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EU-Parlament kippt Designschutz

12. Dezember 2007

Sichtbare Ersatzteile, etwa an Autos und Elektrogeräten, sollen demnächst kopiert und verkauft werden dürfen. Die Autobauer sind dagegen. Im kommenden Jahr muss der Ministerrat über die Parlamentsvorlage entscheiden.

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Frontansicht eines Oldtimers (Quelle: AP)
Motorhaube und Windschutzscheibe bald vom Billiganbieter?Bild: AP

Reparaturen von Blechschäden am Auto sollen nach dem Willen des Europäischen Parlaments in einigen Jahren deutlich billiger werden. Die Abgeordneten stimmten am Mittwoch (12.12.2007) in Straßburg in erster Lesung dafür, dass Autohersteller ihr Monopol für sichtbare Ersatzteile wie Kotflügel, Windschutzscheiben und Motorhauben verlieren. In dem Richtlinienentwurf fordern die Abgeordneten aber zugleich eine fünfjährige Übergangsfrist für Deutschland und andere EU-Staaten, die den sogenannten Designschutz noch gewähren. Ziel der "Reparaturklausel" ist es, dem Verbraucher bei einer Reparatur die Wahl zwischen einem Originalteil des Autobauers oder dem möglicherweise billigeren Ersatzteil eines Zulieferers zu gewähren. Nach der ersten Lesung geht die Vorlage nun an den Ministerrat.

Nach Auffassung der Bundesregierung würde eine Liberalisierung aber dem Urheberrechtsschutz zuwiderlaufen. Auch Frankreich, Schweden, Tschechien, die Slowakei und Rumänien sind nach Angaben aus Diplomatenkreisen gegen eine Änderung der EU-Designschutzrichtlinie. Der Rat, das Entscheidungsgremium der EU-Staaten, sei in dieser Frage gespalten. Dass es tatsächlich zu einer europaweiten Liberalisierung kommt, ist daher unwahrscheinlich.

Mehr Arbeitsplätze – weniger Kosten

Mit der ersten Lesung wolle das Parlament nun Bewegung in die festgefahrenen Positionen bringen, erläuterte der Berichterstatter, der CDU-Abgeordnete Klaus-Heiner Lehne. Die fünfjährige Übergangsfrist solle es dem Rat erleichtern, nun zügig zu einem Ergebnis zu kommen. Lehne geht davon aus, dass sich der Rat nun bewegen wird – zumal dieser mit einer Klage von Ersatzteilherstellern vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg rechnen muss. "Der EuGH würde sehr wahrscheinlich den Klägern Recht geben."

Logos von Autoherstellern (Quelle: DW)
Die Autohersteller sind gegen die Aufgabe des Designschutzes

Über die Aufgabe des Designschutzes für sichtbare Ersatzteile wird in der EU bereits seit 17 Jahren gestritten. Weil sich die Mitgliedsländer nicht einigen konnten, wurde dieses Thema aus früheren EU-Richtlinien zum Musterschutz ausgeklammert. Dabei seien vor allem die Interessen der Automobilkonzerne geschützt worden – auf Kosten der Verbraucher, kritisierte die deutsche Grüne Heide Rühle. Eine Aufgabe des Monopols werde neben sinkenden Reparaturkosten auch Arbeitsplätze bei Ersatzteil-Herstellern schaffen. In neun EU-Ländern unterliegt der Ersatzteile-Markt bereits dem freien Wettbewerb, darunter Großbritannien, Italien, Spanien, Belgien und Irland.

Billig-Konkurrenz wird bereits toleriert

Zurzeit ist der Nachbau von Karosserieteilen in Deutschland nicht erlaubt, da die Rechte am Design bei den Automobilherstellern liegen. In der Praxis tolerieren diese die preiswerte Konkurrenz zwar, doch in Einzelfällen kann es durchaus zu Problemen kommen. Der Gesamtverband Autoteile-Handel (GVA) fordert daher endgültige Rechtssicherheit und begrüßt die Empfehlung des Rechtsausschusses als Schritt zur Liberalisierung des Kfz-Teilemarktes, kritisiert aber die geplante Übergangsfrist. Der ADAC fordert die Automobilindustrie auf, den freien Ersatzteilhandel weiterhin nicht zu behindern, auch wenn eine Frist verabschiedet wird.

Mechaniker in Werkstatt steht neben geöffneter Motorhaube eines Autos (Quelle: Bilderbox)
Die Entscheidung des Parlaments könnte Reparaturkosten senken helfenBild: Bilderbox

Der Designschutz betrifft nur sichtbare Ersatzteile. Grundsätzlich gilt die Richtlinie auch für Haushaltsgeräte, de facto ist aber vor allem die Autoindustrie betroffen. Verbraucherverbände und Autoclubs erhoffen sich von der Aufgabe des Monopols sinkende Reparaturkosten. Einer Studie des Instituts für Wirtschaftspolitik an der Universität Köln zufolge könnten die Preise für Ersatzteile um sechs bis zehn Prozent sinken. Autobauer warnten hingegen vor steigenden Preisen für Neuwagen und einer Arbeitsplatzverlagerung in Billiglohnländer. (rri)