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Türkei ist empört

29. November 2006

Die EU-Kommission will die Beitrittsverhandlungen mit der Türkei bei einigen Themen aussetzen. Grund dafür ist das Zypernproblem. Der türkische Ministerpräsident Erdogan kritisierte die Empfehlung als inakzeptabel.

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Türkische und EU-Flagge wehen nebeneinander in Istanbul
Vor allem die Zypern-Frage spaltet die EU und die TürkeiBild: AP
EU Türkei Olli Rehn in Brüssel
EU-Kommissar Rehn will das Tempo verlangsamenBild: AP

Die EU-Behörde empfahl am Mittwoch in Brüssel, Verhandlungen in 8 der 35 Themenbereichen wie Landwirtschaft, Fischerei oder freier Warenverkehr gar nicht erst zu beginnen. Ausverhandelte Themen sollten nicht förmlich abgeschlossen werden, sagte EU-Erweiterungskommissar Olli Rehn. "Das bedeutet nicht, dass wir das Verfahren einfrieren. Es wird verlangsamt. Der Zug kann weiterhin fahren", fügte er hinzu. Die EU-Kommission begründete ihre Entscheidung mit der anhaltenden Weigerung der Türkei, deren Häfen und Flughäfen für Schiffe und Flugzeuge des EU-Mitglieds Zypern zu öffnen. Aus den Verhandlungen ausgenommen wurden deshalb alle Kapitel, "die eine Verbindung mit den Handelsbeschränkungen gegenüber Zypern haben".

"Ein starkes Signal"

Der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan reagierte auf diese Ankündigung mit Empörung: Eine solche Entscheidung sei "inakzeptabel", sagte Erdogan nach Angaben des privaten Senders NTV. Einer seiner Berater, Egemen Bagis, sagte dem Sender: "Wir werden niemanden gestatten, auf unseren Rechten herumzutrampeln."

Unterstützung bekam die EU-Kommission von Bundeskanzlerin Angela Merkel und vom dänischen Ministerpräsidenten Anders Fogh Rasmussen. Rasmussen erklärte auf dem NATO-Gipfel in Riga, "meiner Meinung nach hat die Türkei ihre Verpflichtungen nicht erfüllt. Das muss natürlich Konsequenzen haben."

Bundeskanzlerin Angela Merkel auf dem NATO-Gipfel in Riga
Bundeskanzlerin Angela Merkel auf dem NATO-Gipfel in RigaBild: AP

Merkel betonte: Die Entscheidung der EU-Kommission, Druck auf Ankara auszuüben, sei "ein starkes Signal". Es sei wünschenswert, dass die Mitgliedstaaten nach einer Zeit von 18 Monaten überprüfen könnten, wie die Verhandlungen voranschritten. Denkbar sei, dass der Europäische Rat in etwa 18 Monaten über die Fortschritte des Beitrittskandidaten berate, schlug die Kanzlerin vor. Sie forderte die Türkei auf, das so genannte Ankara-Protokoll zur Ausweitung der Zollunion mit der EU auf Zypern umzusetzen.

Im Ankara-Protokoll wird die Zollunion der EU auf jene zehn neuen EU-Mitglieder ausgeweitet, die am 1. Mai 2004 der Union beitraten. Zu diesen Mitgliedern gehört auch Zypern, dessen Nordteil nach wie vor von türkischen Soldaten besetzt und international nicht anerkannt ist. Die Türkei hat das Zusatzprotokoll, das die EU zur Bedingung für die Aufnahme der Beitrittsverhandlungen gemacht hatte, Ende Juli 2005 unterzeichnet, bisher aber nicht ratifiziert.

Eine Woche früher

Die Empfehlung der EU-Kommission kommt rund eine Woche früher als geplant. Diplomaten erklärten in Brüssel, die EU-Kommission habe nicht den Eindruck, dass sich die Türkei in dieser Frage noch bewegen werde. Ankara hatte am Montag einen von der EU vorgeschlagenen Kompromiss abgelehnt. EU-Erweiterungskommissar Olli Rehn ist aber gegen eine völlige Aussetzung der Verhandlungen. "Der Zug wird langsamer fahren, aber nicht anhalten", erklärte Rehn kürzlich.

Ähnlich wie Rehn äußerten sich am Mittwoch in Riga auch der britische Premierminister Tony Blair und der spanische Ministerpräsident Jose Luis Rodriguez Zapatero. Blair erklärte, es wäre "ein schwerer Fehler", der Türkei jetzt ein negatives Signal zu senden. Und Zapatero forderte, es müsse intensiv daran gearbeitet werden, dass die Tür zur EU für Ankara offen bleibe.

Kompromiss in letzter Minute?

Der Empfehlung der EU-Kommission ungeachtet wird der finnische Ministerpräsident Matti Vanhanen am Freitag noch einmal in die Türkei reisen, um die Möglichkeiten für einen Kompromiss in letzter Minute auszuloten. Finnland hat die Ratspräsidentschaft in der EU inne und war zuletzt am Montag beim EU-Mittelmeertreffen in Tampere mit seinen Vermittlungsbemühungen gescheitert.

Am 11. Dezember werden die EU-Außenminister über die Empfehlung der EU-Kommission beraten. Die endgültige Entscheidung, ob die Beitrittsverhandlungen mit Ankara fortgesetzt werden sollten und in welchem Umfang, liegt dann beim Brüsseler EU-Gipfel, der am 14. und 15. Dezember zusammenkommt. (ana)