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Neue Russland-Strategie gesucht

Barbara Wesel17. November 2014

Die EU will keine schärferen Sanktionen, sondern neue Gespräche mit Moskau. Gleichzeitig soll die Regierung in Kiew versprochene Reformen auf den Weg bringen. Barbara Wesel berichtet aus Brüssel.

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Der deutsche und der britische Außenminister Frank-Walter Steinmeier und Philip Hammond (Foto: Olivier Hoslet/EPA)
Bild: picture-alliance/epa/O. Hoslet

Wer gedacht hatte, nach den harten Worten gegenüber Wladimir Putin beim G20-Treffen in Australien würden nun auch die EU-Außenminister schärfere Töne in punkto Ukraine anschlagen, sieht sich getäuscht. Im Gegenteil: Europas neue Chefdiplomatin Federica Mogherini sprach gleich zum Auftakt des Treffens in Brüssel von einem mehrgleisigen Ansatz. Zwar solle über Sanktionen beraten werden. Darüber hinaus müsse man aber auch diskutieren, wie der Dialog mit der Regierung in Moskau wieder belebt werden könne. Es ist das erste Ministertreffen, dem die Italienerin vorsitzt. Nach der Amtsführung ihrer Vorgängerin Catherine Ashton, die vielfach als matt und wenig präsent beschrieben wurde, sind die Erwartungen an Mogherini hoch.

Sanfte Töne in Richtung Moskau

Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn gab gleich am Morgen die Gangart für die Gespräche mit seinen Kollegen vor: "Russland ist ein großes, wichtiges Land, das Respekt verdient." Es habe keinen Sinn, die Spirale immer weiter zu drehen und schließlich in einer Konfrontation zu enden, die nicht wieder gut zu machen sei. Das ist Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier erkennbar aus der Seele gesprochen: Er hatte schon am Wochenende angekündigt, dass es nicht um eine Verschärfung der Wirtschaftssanktionen gehen solle, sondern nur um eine Erweiterung der Liste von Personen, die mit Kontensperrungen und Reiseverboten belegt werden. Und auf die sollen ausschließlich einige Namen von ostukrainischen Rebellenführern gesetzt werden. Die EU reagiert also ausgesprochen vorsichtig auf das offensive Verhalten Russlands in den vergangenen eineinhalb Wochen in der Ostukraine. "Die Lage hat sich zugespitzt", räumt Steinmeier ein. "Wir müssen sehr aufpassen, dass sie uns nicht aus der Kontrolle gerät."

Dem deutschen Außenminister scheint es vor allem um eine Dämpfung des zugespitzten Tonfalls in der Auseinandersetzung zwischen beiden Seiten zu gehen: Die europäischen Diplomaten müssten auch auf ihre Sprache in der Öffentlichkeit achten. Steinmeier fügte ernüchternd hinzu: "Wir haben keine andere Möglichkeit als zu sehen, ob wir zur Deeskalation beitragen können." Dafür sucht er auch nach neuen Rahmen für Gespräche: Vielleicht könne man die Vertreter der neugegründeten eurasischen Wirtschaftsunion und der EU zusammen bringen, um ein Forum für gemeinsame Wirtschaftsgespräche zu schaffen. Ziel der Europäer müsse es jedenfalls sein, eine erneute Spirale der Gewalt in der Ukraine zu verhindern.

Der ukrainische Außenminister Pavlo Klimkin und EU-Chefdiplomatin Federica Mogherini (Foto: Eric Vidal/Reuters)
Der ukrainische Außenminister Klimkin (li.) und EU-Chefdiplomatin MogheriniBild: Reuters/E. Vidal

Ukraine soll Reformen umsetzen

Gleichzeitig will die EU auch ihre Forderungen an die Regierung in Kiew durchsetzen: Es geht um die politische und ökonomische Stabilisierung der Ukraine. Diese Aufgabe ist für die Europäer mit Milliarden-Kosten verbunden. Jetzt soll ein Pakt für Wachstum und interne Reformen dafür sorgen, dass das Geld nicht in den laufenden Ausgaben des ukrainischen Staathaushaltes verschwindet.

"Für die EU ist die wirtschaftliche Unterstützung mit Erwartungen an die Ukraine verbunden", erinnert Bundesaußenminister Steinmeier. Aber wie vielversprechend ist der Versuch, die Regierung Poroschenko zu Aufbau und Reformen zu drängen, während im Osten des Landes weiter die Kämpfe toben? "Das ist die entscheidende Frage", sagt Jan Techau vom Institut Carnegie Europe. Der Machthebel des Westens bestehe nicht in den Sanktionen, sondern darin, den Rest der Ukraine zu stabilisieren und zum Erfolg zu bringen. Deshalb übe man Druck auf die Regierung in Kiew aus, jetzt ernsthaft damit anzufangen und signalisiere die Bereitschaft, dabei zu helfen.

"Wie realistisch das ist, darüber streiten sich die Geister", erläutert Techau: "Einige halten das Land für grundsätzlich ruiniert, andere sagen, dass es geht, aber man braucht mindestens 15 bis 20 Jahre. Also wird das der entscheidende Faktor sein", sagt der Sicherheitsexperte, "ob der Westen in diesem Reformprozess in der Ukraine am Ball bleibt." Der russische Präsident spekuliere darauf, dass das Pendel in Richtung pro-russischer Machthaber zurückschlage. Dann hätten alle verloren: Das ukrainische Volk, Poroschenko und auch der Westen.

Jan Techau, Carnegie-Stiftung für internationalen Frieden in Brüssel (Foto: DW)
Sicherheits- und Militärexperte Jan TechauBild: DW/B. Riegert