindestens schon zehnmal geredet worden. Erfolge gibt es bislang keine. Aber der Druck aus den Aufnahmeländern steigt: Deutschland und Schweden wollen dringend eine Lösung. Dazu soll auch Griechenland mit der Türkei zusammenarbeiten, was Athen bislang ablehnt.

Viktor Orban aus Ungarn bot einmal mehr an, man könne ja kommen und den Griechen helfen. Eine Offerte, die in Athen eher keine Freude auslöst. Auch wenn der griechische Premier sich hier kooperationsbereit gibt und verspricht, bis Dezember würden fünf neue Registrierungszentren auf griechischem Boden fertig sein.