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Erneut Überfälle auf Ausländer in Russland

28. September 2006

In Sankt Petersburg sitzen derzeit Mitglieder extremistischer Gruppierungen auf der Anklagebank. Währenddessen ist es erneut zu Übergriffen auf Ausländer gekommen. Ein aus Indien stammender Student starb an den Folgen.

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Zunehmende Gefahr aus der rechten SzeneBild: picture-alliance/dpa

In Sankt Petersburg sind erneut zwei Ausländer überfallen worden. Nitesh Kumar Singh, ein Student aus Indien, starb an den Folgen von Messerstichen. Ein Sudanese, dessen Name noch unbekannt ist, wurde zusammengeschlagen und ausgeraubt. Zu den Überfällen war es kurz nach Beendigung einer Kundgebung gekommen, die unter dem Motto "Für die Rechte des russischen Volkes" von Aktivisten der "Bewegung gegen illegale Einwanderung" veranstaltet wurde. Der tote indische Student war kein illegaler Einwanderer, er studierte an der Metschnikow-Akademie, die zu den angesehensten medizinischen Hochschulen Sankt Petersburgs zählt.

Ultra-Nationalisten wieder aktiv

Die Täter interessiert nicht, ob das Opfer ein Visum besitzt oder sogar einen russischen Pass. Die Ultra-Nationalisten, die während des Sommers wegen der verschärften Sicherheitsmaßnahmen vor dem G8-Gipfel untergetaucht waren, werden nun wieder aktiv. Das macht den in Sankt Petersburg lebenden Ausländern Angst. Gaston Eduard, der aus Burkina Faso stammt, sagte im Gespräch mit der Deutschen Welle: "Wir rufen zum friedlichen Zusammenleben in dieser Stadt auf. Das Volk hat sehr gelitten, das haben viele bereits vergessen. Wenn ich diesen Abschaum der Gesellschaft sehe, wie er durch die Stadt streift und für Ausschreitungen wie in Deutschland in den 30er und 40er Jahren sorgt, dann denke ich, dass deren Großväter doch dagegen gekämpft hatten. Es ist doch ein Schlag ins Gesicht der Kriegsveteranen."

Kritik an Behörden

Der stellvertretende Staatsanwalt in Sankt Petersburg, Andrej Lawrenko, teilte am 25. September mit, er nehme die Ermittlungen im Mordfall Nitesh Kumar Singh unter seine persönliche Kontrolle. Er bestätigte ferner, dass als Tatmotiv Extremismus geprüft werde, aber auch Rowdytum oder ein Konflikt zwischen dem Täter und dem Opfer.

Hussein Mustafa, ein Landsmann des getöteten Nitesh Kumar Singh, studiert ebenfalls in Sankt Petersburg am Pawlow-Institut, einer anderen medizinischen Hochschule. Er sagte der Deutschen Welle, die Behörden erklärten in allen solchen Fällen immer das Gleiche: "Sie versprechen immer alles mögliche, aber letztendlich wird nichts unternommen. Das ist einfach bedauerlich. Mir gefällt Russland sehr, Petersburg gefällt mir sehr. Ich betrachte Russland bereits als meine zweite Heimat, aber natürlich kann hier alles passieren."

Laufende Gerichts-Verfahren

Der Überfall auf den Inder Nitesh Kumar Singh passierte einen Tag vor Beginn der Schlussanhörung der Parteien im Fall des vietnamesischen Studenten Wu An Tuan, der vor zwei Jahren ermordet wurde. Gerade mit diesem tragischen Fall begann in Sankt Petersburg die Diskussion über die zunehmende Gefahr des Nazismus. In den nächsten Tagen beginnt außerdem die Prüfung einer Anklage gegen Ruslan Melnik, den Führer der extremistischen Gruppierung "Mad Crowd", zu deren Lasten mehrere Überfälle auf Ausländer gehen. Die Erfahrung der letzten Jahre hat gezeigt, dass mehr Verbrechen mit rassistischem Hintergrund verübt werden, sobald in Sankt Petersburg Mitglieder einer extremistischen Gruppierung auf der Anklagebank sitzen.

Vladimir Izotov, Sankt Petersburg
DW-RADIO/Russisch, 25.9.2006, Fokus Ost-Südost