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"Ertüchtigung" für die Kurden

Sven Pöhle11. Dezember 2014

Deutsche Soldaten sollen kurdische Kämpfer für den Kampf gegen die Milizen des "Islamischen Staats" ausbilden. Ein Erfolgsgarant sind derartige Ausbildungsmissionen aber nicht.

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Ausbildung kurdischer Soldaten in Hammelburg 02.10.2014 (Foto: REUTERS/Wolfgang Rattay)
Bild: Reuters/Wolfgang Rattay

"Wir müssen die Terrormiliz militärisch bezwingen" - gegenüber der "Bild"-Zeitung fand Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) zuletzt deutliche Worte für den Kampf gegen den "Islamischen Staat"(IS). Ihren Teil will die Bundesregierung nun dazu beitragen, indem sie den Bundeswehreinsatz im Nordirak zur Unterstützung der Kurden ausweitet.

Etwa 100 Soldaten sollen sich nach Angaben des Verteidigungsministeriums um die Ausbildung der Peschmerga-Kämpfer im Autonomiegebiet der irakischen Kurden kümmern. Nach Informationen von "Spiegel Online" sollen bereits Anfang 2015 mehrere Dutzend Soldaten kurdische Kämpfer in Erbil ausbilden - unter anderem an Geräten zur Suche von Minen und deren Entschärfung.

Die geplante Ausbildungsmission soll im Rahmen einer internationalen Allianz gegen den IS koordiniert werden, sagte ein Sprecher des Verteidigungsministeriums. Deutschland unterstützt die kurdischen Peschmerga-Verbände bereits. Die Bundeswehr lieferte im Herbst Hilfsgüter, Waffen und weitere militärische Ausrüstung. Bundeswehrsoldaten wiesen Peschmerga-Kämpfer in Erbil und in Deutschland in deren Bedienung ein.

Trainings- und Ausrüstungshilfe als strategisches Konzept

Die Bundesregierung setzt mit der geplanten umfassenderen Ausbildungsmission auf ein erprobtes Instrument zur internationalen Krisenbewältigung: die sogenannte Ertüchtigung. Hilfe zur Selbsthilfe steht hinter dem Begriff, auch militärisch. Ob in Afghanistan, Somalia, Mali oder demnächst im Irak - die jeweiligen Sicherheitskräfte sollen dazu befähigt werden, aus eigener Kraft für Sicherheit und Frieden im eigenen Land zu sorgen.

Ein Transportflugzeug der Bundeswehr wird am 16.08.2014 in Erbil (Irak) auf dem Flughafen entladen (Foto: Axel Heimken/dpa)
Neben Hilfsgütern lieferte die Bundeswehr auch Waffen und Ausrüstung in den NordirakBild: picture-alliance/dpa

Zu Jahresbeginn waren sich prominente Minister und auch der Bundespräsident einig, dass Deutschland international mehr Verantwortung übernehmen müsse - außenpolitisch, aber auch militärisch. Die Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) beschreibt in einem neuen Papier die deutsche Position: Deutschland will mehr außenpolitische Verantwortung übernehmen, möglichst aber nicht direkt militärisch aktiv werden. Mit Blick auf die deutsche Interessenlage liegen Ausbildungsmissionen daher nahe, auch weil direkte Kampfeinsätze der Bundeswehr innenpolitisch deutlich schwerer zu verkaufen sind. Bereits die Lieferung von Waffen an die Peschmerga hatte für eine sicherheitspolitische Debatte gesorgt.

Eine Ausbildungsmission könne ein sinnvoller Beitrag zur Stabilisierung der Lage sein, sagt auch die verteidigungspolitische Sprecherin der Grünen, Agnieszka Brugger. Bei der Frage, wen man ausrüste oder ausbilde, müsse man aber "sehr sorgfältig abwägen, wie groß die Gefahr ist, dass Wissen oder Waffen in einem Sinne eingesetzt werden, der Konflikte verschärft", warnt Brugger. Der Fokus bei der Ertüchtigung liege zudem zu sehr auf dem Militärischen. Politisch fehle es der Bundesregierung im Irak an Ideen und Konzepten.

Auch das SWP-Papier kommt zu dem Ergebnis, dass "bewaffnen und befähigen" nicht direkt befrieden bedeuten muss: "Ein Mehr an Finanzmitteln, Training und Gerät allein kann unter Umständen nicht nur unwirksam, sondern mittelfristig auch kontraproduktiv sein und die Gewährleistung von Sicherheit gefährden." In Mali seien beispielsweise 2013 von den USA ausgebildete Soldaten zu islamistischen Gruppen übergelaufen und hätten gegen die gewählte Regierung gekämpft. Auch im Irak kämpfen zahlreiche Ex-Soldaten auf Seiten des IS.

Ursula von der Leyen begutachten die Ausbildung kurdischer Kämpfer in Deutschland (Foto: REUTERS/Wolfgang Rattay)
Ursula von der Leyen begutachtet die Ausbildung kurdischer Kämpfer in DeutschlandBild: Reuters/Wolfgang Rattay

Kujat: "Da muss man wirklich auch bereit sein zu helfen"

Eine Alternative zur Hilfe für die kurdischen Kämpfer im Nordirak sieht Ex-Bundeswehrgeneral Harald Kujat nicht: "Wir befinden uns entscheidungsmäßig in einer Notlage. Da kann man nicht einfach zur Seite schauen, sondern muss auch bereit sein, zu helfen", so Kujat im Gespräch mit der DW. "Diejengen, die im Augenblick in der Lage sind, wirklich etwas gegen den IS zu unternehmen, sind die Peschmerga - wenn man nicht selbst Bodentruppen schicken will und das will ja offensichtlich keiner." Die Bundesregierung sei nun aber in der Pflicht, die mit dem Einsatz verbundenen rechtlichen Fragen zu klären.

Dies will das Kabinett voraussichtlich bis Mitte nächster Woche bewältigen. Laut Regierungssprecher Steffen Seibert soll die Ministerrunde den Ausbildungseinsatz am kommenden Mittwoch beschließen. Danach soll der Bundestag über die Entsendung abstimmen.