1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Entscheidet das Internet die nächste US-Wahl?

Holger Hank, derzeit Los Angeles17. November 2004

Während US-Präsident George W. Bush längst wieder zur Tagesordnung übergegangen ist, grübeln die unterlegenen Demokraten noch über ihre Niederlage. Einige Politik-Profis wollen 2008 noch mehr auf das Internet setzen.

https://p.dw.com/p/5rQO
Informieren, kommunizieren, spenden - alles übers InternetBild: AP

Joe Trippi ist sich seiner Sache sicher: "Das Internet kann das ganze politische System der USA verändern." Trippi ist kein Internet-Enthusiast, sondern ein eher hartgesottener Politik-Profi. Er ist immer dabei, wenn in den USA Kandidaten der demokratischen Partei in den Wahlkampf ziehen. 2004 war er für Howard Dean tätig. Dean unterlag bei den Vorwahlen zwar gegen John Kerry. Doch Trippi hatte gezeigt, wie ein US-Wahlkampf im Internetzeitalter funktionieren kann. Statt nur auf teure TV-Werbung zu setzen, brachte Trippi die Dean-Anhänger mit Hilfe von interaktiven Websites und E-Mails massenweise auf Trab.

Neue Wähler

Auch wenn sich mit Kerry schließlich ein weniger internetbegeisterter Kandidat in der demokratischen Partei durchsetzte: 2004 spielte zum erste Mal das Internet eine wichtige Rolle im Kampf um das Weiße Haus. Darüber waren sich Politiker und Internetprofis jetzt bei einer Tagung in Los Angeles einig. Vor allem die hohe Wahlbeteiligung der jüngeren Amerikaner wurde bei der Konferenz der "Online News Association", einer Vereinigung US-amerikanischer Online-Journalisten, auf die starke Nutzung des Internets zurückgeführt.

"Zum ersten Mal sind massenweise junge Leute in die Wahllokale gekommen", sagt Jehmu Greene, die Chefin von "Rock the vote", einer Organisation, die die amerikanische Jugend für Politik begeistern will. Greene, die ein wenig aussieht wie eine jugendliche Ausgabe von Whoopy Goldberg, ist überzeugt: "Das wird zukünftig noch wichtiger werden." Schon 2004 sprechen die Zahlen für sich. Allein "Rock the vote" hat in diesem Jahr 1,2 Millionen Formulare zur Wählerregistrierung per Internet-Download verteilt. Insgesamt gingen zwei Millionen junge Amerikaner mehr zur Wahl als 2000. "Ohne die Stimmen der jungen Wähler", sagt Wahlkampfmanager Trippi, "hätte Kerry bei der Wahl von Anfang an gar keine Chance gehabt."

Es geht ums Geld

Für Trippi gibt es aber noch einen anderen Grund, warum das Internet bald im Mittelpunkt des amerikanischen Politikgeschäfts stehen wird. Das Netz erlaube Kandidaten zukünftig, ihre Wahlkämpfe anders zu finanzieren als bisher. Statt auf die Unterstützung von Lobbyisten zu setzen und sich dabei politisch abhängig von Interessengruppen zu machen, könnten sich zukünftige Kandidaten auf Internetspenden stützen. "Wenn fünf Millionen Menschen nur 100 Dollar übers Netz einzahlen, dann hat ein Kandidat genug Geld, um Präsident zu werden!"

Für den Internet-Journalisten David Winer bietet das Internet Politikern aber nicht nur neue Möglichkeiten, um Geld einzutreiben. Winer ist einer der Vordenker der amerikanischen Weblog-Szene, der interaktiven Online-Tagebücher, die sich in den USA längst zu einem alternativen Medium neben den traditionellen Medien entwickelt haben. "Das Internet und Weblogs werden in der nächsten Zeit Wahlen entscheiden - zwar nicht auf Bundesebene, aber auf jeden Fall in den Kommunen", meint Winer. Denn gerade Weblogs brächten Menschen miteinander in Kontakt und ermöglichten es ihnen, gemeinsam ihre Interessen zu vertreten. Mit dem Boom der Weblogs bekämen die Menschen jetzt ein Medium in die Hand, mit dem sie direkt ohne die Zwischenschaltung der klassischen Medien breite Bevölkerungsschichten erreichen könnten.

Kritik an Bloggern

Bei allem Enthusiasmus in Sachen Weblogs sehen viele Journalisten in den USA das Phänomen aber auch zunehmend kritisch. So wird den Bloggern vorgeworfen, mit ihren oft spekulativen Meinungstexten zur Polarisierung während des Wahlkampfs beigetragen zu haben. "Gerade für Erstwähler könnte diese Mischung aus Meinung und Gerüchten mitunter schwer einzuordnen sein", meint Jehmu Greene von "Rock the Vote".

Hinzu kommt, dass Blogger inzwischen auch für fehlerhafte Berichte in den klassischen Medien verantwortlich gemacht werden. So hatten kurz nach Schließung der Wahllokale einige populäre US-Weblogs über Wählerbefragungen, so genannte Exit-Polls, berichtet, nach denen die Demokraten in einigen kritischen Bundesstaaten einen Vorsprung haben sollten. Diese - wie sich später herausstellte - Falschmeldungen wurden auch von den TV-Stationen aufgegriffen. Weblog-Guru Dave Winer sieht das eher gelassen. Derartige Meldungen hätten auch bei früheren Wahlen unter Journalisten die Runde gemacht. Aufgrund der Konkurrenz durch die Blogger-Szene fühlten sich jetzt auch TV- und Printjournalisten gedrängt, Dinge zu veröffentlichen, die sonst vielleicht nicht in die Öffentlichkeit gelangen würden. Das lakonische Fazit: "Durch Internet und Weblogs ist das Nachrichtengeschäft noch schneller geworden."