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EU kritisiert Rumänien

Keno Verseck31. Januar 2013

Die Justiz stehe in Rumänien immer noch unter Druck, bemängelt der aktuelle Fortschrittsbericht der EU. Der Kampf gegen die Korruption müsse konsequent fortgesetzt werden. Nicht alle sind daran interessiert.

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Flaggen von Rumänien und der Europäischen Union in Bukarest (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Dan Voiculescu ist zu einem Symbol der Korruption in Rumänien geworden: Einst beschaffte er für den Diktator Nicolae Ceauşescu Devisen. Nebenbei schrieb er unter dem Decknamen "Felix" für den Geheimdienst Securitate Spitzelberichte über Kollegen und Verwandte. Nach dem Ende der Diktatur stieg er zu einem der reichsten Rumänen auf: Unter anderem als Herrscher über das Medienimperium Intact mit den einflussreichen Antena-Fernsehsendern. Außerdem ist der 66-Jährige Ehrenvorsitzender der "Konservativen Partei" (PC), einer Splitterorganisation, die noch nie aus eigener Kraft, sondern immer nur im Schlepptau anderer Parteien ins Parlament kam.

Wegen der dubiosen Herkunft seines Milliardenvermögens wurde schon öfter gegen Voiculescu ermittelt. Seit längerem steht auch ein Prozess wegen eines mutmaßlich betrügerischen Grundstücksgeschäftes an, an dem er Millionen verdient haben soll. Doch "Felix" verzögert den Beginn des Prozesses durch ein Ping-Pong-Spiel mit der Justiz: Abgeordnete dürfen nur vor ein spezielles Gericht gestellt werden – den Obersten Kassations- und Justizgerichtshof (ÎCCJ). Beenden sie ihr Mandat, ist automatisch ein herkömmliches Gericht zuständig. Dieses Hin und Her kostet Zeit. Voiculescu nutzt es, um eine Verjährung der Vorwürfe zu erreichen. Mal wird er Abgeordneter, dann tritt er wieder zurück. So geschehen zum wiederholten Mal am vergangenen Sonntag: Er verzichtete auf sein Senatsmandat, damit der für den 31. Januar anberaumte Prozess gegen ihn vor ein anderes Gericht kommt.

Sorge um Unabhängigkeit der Justiz

Das Problem der Korruption ist ein roter Faden, der sich durch den am Mittwoch (30. Januar) in Brüssel veröffentlichten EU-Bericht zur Situation des Rechtsstaates in Rumänien zieht. Nach dem EU-Beitritt 2007 sind Rumänien und Bulgarien immer noch einem regelmäßigen Überprüfungsmechanismus unterworfen.

Im Vergleich zum vergangenen Sommer, als Rumänien in einer Staatskrise steckte, stellt die EU-Kommission nun immerhin "einige rechtsstaatliche Fortschritte" fest. Allerdings habe Rumänien in diesem Bereich noch viel zu tun, nicht alle der damals genannten zehn Punkte seien erfüllt worden. Im Sommer 2012 hatten Vertreter der EU noch "putschähnliche Vorgänge" im Land angeprangert. Die Regierung unter dem sozialdemokratischen Premier Victor Ponta hatte versucht, den konservativen Präsidenten Traian Băsescu aus dem Amt zu entfernen, doch das Referendum zur Absetzung des Staatschefs scheiterte an der zu geringen Wahlbeteiligung. Verfassungsrichter hatten damals über massiven Druck durch Vertreter der Regierung geklagt. 

Porträt des rumänischen Präsidenten Traian Basescu (Foto:AP/dapd)
Staatschef Traian BăsescuBild: dapd

Im aktuellen EU-Bericht wird auch betont, dass der Kampf gegen die Korruption konsequent fortgesetzt werden müsse. Unter anderem kritisiert Brüssel, dass in der amtierenden Regierung in Bukarest Minister sind, die unter Korruptionsverdacht stehen. Außerdem kritisiert der Bericht ein kürzlich verabschiedetes Gesetz, das die Immunität von Parlamentariern stärkt und ihre Strafverfolgung erschwert.

Vor allem aber äußert der Bericht Besorgnis über die Unabhängigkeit der Justiz und anderer rechtsstaatlicher Institutionen. Politiker und Medien würden immer wieder Institutionen wie das Verfassungsgericht, den Obersten Kassationsgerichtshof, die Nationale Agentur für Integrität oder deren Mitglieder angreifen. Der Bericht nennt zwar keine Namen von Medien, doch es ist sehr wahrscheinlich, dass Voiculescus Intact-Konzern gemeint ist: Denn vor allem der Fernsehsender Antena 3, der zu Intact gehört, führt seit langem eine Rufmord-Kampagne gegen Richter und Staatsanwälte, die den Interessen von Voiculescu im Wege stehen. So wurden beispielsweise der Chef der Agentur für Integrität, Horia Georgescu, und seine Familie von Antena-Journalisten mit Alkoholismus- und Drogenmissbrauchsvorwürfen regelrecht terrorisiert.

Kritik am EU-Bericht aus Bukarest

Auch einen aktuellen Konflikt um den Obersten Rat der Magistratur erwähnt der Bericht mit Besorgnis. Der Rat ist eine Art Parlament des Justizwesens mit weitreichenden Befugnissen, etwa bei der Ernennung von hohen Justizbeamten oder beim Kampf gegen die Korruption. Derzeit tobt in dem Gremium ein Macht- und Postenkampf zwischen mehreren Lagern, von denen eines deutlich regierungsfreundlich gesinnt ist.

Rumäniens Premier Victor Ponta kritisierte seinerseits den Bericht: Er beklagte, dass die EU seine Regierung vor dessen Veröffentlichung nicht konsultiert habe, außerdem gebe es Ungenauigkeiten im EU-Bericht. Doch selbst einige Beobachter, die keine grundsätzlich negative Haltung gegenüber der Ponta-Regierung haben - wie der rumänische Politologe Cristian Pârvulescu -  widersprechen dieser Kritik: "Der Bericht ist moderat kritisch und ausgewogen", lautet seine Einschätzung.

Porträt des rumänischen Premiers Victor Ponta(Foto: AP/dapd)
Der rumänische Premier Victor PontaBild: dapd

Auch die Juristin und Antikorruptionsexpertin Laura Ştefan nennt als wichtigste Punkte des Berichts die Brüsseler Kritik an den Kampagnen bestimmter Medien gegen Beamte des Justizwesens und die Kritik an der neuen Gesetzgebung über die Immunität für Parlamentarier. Insgesamt, so Laura Ştefan, werde die rumänische Regierungsmehrheit bis zum nächsten Bericht am Jahresende eine Menge tun müssen, um den Rechtsstaat zu festigen.