1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Gewalt in Ägypten

15. Mai 2011

Nach dem politischen Umbruch und dem Rückzug des ehemaligen Machthabers Husni Mubarak war wieder Ruhe in Ägypten eingekehrt - zumindest scheinbar. Die Gewalt kehrt zurück: dieses Mal zwischen Christen und Muslimen.

https://p.dw.com/p/11GID
Ägyptische Kopten bei einer Demonstration (Foto: picture-alliance/dpa)
Kopten fordern mehr religiöse Toleranz einBild: dapd

78 Menschen sollen bei den Zusammenstößen zwischen Kopten und Christen in der Nacht zum Sonntag (15.05.2011) verletzt worden sein. Immer wieder eskaliert in Ägypten die Situation zwischen beiden Religionsgruppen. Der Fernsehsender Al-Dschasira berichtete, dass sich eine Menge von Leuten vor dem Gebäude des staatlichen ägyptischen Fernsehsenders versammelt hatte. Seit Tagen campieren koptische Christen vor dem Gebäude in Kairo.

Dort hatten sich auch viele Jugendliche aus der Nachbarschaft Straßenschlachten geliefert. Als die Gruppe mit Molotowcocktails warf, sollen dabei mindestens zehn Autos in Flammen aufgegangen sein. Die Polizei musste schließlich Tränengas einsetzen, um Kopten und Muslime voneinander zu trennen. Vorher hatte sie versucht, die Menge mit Warnschüssen auseinander zu treiben. 15 Menschen sollen dem Innenministerium zufolge festgenommen worden sein.

Kaputte Windschutzscheibe (Foto: picture-alliance/dpa)
Gewalt auf den Straßen KairosBild: picture-alliance/dpa

Mit der Sitzblockade wollen die Kopten gegen die Gewalt gegen Christen demonstrieren. Bereits am vergangenen Wochenende waren mehrere Menschen in einem Kairoer Armenviertel getötet worden, 240 wurden verletzt. Am Freitag hatten erneut tausende Ägypter auf dem Tahrir-Platz demonstriert. Sie forderten mehr religiöse Toleranz.Die Spannungen zwischen den Religionsgruppen nehmen zu. Ob dies nur eine temporäre Erscheinung ist nach dem Sturz des ehemaligen Präsidenten Husni Mubarak, lässt sich Beobachtern zufolge noch nicht genau sagen.

Auslöser für den Streit

Die Auseinandersetzungen begannen, als sich eine Koptin zur Scheidung von ihrem Ehemann entschloss. Sie wollte der häuslichen Gewalt entfliehen und danach ihren muslimischen Liebhaber heiraten. Doch die koptische Kirche verbietet Scheidungen. Einige Ägypterinnen in ähnlichen Situationen wurden sogar von ihren Familienmitgliedern ermordet. Die Frau wollte daher zum muslimischen Glauben wechseln. Das Paar floh Ende 2010 aus dem ägyptischen Süden in den Norden. Die Flucht und die Pläne des Paares empörten beide Konfessionen so sehr, dass die Gewalt eskalierte. 200 Menschen wurden verletzt, 15 getötet.

Brand auf einer Straße in Kairo (Foto: dapd)
Interreligiöse Streitigkeiten in ÄgyptenBild: dapd

Das Viertel in Kairo, in dem die Gewalt ausbrach, gilt als Keimzelle des islamischen Fundamentalismus. Beobachter gehen davon aus, dass die Molotowcocktail-Werfer die Revolution gegen das ägyptische Regime untergraben wollten. Sie stammen sowohl aus den Reihen der Mubarak-Angehörigen, der Anhänger der Regierungspartei und der Kleriker mit Verbindungen zum Sicherheitsapparat. Dies hätten auch Mitglieder der Übergangsregierung mehrfach in Interviews bestätigt - ohne jedoch Namen zu nennen.

Autor: Nicole Scherschun (dapd, afp, rtr)
Redaktion: Stephan Stickelmann