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Kein Rennen zum Ausgang

6. Oktober 2011

Der Militär-Einsatz der NATO in Libyen hat nach den Worten von US-Verteidigungsminister Leon Panetta die Mängel des Militär-Bündnisses offengelegt. Schuld daran seien vor allem die Europäer, meint er.

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Polizisten in Libyen vor einer Mauer mit der ufschrift "Danke Nato" auf englisch. (Foto: DW/Karlos Zurutuza, Libyen, Tripolis, September 2011)
Die NATO sieht die Libyen-Mission als so gut wie beendet.Bild: DW

Beim Treffen der NATO-Verteidigungsminister in Brüssel ging es am Donnerstag (06.10.2011) vor allem um die Beendigung von zwei Einsätzen: dem über Libyen und dem in Afghanistan. In Libyen steht offenbar ein endgültiger Sieg der Truppen des Nationalen Übergangsrates bevor. Nur noch in der Stadt Sirte leisten die Soldaten des ehemaligen Staatschefs Muhammar Gaddafi größeren Widerstand. NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen klang stolz: "Es ist klar, dass das Ende absehbar ist. Gaddafis Soldaten kämpfen für eine verlorene Sache." Doch die NATO sei entschlossen, die Operationen noch so lange fortzusetzen, wie Gefahren für die Zivilbevölkerung bestünden. Für die Zeit danach sieht Rasmussen keine bedeutende Rolle mehr für die NATO. Er bot aber an, bei einer Reform der libyschen Streitkräfte zu helfen, falls die neue Regierung das wünsche.

USA: Bei Verteidigung nicht zu viel sparen

ein amerikanischer Marschflugkörper wird von einem Kriegsschiff angefeuert (Foto:U.S. Navy, MC3 Jonathan Sunderman/AP/dapd)
Abhängigkeit der Europäer: Abschuss eines US-Marschflugkörpers auf LibyenBild: dapd

Sowohl Rasmussen als auch der neue amerikanische Verteidigungsminister Leon Panetta meinen, Libyen habe auch die Schwächen der NATO, und vor allem die der Europäer offengelegt. Die USA hatten sich nach einigen Tagen weitgehend aus der Libyen-Mission zurückgezogen. Verbindlicher im Ton als sein Vorgänger Robert Gates, aber ähnlich hart in der Sache forderte Panetta hier mehr Anstrengungen. Die Mitglieder müssten dafür sorgen, "dass die NATO die militärischen Fähigkeiten hat, die wir brauchen, um im 21. Jahrhundert erfolgreich zu operieren, auch in einer Zeit haushaltspolitischer Zwänge."

Rauf auf den Baum, runter vom Baum

Zehn Jahre nach Beginn des Afghanistan-Einsatzes ist dort ebenfalls ein Ende absehbar. Doch erst 2014 sollen afghanische Truppen selbst für die Sicherheit ihres Landes sorgen. Rasmussen sieht dafür keine Hindernisse mehr. "Der Übergangsprozess läuft nach Plan, und er wird nicht mehr gestoppt." Allein die Amerikaner, die mit rund 100.000 Soldaten den weitaus größten Teil der Kampftruppen stellen, wollen bis zum nächsten Herbst rund ein Drittel von ihnen abziehen. Deutschlands Verteidigungsminister Thomas de Maizière warnt bereits vor zu großer Eile. "Wir brauchen so etwas wie strategische Geduld. Von einem Baum runterzuklettern ist komplizierter als schnell hinaufzugehen." Der amerikanische Teilabzug hat aber nach den Worten de Maizières keine negativen Auswirkungen auf die Situation der Bundeswehr in Nordafghanistan. Amerikanische "Schlüsselfähigkeiten" wie Sanitätsdienste und Hubschrauberkapazitäten blieben erhalten.

Der Traum von der westlichen Demokratie

Porträt de Maizière, im Hintergrund Ministerkollegen EPA/OLIVIER HOSLET +++(c) dpa - Bildfunk+++
de Maizière: "zu hohe Erwartungen in Afghanistan"Bild: picture-alliance/dpa

Zehn Jahre Afghanistan-Einsatz sind auch ein Grund, Bilanz zu ziehen. Sind die Staaten, die sich an dem Einsatz beteiligt haben, zu leichtfertig hineingegangen, wurde de Maizière von Journalisten am Rande des Treffens gefragt. Das bestritt der Minister. Doch die Erwartungen seien zu hoch gewesen. "Die zu hohen Erwartungen bestanden darin, dass wir dort in wenigen Jahren eine westliche Demokratie aufbauen könnten. Das passt nicht in die Kultur, das überfordert uns, das wäre auch ein Stück Bevormundung." Ziel sei jetzt, dass nie wieder von Afghanistan der Terror in die Welt exportiert werde, und erst dann zu gehen, "wenn wir ein hinreichendes Maß von Stabilität und Sicherheit in afghanischer Hand gewährleisten können." Zumindest sind die beteiligten Regierungen erleichtert, dass sich der Einsatz dem Ende nähert. In Deutschland, den USA und anderen Staaten haben es die Politiker immer schwerer, Opfer und Kosten des Krieges vor der Öffentlichkeit zuhause zu rechtfertigen. Zahlreiche Militärs dagegen warnen, ein vollständiger Abzug werde Afghanistan erneut islamischen Extremisten ausliefern.

Autor: Christoph Hasselbach, Brüssel
Redaktion: Martin Schrader