1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Europa Schuldenkrise

6. Dezember 2011

Immer hektischer wird nach einer Lösung für die europäische Schuldenkrise gesucht. Auch der IWF ist wieder im Spiel. Klar ist nur eines: Die Lage ist dramatisch und die Zeit läuft ab.

https://p.dw.com/p/13Ml3
Symbolbild Eurokrise (© Dufra)
Bild: fotolia/Dufra

Es fällt derzeit nicht ganz einfach, den Überblick zu behalten, wo eigentlich gerade wer und mit welchen Vorschlägen gegen die Schuldenkrise kämpft. In rasantem Tempo werden immer neue Ideen in die Umlaufbahn gebracht, wie man die Eurozone vor dem Auseinanderbrechen bewahren könnte. Wer noch immer nicht verstanden hat, in welch existenzieller Krise Europa sich seit anderthalb Jahren befindet, der muss sich nur die Schlagzahl von Gipfeltreffen - offizielle oder informelle - in allen möglichen Zusammensetzungen anschauen. Von Panik will zwar niemand laut reden, allein die Fakten sprechen eine andere Sprache. Europa blickt derzeit in den Abgrund.

Erinnern an vorhandene Regeln

Die oft gescholtenen Finanzmärkte drängen Europa, die eigenen Regeln einzuhalten. Wer Mitglied im exklusiven Klub der Eurozone sein will, darf eine bestimmte Schuldengrenze nicht überschreiten und sich pro Jahr nur in einem engen Rahmen neu verschulden. Diese Regeln gibt es schon, sie stehen im sogenannten Maastrichter Vertrag. Nur: Sie wurden nie eingehalten, auch von Deutschland nicht. Jetzt, wo die Märkte der Eurozone das Vertrauen entzogen haben, erinnert sich Europa an sein Regelnwerk: Nichts anderes ist es, was Angela Merkel und Nicolas Sarkozy jetzt gemeinsam diskutiert haben und dem EU-Gipfel am Ende der Woche vorschlagen werden.

Verzicht auf eigene Rechte

Es geht darum, in den europäischen Verträgen rechtsverbindliche Grenzwerte einzubauen für die Staatsverschuldung. Und vor allem darum, wie Sanktionen automatisch greifen können, die dann aber nicht einfach von den nationalen Parlamenten übergangen werden können. Nationale Haushalte sollen der EU-Kommission vorab zur Prüfung vorgelegt werden, und - falls sie bestimmte Vorgaben nicht erfüllen - auch überarbeitet werden. Die Nationalstaaten müssen also einen Teil ihrer Souveränitätsrechte opfern, wenn sie den Euro behalten wollen. Eine solche "Fiskalunion" könnte durchaus der richtige Weg sein, sagt der renommierte Wirtschaftswissenschaftler Michael Hüther vom Institut der deutschen Wirtschaft im Gespräch mit der Deutschen Welle: "Es ist nun einmal so, dass zu einer gemeinsamen Geldpolitik eine gemeinsame Finanzpolitik gehört, die stabilitätsorientiert ist und die Defizite vermeidet."

Eurobonds werden kommen

Symbolbild Eurobonds - Eurschein mit Pflaster (Quelle: fotolia)
Notpflaster Eurobonds?Bild: Wiski - Fotolia.com

Wie der Strafenkatalog künftig aussehen soll, ist allerdings noch umstritten. Denkbar ist beispielsweise, den Schuldensündern kein Geld mehr aus den Brüsseler Fördertöpfen zu überweisen. Auch der Entzug des Stimmrechts in europäischen Institutionen ist so eine noch unausgegorene Idee. Und weigert sich ein Land hartnäckig, seinen Haushalt zu sanieren, so soll es auch verklagt werden dürfen vor dem Europäischen Gerichtshof. Das sind aber eher Ideen für die nächsten Monate. Zunächst muss es darum gehen, schnell wieder das Vertrauen der Finanzmärkte zurück zu gewinnen. Und das wird nur über zwei Instrumente funktionieren: Eurobonds, also die gemeinsame Haftung aller Euroländer für die Schulden und den unbegrenzten Aufkauf von Staatsanleihen der Krisenländer durch die Europäische Zentralbank. Gegen beides wehren sich die Deutschen noch heftig – weil sie das als letztes Druckmittel für Veränderungen der europäischen Verträge brauchen.

Milliardentopf beim IWF

IWF-Chefin Christine Lagarde (Foto: AP)
IWF-Chefin Lagarde will Europa helfenBild: dapd

Und auch der Internationale Währungsfonds ist wieder mit von der Partie. Nach einem Bericht der Zeitung "Die Welt" vom Montag (05.12.2011) erwägen die europäischen Regierungen offenbar eine massive Stärkung des IWF, um die Krise zu beenden. Wie die Zeitung schreibt, sollen die Zentralbanken der Euro-Staaten einen dreistelligen Milliardenbetrag in einen speziellen Fonds beim IWF einzahlen, aus dem dann Programme für Krisenländer finanziert werden sollen. Neu ist die Idee nicht, sie wurde schon am Rande des G20-Gipfels Anfang November in Cannes diskutiert, aber vom IWF noch strikt zurück gewiesen. Doch nun hat sich die Lage zugespitzt.

Auch die US-Notenbank Fed soll daran beteiligt werden. Ein Indiz dafür könnte der kurzfristig angesetzte Europa-Trip von US-Finanzminister Timothy Geithner sein. Er wird von Dienstag bis Donnerstag Gespräche mit seinen europäischen Kollegen führen. So oder so: Es läuft jetzt einmal mehr alles auf den EU-Gipfel am kommenden Freitag hinaus. Michael Hüther bringt es auf den Punkt: "Die Zeitenwende in der Finanzpolitik ist eingeläutet. Wir sind gerade dabei, einen großen Schritt nach vorne zu machen."

Autor: Henrik Böhme
Redaktion: Rolf Wenkel