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Umkämpfter Eurotunnel

30. Juli 2015

Am Eurotunnel haben in der Nacht wieder zahlreiche Flüchtlinge versucht, nach Großbritannien zu gelangen. Frankreich setzt auf auf Polizeimaßnahmen, um die Tausenden Migranten in Calais davon abzuhalten.

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Der Eingang des Eurotunnels in Coquelles nahe Calais in Frankreich (Foto: dpa)
Der Eingang des Eurotunnels in Coquelles nahe Calais in FrankreichBild: picture-alliance/dpa/Y. Valat

Erneut haben zwischen 100 und 150 Flüchtlinge versucht, an der französischen Polizei und anderen Ordnungskräften vorbeizukommen, um durch den Eurotunnel Großbritannien zu erreichen. Die Flüchtlinge blockierten etwa eine Stunde lang einen der Eurotunnel-Ausgänge. Die Betreiber des Tunnels unter dem Ärmelkanal teilten über den Kurznachrichtendienst Twitter mit, dass es bei den Passagen vom englischen Folkestone aus etwa zwei Stunden Verspätung gebe. Nach Angaben des französischen Innenministeriums hatte es in der Nacht zu Mittwoch die Rekordzahl von 2300 Versuchen von Flüchtlingen gegeben, in den Tunnel einzudringen.

Frankreich und Großbritannien kündigten an, die Sicherheitsmaßnahmen vor Ort zu verschärfen. Frankreichs Innenminister Bernard Cazeneuve veranlasste die Entsendung von zusätzlichen 120 Polizisten in die Hafenstadt Calais, in deren Nähe der Tunnel beginnt. "Der Staat wird die Mittel zur Sicherung der Grenze und insbesondere des Eurotunnels weiter verstärken", sagte Cazeneuve in Paris. Zugleich rief er die Betreibergesellschaft Eurotunnel auf, "ihrer Verantwortung" bei den Sicherheitsvorkehrungen gerecht zu werden. Er hatte dem Unternehmen zuvor Versäumnisse vorgeworfen, was Eurotunnel entschieden zurückwies.

Frankreichs Innenminister Bernard Cazeneuve (Foto: Reuters)
Frankreichs Innenminister Bernard CazeneuveBild: Reuters/B. Tessier

Die britische Innenministerin Theresa May sagte in London, für ihre Regierung sei es "vorrangig", die Sicherheitsmaßnahmen auf der französischen Seite des Tunnels zu verstärken. "Wir wollen sichergehen, dass niemand versucht, den Tunnel zu durchqueren", sagte sie nach einer Dringlichkeitssitzung der Regierung zu der Flüchtlingskrise.

"Ich weiß, dass es sehr gefährlich ist, aber…"

Bereits am Dienstag hatte May bei einem Treffen mit Cazeneuve in London angekündigt, dass Großbritannien weitere zehn Millionen Euro für Absperrmaßnahmen auf der französischen Seite des Eurotunnels bereitstellen werde. May räumte am Mittwoch ein, dass es zuletzt mehreren Flüchtlingen gelungen sei, durch den Eurotunnel nach Großbritannien zu gelangen. In informierten Kreisen war von mehr als 100 Flüchtlingen an Bord mehrerer Güterzüge die Rede.

Seit Wochen versuchen immer wieder hunderte Flüchtlinge nachts zum Eurotunnel vorzudringen, um an Bord von Güterzügen nach Großbritannien zu gelangen. "Ich habe es heute Nacht drei Mal versucht, aber es war sehr schwierig wegen der vielen Wachleute", sagte ein sudanesischer Flüchtling der Nachrichtenagentur AFP. "Ich weiß, dass es sehr gefährlich ist, aber ich versuche es." Eurotunnel hat die Zahl der private Sicherheitsleute auf 200 erhöht, in dem Gebiet sind außerdem 300 Polizisten im Einsatz.

Flüchtlinge auf Gleisen am Eurotunnel (Foto: AFP)
Flüchtlinge auf Gleisen am EurotunnelBild: Getty Images/AFP/P. Huguen

Fluchtversuche enden immer wieder tödlich: Am Mittwochmorgen wurde in der Nähe des Tunnels der Leichnam eines Flüchtlings aus dem Sudan entdeckt. Der zwischen 25 und 30 Jahre alte Mann wurde nach Worten eines Polizisten offenbar von einem Lastwagen überfahren, als er auf einen Zug steigen wollte, von dem der Lkw gerade herunterfuhr. Es war der neunte Flüchtling seit Anfang Juni, der auf der französischen Seite des Ärmelkanals bei einem Unfall starb.

Ebenfalls am Mittwoch bekam ein Ägypter auf der Pariser Gare du Nord einen lebensgefährlichen Stromschlag, als er vom Dach eines Zuges auf das eines anderen sprang und dabei gegen eine Oberleitung stieß. Der Mann kam ins Krankenhaus, er schwebte zwischen Leben und Tod, wie mit dem Fall befasste Ermittler der französischen Grenzpolizei mitteilten. Den Angaben zufolge sprang der Mann auf das Dach eines Eurostar-Zugs, der Paris mit London verbindet.

In Calais gestrandet

Nach Schätzungen warten zwischen 3000 und 5000 Migranten in Calais auf eine Gelegenheit, nach Großbritannien zu kommen. Sie erhoffen sich dort bessere Asylchancen und Lebensbedingungen als in Frankreich. Die meisten von ihnen stammen aus Eritrea, Äthiopien, Afghanistan und dem Sudan.

In den vergangenen Jahren hatten die Flüchtlinge vor allem versucht, auf Lastwagen zu gelangen, die den Ärmelkanal an Bord von Fähren überqueren. Nachdem der Hafen von Calais Anfang Juni aber massiv gesichert wurde - unter anderem mit Stacheldraht - versuchen immer mehr Flüchtlinge, den nahegelegenen Eurotunnel zu erreichen.

Eurotunnel erklärte, von ihr eingestellte Wachleute hätten seit Jahresanfang 37.000 Fluchtversuche unterbunden. Der Flüchtlingsansturm "übersteige" aber die Möglichkeiten eines jeden Unternehmens - vielmehr müssten Großbritannien und Frankreich eine "angemessene Antwort" finden.

stu/wl (afp,dpa)