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Erleichterung und Kritik bei der Wirtschaft

20. Januar 2021

Längerer Lockdown, aber keine Stilllegung der Produktion, mehr Homeoffice, aber auch mehr finanzielle Hilfen - so gemischt wie die Beschlüsse der Bundesregierung fallen auch die Reaktionen aus der Wirtschaft aus.

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Deutschland Lockdown | Schwerin
Bild: Jens Büttner/dpa/picture alliance

Der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) konnte den Beschlüssen von Bund und Ländern etwas Positives abgewinnen: "Es ist eine wichtige Nachricht für viele Handwerksbetriebe und ihre Beschäftigten, dass es jetzt erst einmal nicht zu einem kompletten Wirtschafts-Lockdown kommt", sagte ZDH-Präsident Peter Wollseifer.

"Damit ein solch harter Lockdown auch künftig ausgeschlossen bleibt und damit - im Gegenteil - die derzeit geschlossenen Handwerksbetriebe endlich wieder arbeiten können, kommt es jetzt umso mehr auf konsequenten Gesundheitsschutz an", so Wollseifer weiter. Wie viele andere forderte er deshalb schnelle und einfache Hilfen.

Handel klagt über Verluste

In der Corona-Krise ringen die Unternehmen vieler Branchen um die Existenz. Vor allem der Handelsverband Deutschland (HDE) hatte immer wieder kritisiert, dass versprochene Hilfen bislang nicht geflossen seien, und drängt nun erneut auf eine Verbesserung bei der staatlichen Überbrückungshilfe.

"Der vom Lockdown betroffene Einzelhandel verliert an jedem geschlossenen Verkaufstag im Januar durchschnittlich 600 Millionen Euro Umsatz", erklärte HDE-Hauptgeschäftsführer Stefan Genth. "Nach dem weitgehenden Verlust des Weihnachtsgeschäfts in November und Dezember können viele Handelsunternehmen diese unverschuldeten Verluste wirtschaftlich nicht mehr kompensieren."

Zugleich begrüßte es der HDE, dass die Bundesregierung die vom ihm geforderten Anpassungen vornehmen wolle. Nun seien sowohl Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) als auch Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) gefordert, "ihren Versprechen für eine Umgestaltung der staatlichen Hilfen für den Einzelhandel rasch Taten folgen zu lassen", so Genth.

Bessere Hilfe versprochen

Auch der Präsident des Instituts für Weltwirtschaft in Kiel (IfW), Gabriel Felbermayr, warnte angesichts der erneut verlängerten Schließungen vor einer Insolvenzwelle. "Je länger der Shutdown dauert, umso stärker leiden die Unternehmen, umso mehr werden ihre Reserven angeknabbert, umso größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass wir nach dem Ende der Krise eine große Insolvenzwelle sehen", sagte er bei Bild Live. "Das Mindeste, was jetzt passieren muss, dass man mit großzügigen Abschlagszahlungen versucht, die Unternehmen, die unschuldig betroffen sind, über Wasser zu halten."

Nach massiver Kritik an den Hilfen hat die Bundesregierung versprochen, schnell nachzubessern. "Die Hilfen werden einfacher, umfangreicher und zielgenauer", hatte Finanzminister Olaf Scholz (SPD) angekündigt - und einigte sich mit Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU), der erklärte: "Wir werden die Überbrückungshilfe III drastisch vereinfachen und auch bei der Höhe noch eine Schippe drauf legen."

Kritik am Homeoffice

Der Beschluss, dass Arbeitgeber ihren Beschäftigten künftig das Arbeiten im Homeoffice überall dort ermöglichen müssen, wo es die Tätigkeiten zulassen, stößt bei Arbeitgebervertretern auf Kritik.

Die beschlossenen Vorgaben seien "inakzeptabel", sagte der Hauptgeschäftsführer des Arbeitgeberverbands Gesamtmetall, Oliver Zander. Noch im November habe Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) verkündet, von diesem Vorhaben abzusehen. "Dieses nun unter dem Etikett der Pandemiebekämpung einzubringen, erweckt den Eindruck, als nutze der Minister die Pandemie für parteipolitische Zwecke."

Möglichst wenig Auslastung der Nahverkehrsmittel soll durch mehr Homeoffice erreicht werden
Möglichst wenig Auslastung der Nahverkehrsmittel soll durch mehr Homeoffice erreicht werdenBild: picture-alliance/dpa/C. Soeder

ÖPNV: mehr Sicherheit oder "nicht notwendig"?

In öffentlichen Verkehrsmitteln und Geschäften gelten zudem strengere Maskenvorschriften: Künftig müssen dort sogenannte OP-Masken oder Mund-Nase-Bedeckungen mit den Standards KN95/N95 oder FFP2 getragen werden. Zudem werden die Verkehrsunternehmen aufgefordert, ihr Angebot zu erhöhen. So könnten Abstandsregeln vor allem zu Stoßzeiten besser eingehalten werden.

"Falls der Weg zur Arbeit als besonderes Risiko ausgemacht wird, muss die öffentliche Hand das Angebot des ÖPNV erhöhen, statt mit einer FFP2-Maskenpflicht von den eigenen Versäumnissen abzulenken", teilte Zander weiter mit.

Der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen kündigte an, den Beschluss "selbstverständlich" zu unterstützen. Gleichwohl bezeichnete auch VDV-Präsident Ingo Wortmann die verschärfte Maskenpflicht als "nicht notwendig".

Der Geschäftsführer des Interessenverbands Allianz pro Schiene, Dirk Flege, betonte, die Einhaltung der Maskenpflicht müsse kontrolliert werden. Grundsätzlich bewertete er die Vorgaben aber positiv: "Mehr Busse und Bahnen - das erhöht genau wie die Maskenpflicht noch einmal die Sicherheit für alle Nutzer der öffentlichen Verkehrsmittel."

Aufatmen

Finanzmarktvertreter wie Andreas Scheuerle von der Dekabank zeigen sich erleichtert, dass die Maßnahmen nicht so streng ausgefallen sind wie befürchtet. "Aus ökonomischer Sicht waren insbesondere das Herunterfahren des Personenverkehrs, ein möglicher Lockdown für die Industrie und Grenzschließungen eine Gefahr. Diese sind vorerst vom Tisch."

Ähnlich bewertet Uwe Burkert, Chefökonom der Bank LBBW, die Beschlüsse. "Die beschlossenen Maßnahmen greifen stärker in das Wirtschaftsgeschehen ein, aber die Träger der konjunkturellen Erholung - insbesondere die Industrie - bleiben weitgehend verschont." Ob allerdings an Aschermittwoch, der in diesem Jahr auf den 17. Februar fällt, "alles vorbei sein wird, wie es in einem Karnevalslied heißt, "darf diesmal wirklich bezweifelt werden".

bea/hb (dpa, afp, rtr)