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Erste Erfahrungen

31. Juli 2002

An so manches muss man sich erst einmal gewöhnen: Vorgesetzte und Kollegen verhalten sich anders als im Heimatland. Gebrochenes Deutsch oder fließendes Englisch: Was kommt besser an? Und was, bitte, ist ein Betriebsrat?

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New and old Economy: SiemensBild: AP

In vielen deutschen Unternehmen kommt man heute auch ohne Deutschkenntnisse ganz gut zurecht. Beispiel Siemens. Sabine Metzner, Konzernsprecherin bei dem deutschen Industrieunternehmen: „Unsere Firmensprache ist Englisch, insofern ist es kein Problem und oft sogar ausreichend. Wenn der Mitarbeiter allerdings Kundenkontakte haben soll, müsste er schon Deutsch lernen, wir helfen ihm aber dabei“.

„Do you speak English?“

Viele Greencard-Inhaber arbeiten jedoch in kleineren mittelständischen Firmen – hier könnte es durchaus Schwierigkeiten mit der Sprache geben, meint Jan Wulfetange, Referent für Gesellschafsrecht beim Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI). „Dort wird natürlich auch Englisch gesprochen, aber nicht nur“. Deshalb sei es nachteilig, wenn die neue Fachkraft nur Englisch könne. In Großunternehmen hingegen wird auch nach Wulfetanges Einschätzung durchweg Englisch gesprochen, „auf jeden Fall im Bereich der Führungskräfte, auch auf der zweiten und dritten Führungsebene.“

Integration oft kein Problem

Bei Siemens arbeiteten im Sommer 2001 450 Menschen mit einer Greencard. Integrationsprobleme seien ihr bisher keine bekannt, sagt Siemens-Sprecherin Metzner.

„Integration dauert bei jemandem, der zum Beispiel aus Asien kommt, länger. Aber das Feedback, das ich aus den Abteilungen bekommen habe, ist, dass die „Greencardler“ hochmotiviert sind.“

Das Zusammenarbeiten in dem Konzern werde auch dadurch erleichtert, dass die Firmenkultur positiv verändert worden sei, „wir sind jünger und dynamischer geworden. Man darf nicht alle Abteilungen über einen Kamm scheren - es gibt nicht das Unternehmen Siemens, jede Abteilung arbeitet und lebt anders,“ aber es gebe durchaus Bereiche, wo es extrem locker zu gehe, sich alle duzen und die Arbeitszeiten sehr flexibel seien.

„Flache Hierarchien, einen lockeren Umgang miteinander und Großraumbüros, wo man sich sieht und zusammen arbeitet.“ Für Elke Siedhoff, Pressereferentin beim Bundesverband Informationswirtschaft Telekommunikation und neue Medien (BITKOM) sind das die Punkte, die dazu beitragen, dass Greencard-Inhaber sich schnell bei kleineren Firmen zurechtfinden.

Die größte deutsche Interessenvertretung für Unternehmen im Informations- und Telekommunikationsbereich hat bisher fast nur Positives von ihren Mitgliedern gehört, wenn es um die Integration von ausländischen IT-Kräften ging. Viele seien aber auch schon in Deutschland ausgebildet worden, und würden die Firmen bereits kennen, bevor sie die Green Card erhielten.

Arbeitsrecht für Greencard-Inhaber

Eine Eigenart der deutschen Arbeitswelt stößt bei den meisten Greencard-Inhaber erst einmal auf Verwunderung: die Mitbestimmung, also die Beteiligung von Arbeitnehmer-Vertretern an Entscheidungen im Unternehmen. Dieses System ist außerhalb Europas so gut wie unbekannt. Jan Wulfetange vom BDI: „Dass der Betriebsrat bei Einstellungen und Kündigungen oder bei Qualifikation und Ausbildung gefragt wird, oder dass es überhaupt eine Arbeitnehmervertretung gibt, die sich um die Belange der Mitarbeiter kümmern, ist für viele völlig neu.“

Wichtig für den Erfolg in dem neuen Unternehmen ist aber nicht nur die Integration am Arbeitsplatz. Bettina Karsten arbeitet in Personalabteilung bei Ericsson in Düsseldorf: „Wer überlegt, in ein anderes Land zu ziehen, um dort zu arbeiten, sollte sich zu allererst fragen: Was will ich dort? Am besten ist, sich so gut wie möglich über das Land zu informieren.“

Auch der Partner muss über Greencard entscheiden

Und auf jeden Fall sollten Partner und Familie in die Überlegungen mit einbezogen werden. „Es bin ja nicht nur ich, der sich auf eine neue Umgebung einstellen muss.“ Für viele Partner, die mit nach Deutschland kämen, sei die Umstellung noch schlimmer, denn sie dürfen erst einmal nicht arbeiten. Auch für Kinder sei es schwierig, sich auf die neue Sprache und Umgebung einzustellen. „Wenn der Partner, meine Familie in Deutschland nicht zufrieden ist oder sich auch nach einer Zeit nicht zurechtfindet, gibt es automatisch Schwierigkeiten“. Falls es möglich ist, empfiehlt Karsten, vor einer Entscheidung zu Besuch nach Deutschland zu kommen.