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Erste Strafmaßnahmen gegen Gaddafi-Clan

26. Februar 2011

Die USA haben Sanktionen gegen die libysche Führung verhängt. Die EU und die Vereinten Nationen planen ebenfalls Strafmaßnahmen. Im Land selbst rücken die Aufständischen immer weiter vor.

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US-Präsident Obama und Aussenministerin Clinton in Washington (Foto: AP)
Obama hatte lange geschwiegen - jetzt ordnete er Sanktionen gegen Libyen anBild: AP

Kaum hatte der letzte US-Bürger Tripolis verlassen, ordnete Präsident Barack Obama Sanktionen gegen Libyen an. Das Vermögen von Staatschef Muammar al Gaddafi sowie von vier seiner Kinder wurde in der Nacht zum Samstag (26.02.2011) mit sofortiger Wirkung eingefroren. Die anhaltende Gewalt stelle eine "außerordentliche Bedrohung" für die nationale Sicherheit und für die außenpolitischen Interessen Amerikas dar, begründete Obama den Schritt. Das Regime von Gaddafi habe "Menschenrechte missachtet, brutale Gewalt gegen das eigene Volk ausgeübt und ungeheuerliche Drohungen ausgesprochen", sagte Obama. Es bestehe ernst zu nehmende Gefahr, dass libysche Staatsgelder von Gaddafi, von seiner Regierung oder von Mitgliedern seiner Familie missbraucht würden. Unmittelbar von den Sanktionen betroffen sind nach Angaben des US-Finanzministeriums neben dem Staatschef selbst die drei Gaddafi-Söhne Saif al Islam, Khamis und Muatassim sowie seine Tochter Aischa.

Sicherheit der US-Bürger stand im Vordergrund

Platz vor dem Flughafen in Tripolis mit bepackten Flüchtlingen (Foto: AP)
Chaos am Flughafen in TripolisBild: AP

Wie das Weiße Haus mitteilte, zögerte Obama die Bekanntgabe der Sanktionen bis zuletzt hinaus, um nicht die Sicherheit der letzten noch in Libyen verbliebenen US-Bürger zu gefährden. Es sei befürchtet worden, dass Gaddafi sich andernfalls an ihnen hätte rächen können. Am Freitagabend wurde dann die amerikanische Botschaft geschlossen und das verbleibende Personal mit einer Chartermaschine ausgeflogen. Unterdessen traf mit dreitägiger Verspätung eine Fähre mit 338 Amerikanern sowie Bürgern anderer westlicher Staaten in Malta ein. Die "Maria Dolores" hatte wegen rauer See zunächst zwei Tage im Hafen von Tripolis warten müssen.

Die EU verständigte sich derweil auf Einreiseverbote und die Sperrung von Konten des libyschen Herrscher-Clans. Geplant ist zudem ein Exportverbot für Waffen und andere Güter, die eingesetzt werden könnten, um die Proteste im Land zu unterdrücken. Formal sollen die Strafmaßnahmen Anfang kommender Woche beschlossen werden. Erforderlich ist, dass alle 27 EU-Mitgliedsstaaten zustimmen.

UN-Sicherheitsrat will zusammenkommen

Plenum des UN-Sicherheitsrates (Foto: dpa)
Der UN-Sicherheitsrat will durch Sanktionen der Gewalt in Libyen ein Ende setzenBild: picture-alliance/dpa

Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen will bereits an diesem Samstag in einer Sondersitzung über eine Resolution beraten, in der Sanktionen gegen Libyen festgesetzt werden sollen. Mit dieser Entscheidung folgte das Gremium am Freitag (Ortszeit) einem eindringlichen Appell von UN-Generalsekretär Ban Ki Moon.

Die USA, Großbritannien, Frankreich und Deutschland haben einen Entwurf ausgearbeitet, der unter anderem ein Waffenembargo, Reiseverbote und das Einfrieren von Vermögen des engeren Kreises um Gaddafi vorsieht. Außerdem soll die Untersuchung des gewaltsamen Vorgehens libyscher Sicherheitskräfte gegen Demonstranten durch den Internationalen Strafgerichtshof verlangt werden.

Die Resolution solle der Gewalt in Libyen ein Ende bereiten und "die gegenwärtige Krise friedlich lösen", sagte die brasilianische UN-Botschafterin Maria Luiza Ribeiro Viotti im Namen der 15 Ratsmitglieder in New York. Darüber hinaus solle sie dafür sorgen, dass die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen würden und der Wille des libyschen Volkes respektiert werde.

Libyens UN-Botschafter distanziert sich von Gaddafi

Libyens UN-Botschafter Abdulraman Shalgham vor dem UN-Sicherheitsrat (Foto: AP)
Den Tränen nah: Libyens UN-Botschafter Abdulraman Shalgham vor dem UN-SicherheitsratBild: AP

In einer Krisensitzung hatte Ban Ki Moon dem Rat Druck gemacht. Unter den derzeitigen dramatischen Umständen "bedeutet vergeudete Zeit höhere Verluste an Menschenleben", sagte Ban.

In einem emotionalen Appell bat auch der libysche UN-Botschafter Abdulraman Shalgham um Sanktionen, "damit das Blutvergießen in unserem Land aufhört". Shalgham hatte bis vor kurzem als einer der engsten Vertrauten von Gaddafi gegolten. Bei seiner Rede vor dem höchsten UN-Gremium war er den Tränen nahe. Er spreche nicht mehr für Gaddafi, sondern nur noch für das libysche Volk, stellte er später vor Journalisten klar.

Lage weiter angespannt

Die Regierungsgegner konnten offenbar ihre Kontrolle über den Osten des Landes weiter ausbauen. Nur in der Stadt Misrata soll es zuletzt noch bewaffnete Auseinandersetzungen zwischen Gegnern und Anhängern von Gaddafi gegeben haben. Ansonsten ist die Lage unklar. Die Truppen des Staatschefs haben nach unbestätigten Angaben neben der Hauptstadt Tripolis noch in den Städte Gadames, Sebha und Gaddafis Heimatstadt Sirte die Oberhand. Augenzeugen berichten, in Tripolis sei es derzeit weitgehend ruhig, nachdem es am Freitagabend gewaltsame Zusammenstöße gegeben habe.

Gaddafis Sohn: Saif al-Islam(Foto: AP)
Gaddafis Sohn: Saif al-IslamBild: dapd

Widersprüchlich sind die Ankündigungen von Gaddafis Sohn Saif al-Islam. Er sprach von einer Aussetzung der Angriffe auf die Regimegegner und kündigte Verhandlungen an. Gleichzeitig drohte er aber zur Wiederherstellung der staatlichen Kontrolle im Osten des Landes mit einer Offensive der Armee.

Erst am Freitag hatte Gaddafi seine Anhänger in der Hauptstadt Tripolis aufgefordert, den Kampf gegen die Aufständischen fortzusetzen. "Macht euch bereit zum Kampf für Libyen! Macht euch bereit zum Kampf ums Öl!", rief der 68-Jährige der Menschenmenge zu.

In der im Staatsfernsehen direkt übertragenen Ansprache zeigte Gaddafi sich auf einer Mauer am Grünen Platz. Wenn nötig, werde er die Waffenkammern öffnen, um alle Stämme zu bewaffnen, drohte er wild gestikulierend. "Wir können jeden Feind zermalmen." Seine Führung werde auch jeden Umsturzversuch aus dem Ausland niederschlagen.

Autor: Thomas Grimmer, Annamaria Sigrist (dpa, dapd, rtr)
Redaktion: Martin Schrader