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Erster internationaler Runder Tisch zu Tschetschenien beim Europarat

24. März 2005

Der Europarat will einen Weg zum Frieden in Tschetschenien finden: Dazu trafen sich in Straßburg Vertreter von russischer und tschetschenischer Regierungsseite sowie russischer Hilfsorganisationen an einem Runden Tisch.

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Straßburg als Vermittler

Der Schock über den Tod des früheren Präsidenten Aslan Maschadow sitzt noch immer tief in Tschetschenien. Und er überschattet den Runden Tisch zum Tschetschenien-Konflikt, zu dem der Europarat am Montag (21.3.) nach Straßburg eingeladen hat. Es ist der erste dieser Art mit internationaler Beteiligung und er soll eine Annäherung zwischen den Konflikt-Parteien bringen sowie einen politischen Prozess jenseits von blanker Gewalt anstoßen. Denn noch immer herrscht Krieg in der Region, noch immer sind Tausende Menschen Flüchtlinge.

Die Menschen leben in ständiger Angst

Die Situation habe sich keineswegs verbessert, sagt Lidia Jusupowa von der Hilfsorganisation Memorial in Grosny: "Die Menschen sagen, wie mit dem Toten umgegangen wird ist eine Beleidigung des tschetschenischen Volkes. Und praktisch leben wir hier weiter in ständiger Angst. Die Leute sagen, dass jedem von uns das passieren könne, was sie mit Maschadow gemacht haben."

Es sei zu befürchten, dass der Tod den Falken im Kreml zuarbeitet und diejenigen geschwächt worden sind, die Verhandlungen wollen, sagt Rudolf Bindig Bundestagsabgeordneter und Mitglied des Europarates. So sei es schon ein Erfolg, dass sich überhaupt 60 Vertreter verschiedener Hilfsorganisationen, der russischen Seite und der russlandtreue tschetschenische Präsident Alu Alchanow unter Vermittlung des Europarates an einen Tisch setzten.

Nationalisten sind nicht beteiligt

Das Treffen habe aber auch ein großes Manko, so Bindig: "Die Russen haben darauf gedrängt, dass keine Leute teilnehmen, von denen sie sagen, dass sie ungesetzmäßige Gewalt gebrauchen. Der Tisch wäre nicht zustande gekommen, wenn man gesagt hätte, man nimmt ohne Bedingungen alle mit an den Tisch. Ich selbst neige dazu, dass es nötig ist, auch die tschetschenisch-nationalistischen Kräfte hinzuzuziehen, das war in der ersten Runde nicht möglich. Vielleicht kann man eine Lösung finden, sie als spezielle Gäste für einige Beiträge hinzuziehen. Aber das muss erst beraten werden."

Den zarten Faden aufnehmen

Doch man hat Grund skeptisch zu sein, denn vor allem die russische Seite verbindet mit den tschetschenischen Rebellen internationalen Terrorismus. Und offiziell ist für Russland der Konflikt längst beendet. Das Land hat mit Alu Alchanow einen gewählten Präsidenten - wenn auch von Putins Gnaden. Er war Ende August 2004 ins Amt gehoben worden, nachdem Achmed Kadyrow, der vorherige russlandtreue Präsident bei einem Bomben-Anschlag ums Leben kam.

Für Russland sind die Probleme in Tschetschenien vor allem wirtschaftlicher und sozialer Natur. Und diese Sichtweise behindert womöglich wirkliche Ergebnisse, so Bindig: "Deshalb sollte man nicht zu hohe Erwartungen an den Runden Tisch haben. Aber angesichts der Tatsache, dass es unter internationaler Beteiligung keine andere Form gibt, wo man über Tschetschenien beraten kann, soll man diesen zarten Faden aufnehmen und überlegen ob man ihn weiterentwickeln kann zu einem wirksamen Instrument, auf die Probleme der Region Einfluss zu nehmen und sei es nur mäßigend in der Form, dass nicht ständig neue Menschenrechtsverletzungen begangen werden, sowohl von einigen terroristisch Tätigen als auch von den russischen Sicherheitskräfte in Tschetschenien."

Skepsis bei "Memorial"

Auch die russische Menschenrechtsorganisation Memorial sieht das Treffen eher skeptisch. Denn kritische Nichtregierungsorganisationen wurden kaum eingeladen. Lediglich drei Vertreter ihrer Organisation dürften in Straßburg mitdiskutieren, so Lidia Jusupowa von Memorial in Grosny: "Ich denke nicht, dass sich damit viel ändert und viel passiert. Und so denkt auch die Masse der Bevölkerung. Es gibt so viele Parlamentssitzungen und Resolutionen des EU Parlaments und der Europäischen Union. Die Leute verstehen das alles, sie sind sehr politisiert und sagen, was sollen all die Diskussionen. Das nützt nur irgendjemandem, der sein Image verbessern will."

Christiane Hoffmann
DW-RADIO, 21.3.2005, Fokus Ost-Südost