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Nachwuchspreis für Forschung zu Morbus Crohn

Gudrun Heise
23. Mai 2019

Chronisch-entzündliche Darmerkrankungen wie Morbus Crohn kommen in Schüben. Gedächtnis-T-Zellen spielen dabei eine wichtige Rolle. An ihnen forscht Sebastian Zundler – Preisträger des Ernst Jung-Karriere-Förderpreises.

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Forschung Sebastian Zundler
In den Darm eingewanderte Zellen (grün) und Gefäße (rot) - Aufnahme mit Lichtblattfluoreszenz-Mikroskop Bild: 1993-2015, Bitplane AG

Morbus Crohn und Colitis ulcerosa sind chronisch-entzündliche Darmerkrankungen. Das Immunsystem im Darm wird fehlerhaft aktiviert und zerstört das Darmgewebe.

Meist kommt es dabei zu Blutungen aus dem Darm. Die Patienten haben starke Schmerzen. Für die Betroffenen ist es eine Qual.

Beide Krankheiten kommen in Schüben. Diese werden dann von Phasen abgelöst, in denen die Krankheitssymptome nachlassen. Diese Phasen dauern unterschiedlich lange an. Über 400.000 Menschen leiden allein in Deutschland unter diesen Erkrankungen.

Forschungsziele

Der Preisträger des Ernst Jung-Karriere-Förderpreises 2019, Sebastian Zundler, forscht intensiv an den beiden Erkrankungen und daran, wie die Schübe entstehen. Dabei richtet er sein Augenmerk besonders auf die sogenannten gewebsansässigen Gedächtnis-T-Zellen – kurz TRM-Zellen. TRM steht für "tissue resident memory" bzw. "geweberesistentes Gedächtnis". 

Wenn ein Virus unseren Körper befällt, versucht das Immunsystem, dieses Virus zu bekämpfen. Das führt dazu, dass ein immunologisches Gedächtnis entsteht. "Spezielle T-Zellen, also Immunzellen unseres Körpers, bleiben zurück. Sie erinnern sich an dieses Virus. Im Fall einer erneuten Infektion erzeugen sie sehr schnell eine Immunantwort", beschreibt der 30-jährige Gastroenterologe die Funktion der Gedächtnis-T-Zellen. Sie liegen nah an der Oberfläche und bleiben dauerhaft im Gewebe.  

Mehr dazu: Morbus Crohn – Chronische Schmerzen und keine Heilung

Sebastian Zundler, Preisträger des Ernst Jung-Karriere-Förderpreises 2019
Sebastian Zundler - Preisträger des Ernst Jung-Karriere-Förderpreises 2019Bild: Sebastian Zundler

Wie entstehen Schübe?

Noch ist nicht klar, wie die Schübe bei Morbus Crohn und Colitis ulcerosa entstehen. Aber die Forscher wissen, dass die TRM-Zellen mit anderen Immunzellen kommunizieren und beispielsweise deren Einwanderung und Entwicklung in einem frühen Stadium der Entzündung steuern. "Das stellt einen potentiellen Ansatzpunkt für zukünftige therapeutische Entwicklungen dar", sagt der Forscher.

Die Schübe setzen einen Auslöser – eine sogenannte Entzündungsinduktion - voraus. "Es wird gewissermaßen ein Schalter umgelegt. Das führt dazu, dass entzündliche Vorgänge anlaufen. Wir glauben, dass diese gewebsansässigen T-Gedächtniszellen ein Teil des Schalters sind", erklärt Zundler.

"Wir müssen Möglichkeiten entwickeln, diese TRM-Zellen zu kontrollieren. So können wir hoffentlich verhindern, dass der Schalter überhaupt erst umgelegt wird und erreichen, dass eine Entzündung gar nicht erst entsteht", fasst Zundler zusammen. Es sei natürlich immer das Ziel, so früh wie möglich einzugreifen und so den Ausbruch der Erkrankung zu verhindern. 

Mehr dazu: Erdbeeren als Medizin für den Darm

Morbus Crohn
Morbus Crohn ist eine chronisch-entzündliche DarmerkrankungBild: picture-alliance/dpa/J. Mangler

Auch andere Erkrankungen besser verstehen 

Die Forscher sind sich sicher, dass die TRM-Zellen nicht nur bei chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen eine Rolle spielen, sondern auch bei anderen Immunerkrankungen. "Einer der nächsten Schritte wird sein, dass wir uns Arthritis genauer anschauen. Sie ist als Begleiterscheinung von chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen von Bedeutung, aber natürlich auch als eigenständige Krankheit", erklärt Zundler.

"Wir wollen den Blick über die chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen hinaus wagen." All das setzt voraus, dass die Forscher die molekularen Zielstrukturen identifizieren, um die Erkenntnisse für zukünftige Therapien zu nutzen. 

Doppelte Herausforderung

Aber Zundlers Herz gilt nicht nur der Forschung. Er paktiziert auch mit Leib und Seele als Arzt. Das sei unglaublich spannend und interessant, sagt der Preisträger.

"Die beiden Bereiche befruchten sich gegenseitig. Die Tätigkeit in der Klinik sorgt dafür, dass mir viele klinische Probleme deutlich bewusster werden," sagt Zundler. "Ich habe einen Patienten vor Augen, für den unsere Forschung möglicherweise eines Tages hilfreich sein kann. Meine Untersuchungen im Labor hingegen sorgen dafür, dass ich das ein oder andere vielleicht anders interpretiere und andere Lösungsansätze habe." Der Förderpreis ist 210.000 Euro wert, die der Preisträger in seine Forschung stecken muss. Damit unterstützt die Ernst Jung-Stiftung das Projekt des jungen Forschers, das sich mit den TRM-Zellen beschäftigt. 

Was hat der Auslandsaufenthalt gebracht?

Zundler ist Assistenzarzt und Arbeitsgruppenleiter an der medizinischen Klinik I des Universitätsklinikums Erlangen. Von 2017 bis 2018 arbeitete er am Sanquin Forschungsinstitut Amsterdam. Damit hatte er auch die Voraussetzungen für den Ernst Jung-Karriere-Förderpreis erfüllt. Der will junge Forscher, die einige Zeit im Ausland verbracht haben, zurück nach Deutschland holen.

Zundler sieht seinen Aufenthalt in den Niederlanden als eindeutigen Gewinn. "Der Aufenthalt hat mich natürlich inhaltlich bei diesem Projekt enorm nach vorne gebracht. Es hat auch dazu geführt, dass mir jetzt ein ganz anderes Netzwerk zur Verfügung steht. Ich kann mich mit Experten kurzzuschließen, Dinge auf dem kurzen Dienstweg erledigen," sagt der Nachwuchsforscher. "Es gibt die Möglichkeit, bei bestimmten Fragestellungen die Kräfte zu bündeln. Ich weiß, woran andere gerade forschen und auch, was andere über meine Forschungsergebnisse denken."

Die Verantwortlichen bei der Ernst Jung-Stiftung bewerteten Zundlers Arbeit offenbar als sehr gut. Für Zundler ist die hohe medizinische Auszeichnung Ansporn und Motivation. "Mein wissenschaftlicher Traum ist ganz klar: Meine Forschung soll Patienten zugutekommen. Sie soll dazu beitragen, dass Patienten effektiver, mit weniger Nebenwirkungen und mit besseren Medikamenten behandelt werden können," sagt er. "Selbst wenn es nur ein Patient wäre, der davon profitieren könnte, dann hätte es sich schon gelohnt."