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Chemiewaffen-Zerstörung vorerst im Plan

Andreas Gorzewski1. November 2013

Die Vernichtung der syrischen Chemiewaffen verläuft bislang reibungslos. Die Hauptarbeit steht aber noch bevor. Sie kann weiter an einer Eskalation der Kämpfe oder einem möglichen Kurswechsel des Regimes scheitern.

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Chemiewaffen-Inspektoren nehmen in Syrien Proben (Foto: AFP)
Bild: picture alliance/AP Photo

Seit Syriens Präsident Baschar al-Assad in die Vernichtung seiner Chemiewaffen einwilligte, hat er sich als kooperativer Partner gezeigt. Bislang hat sein Regime, das sich sonst wenig um internationale Appelle kümmert, alle Vorgaben zur Aufdeckung und Zerstörung seiner Waffenanlagen eingehalten. Kurz vor Ablauf der entsprechenden Frist am 1. November 2013 vermeldete die Organisation für das Chemiewaffenverbot (OPCW), dass alle Produktionsstätten zerstört seien. "Die Anlagen zur Herstellung und zur Zusammensetzung von Chemiewaffen und zur Befüllung der Munition wurden neutralisiert", betont OPCW-Sprecher Christian Chartier. Sämtliches Gerät, das zum Funktionieren der 41 registrierten Anlagen an 23 Standorten nötig war, sei nun unbrauchbar.

Dabei gingen die Waffenkontrolleure auch brachial vor, schildert Chartier im DW-Gespräch. Die Installationen wurden mit Hämmern zerschlagen, Rohre wurden durchgesägt und Mauern mit Bulldozern eingerissen. "Das war keine Operation, für die man ausgefeilte Technologie braucht", kommentiert der Sprecher.

Noch sind die Chemiewaffen vorhanden

Damit ist aber nur die erste Phase der chemischen Entwaffnung abgeschlossen. Die syrische Regierung kann laut der in Den Haag ansässigen Organisation keine neuen C-Waffen mehr produzieren. Die bisherigen Bestände sind aber noch vorhanden. Bis Juni 2014 sollen die schätzungsweise tausend Tonnen Chemikalien und 290 Tonnen fertige Chemiewaffen unschädlich gemacht werden.

Bis dahin gibt es noch offene Fragen. So gibt es keine abschließende Garantie, dass wirklich alle Produktions- und Lagerstätten des Assad-Regimes erfasst wurden. Die syrische Opposition behauptet, dass die Regierung Giftgas und Anlagen zur Herstellung von C-Waffen heimlich in den Libanon geschafft habe.

Ein UN-Fahrzeug fährt im Okrober 2013 in Damaskus an einem Plakat von Baschar al-Assad vorbei (Foto: AFP)
Syriens Präsident Assad arbeitet bislang mit den Waffenkontrolleuren zusammenBild: Getty Images/AFP

Verdacht gegen Rebellen

Solche Angaben lassen sich ebenso schwer überprüfen wie Hinweise, dass auch Regimegegner chemische Kampfstoffe eingesetzt haben. Ende Oktober wies die oppositionelle "Nationale Syrische Koalition" russische Angaben zurück, nach denen Rebellen im syrischen Kurdengebiet Chemiewaffen eingesetzt haben sollen. Widerstandskämpfer und syrische Regierung werfen sich gegenseitig vor, am 21. August 2013 bei Damaskus den Kampfstoff Sarin eingesetzt zu haben. Damals waren nach Oppositionsangaben 1300 Menschen getötet worden.

Die USA machen die Regierung in Damaskus dafür verantwortlich. Die internationale Empörung über den Angriff führte schließlich zur UN-Resolution 2118, die Syrien zur Vernichtung seines umfangreichen C-Waffenprogramms verpflichtet. Der Resolutionstext schließt auch die Widerstandskämpfer ein. Die Erklärung verlangt ausdrücklich, dass keine Seite solches Kriegsgerät horten oder einsetzen darf.

Der Züricher Professor für strategische Studien, Albert Stahel, geht davon aus, dass die Rebellen C-Waffen besitzen. Er bezieht sich dafür auf Fotografien von Boden-Boden-Raketen, mit denen die Kampfstoffe abgefeuert werden. Die besondere Art dieser Waffen lege nahe, dass sie von den Rebellen stammten, erklärt der Schweizer.

Die OPCW will solche Berichte und Mutmaßungen nicht kommentieren. Sprecher Chartier betont aber: "Dies ist ein Prozess, der alle syrischen Parteien umfasst und der darauf abzielt, eine umfassende Sicherheit für die syrische Bevölkerung zu erreichen."

Assads Kooperation muss nicht von Dauer sein

Ob dieses Ziel erreicht wird, hängt von mehreren Faktoren ab. Dabei spielt die Bereitschaft der Assad-Regierung zur Zusammenarbeit eine wichtige Rolle. Bislang ist die OPCW mit der Kooperation zufrieden. Ob die Waffenkontrolleure weiterhin völlig ungehindert arbeiten können, bleibt jedoch abzuwarten. Der Syrien-Experte der britischen Sicherheits-Denkfabrik Royal United Services Institute (RUSI), Joshi Shashank, hält es für möglich, dass Assad seine Kooperation später einstellt.

Ein Oppositionskämpfer läuft am 12.9.2013 durch Deir al-Sor. (Foto: AFP)
Dort wo gekämpft wird, können die Inspektoren ihre Arbeit nicht machenBild: Getty Images

Darüber hinaus kann auch die Lage auf dem Schlachtfeld die bis 2014 vorgesehene Vernichtung der Bestände behindern. Zwar sind die bekannten Depots in Gebieten unter Regierungskontrolle, aber das muss nicht so bleiben. Die OPCW-Inspektoren konnten bereits in der nun abgeschlossenen Phase der Zerstörung der Produktionsanlagen nicht alle bekannten 23 Standorte unter die Lupe nehmen. Zwei Orte mussten sie auslassen, weil in der Region gekämpft wurde. Assad habe aber glaubhaft machen können, dass Anlagen und Material von dort an die überprüften Orte gebracht wurden, betont OPCW-Sprecher Chartier.

Die Gefechte bei einer dieser beiden Lagerstätten konnten Assads Truppen mittlerweile offenbar für sich entscheiden. Die Londoner Beobachtungsstelle für Menschenrechte in Syrien teilte am Freitag (01.11.2013) mit, dass Regierungstruppen die Stadt Safira in der Nähe eines Depots eingenommen haben. Aber auch andernorts können Gefechte den aufwändigen Abtransport dutzender Tonnen hochgefährlicher Stoffe unmöglich machen. "Die Inspektoren könnten in späteren Phasen Probleme bekommen, wenn größere Konvois in diese Anlagen hinein- oder herauskommen müssen", meint Shashank. Außerdem besteht die Gefahr, dass Kampfstoffe in die Hände von radikalen Gruppen geraten, die sich nicht um UN-Resolutionen scheren.