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EU-Beschluss in Weißrussland umstritten

Galina Petrowskaja / Markian Ostaptschuk14. Oktober 2015

Die Aussetzung der EU-Sanktionen gegen Minsk sorgt in Weißrussland für Diskussionen. Manche sehen eine Chance zum Dialog mit Brüssel. Andere fürchten, Zugeständnisse der EU könnten das Lukaschenko-Regime stärken.

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Belarus Wahlen 2015
Bild: Reuters/V. Fedosenko

Alles andere als frei und fair war in den Augen der Opposition die Wiederwahl von Staatschef Alexander Lukaschenko. Doch die EU-Außenminister haben am Montag nach der unblutig verlaufenen Wahl entschieden, die gegen Minsk bestehenden Sanktionen ab November zunächst für vier Monate auszusetzen. Diese Nachricht sorgt in Weißrussland sowohl für Zustimmung als auch für Enttäuschung.

Gegen Lukaschenko und rund 175 Vertraute gelten derzeit noch Reise- und Vermögenssperren. Der seit 21 Jahren autoritär regierende Lukaschenko wurde am Sonntag mit einem Rekordergebnis von über 80 Prozent für eine fünfte Amtszeit gewählt. Bekannte Oppositionsführer waren zur Wahl erst gar nicht zugelassen. Nach der Präsidentschaftswahl vor fünf Jahren waren Regierungsgegner aus Protest gegen das Ergebnis auf die Straße gegangen. Lukaschenko hatte die Proteste damals brutal niederschlagen lassen.

Eine neue Chance für Minsk?

Die ehemalige Präsidentschaftskandidatin von der zivilgesellschaftlichen Bewegung "Sag die Wahrheit", Tatjana Korotkewitsch, meint, die EU komme Weißrussland entgegen, indem sie die Sanktionen aussetze. "Das ist ein Vertrauensvorschuss und eine Chance für das Land, die Beziehungen zu Brüssel zu normalisieren", sagte sie der Deutschen Welle.

Tatjana Korotkewitsch (Foto: DW)
Tatjana Korotkewitsch trat bei der Präsidentschaftswahl am Sonntag gegen Lukaschenko anBild: DW/E. Danejko

Korotkewitsch hofft, dass die Aussetzung der Sanktionen nicht dazu führt, dass Lukaschenkos Herrschaft noch gefestigt wird. Doch gerade darauf könnte Minsk setzen, warnt die Politikerin. Sie hofft, dass nach der Aussetzung der Sanktionen die Zusammenarbeit mit der EU verstärkt und so in Weißrussland ein friedlicher Wandel sowie ein Reformprozess eingeleitet wird. "Daher ist es wichtig, dass die EU-Politiker sowohl mit der Staatsmacht als auch mit den Vertretern der demokratischen Gemeinschaft Kontakt pflegen", betont Korotkewitsch.

Politische Gegner auf freiem Fuß

Eine der wichtigsten Voraussetzungen für die Aussetzung der Sanktionen sei die Freilassung politischer Häftlinge im August dieses Jahres gewesen, glaubt Alexander Milinkewitsch. "Auf diesen Schritt der belarussischen Führung musste die EU mit einer Aussetzung der Sanktionen reagieren, wenn nun schrittweise ein Dialog zwischen Minsk und Brüssel in Gang kommen soll", betonte der Vorsitzende der Bewegung "Für Freiheit" im Gespräch mit der DW.

Alexander Milinkewitsch (Foto: DW)
Alexander Milinkewitsch war Präsidentschaftskandidat der Opposition im Jahr 2006Bild: DW/A.Smirnov

Dem Oppositionspolitiker zufolge besteht heute die Gefahr, dass Weißrussland aufgrund seiner starken wirtschaftlichen Abhängigkeit von Russland seine Souveränität verliert. Deswegen könne das Land ohne Hilfe der EU und ohne Reformen nicht überleben, so Milinkewitsch.

Kritik an der EU-Entscheidung

Der ehemalige politische Gefangene Nikolai Statkewitsch hält hingegen die Aussetzung der EU-Sanktionen für ein "schlechtes Signal". Der Vorsitzende der oppositionellen weißrussischen sozialdemokratischen Partei "Narodnaja Hramada" findet, die EU mache Zugeständnisse und akzeptiere Lukaschenkos Bedingungen. "Es gab Wahlbetrug, die Stimmenauszählung war undurchsichtig, wovon sich die internationalen Beobachter überzeugt haben", sagte er der DW.

Um die Beziehungen zwischen Brüssel und Minsk zu normalisieren, genüge es nicht, politische Häftlinge freizulassen und einen friedvollen Urnengang zu organisieren. "Die weißrussische Führung hat die von der EU gestellten Bedingungen für die Wiederaufnahme einer vollwertigen Zusammenarbeit nicht erfüllt", so Statkewitsch. Die Bürgerrechte der ehemaligen politischen Gefangenen würden weiterhin eingeschränkt, und die Abstimmung am Sonntag sei nur deswegen ohne Repressionen verlaufen, weil es zu Lukaschenko keinen Gegenkandidaten gegeben habe, den die Staatsmacht hätte fürchten müssen.

Nikolai Statkewitsch (Foto: Sergei Grits/AP/dapd)
Nikolai Statkewitsch kam 2011 wegen der Teilnahme an einer Oppositionsdemo ins GefängnisBild: dapd

Die EU-Sanktionen gegen weißrussische Staatsvertreter seien eine moralische Geste gewesen, mit der der Kampf der Opposition für Demokratie unterstützt worden sei, sagte Statkewitsch. "Nun spielen westliche Politiker mit dem Regime. Das enttäuscht die weißrussische Gesellschaft. Sie verliert ihre Orientierung", warnt der Oppositionelle. Er glaubt nicht, dass Lukaschenko zu Reformen bereit ist. "Russland füttert ihn einfach nicht mehr so wie früher. Deswegen hofft er jetzt auf Geld aus dem Westen", betonte Statkewitsch.